Süddeutsche Zeitung

Bibelverse am Humboldt-Forum:In Gottes Namen

Zum Streit um eine christliche Inschrift an der Kuppel des Berliner Humboldt-Forums.

Von Joshua Beer

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat die Idee bestärkt, eine umstrittene Inschrift an der Kuppel des Berliner Schlosses, seit zwei Jahren Sitz des Humboldt-Forums, zeitweise in einem Kunstprojekt zu überblenden. Bei der als Spruchband um die Kuppel gelegte Inschrift handelt es sich um zusammengesetzte Bibelverse, die seit Längerem heftig diskutiert werden. Die Unions-Bundestagsfraktion hatte Roth nun vorgeworfen, das Bibelzitat verhüllen zu wollen. Der Schriftzug auf der Kuppel müsse sichtbar bleiben, sagte die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, Christiane Schenderlein. Roth korrigierte daraufhin: Das Projekt sehe eine "temporäre Überblendung der rekonstruierten Inschrift mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten vor. Die Inschrift bleibt also erhalten, es wird nur sichtbar gemacht, dass sich das Humboldt-Forum mit ihrer Aussage kritisch auseinandersetzt".

Das Forum hatte bereits vor gut einem Jahr die Idee vorgestellt, den Bibeltext nachts über Leuchtelemente mit alternativen, kontrastierenden Sprüchen zu überblenden. "Die Umsetzung würde bedeuten, dass tagsüber die rekonstruierte Inschrift, bei Dunkelheit andere Texte sichtbar werden", erklärte ein Forumssprecher. Das Vorhaben entstand während der Amtszeit von Roths Vorgängerin als Kulturstaatsministerin, Monika Grütters (CDU). Sie war zu der Zeit auch Stiftungsratsvorsitzende des Humboldt-Forums, worauf Roth nun verweist.

Kritiker sehen in der Inschrift einen Ausdruck christlich-kolonialer Herrschaft

Die kontroverse Inschrift lautet vollständig: "Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Diese Zusammenfügung zweier Bibelverse stammt vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der 1844 auf dem Berliner Schloss eine Kapelle errichten ließ. Heute erkennen Kritiker aus Afrika in dem Spruch sowie dem Kreuz auf der Kuppel Symbole der christlich-kolonialen Herrschaft wieder. Andere wiederum zweifeln schlichtweg an, dass die christliche Aufmachung zur Fassade eines Universalmuseums und Ausstellungszentrums wie dem Humboldt-Forum passt. Tatsächlich sind Kreuz und Inschrift Teil des historischen Wiederaufbaus des Schlosses gewesen, den der Bundestag vor 20 Jahren beschlossen hatte. Die Sicht darauf hat sich seitdem gewandelt.

Zu meinen, in der Inschrift stecke "einfach nur ein unpolitisches Zeichen von Religiosität", sei "erstaunlich und geschichtsblind", teilte Kulturstaatsministerin Roth mit. Aus der Inschrift ließe sich aus Sicht vieler Historiker eindeutig eine politische Botschaft ableiten, die den allein von Gott abgeleiteten Herrschaftsanspruch des Preußenkönigs untermauere. Grundgesetz und Demokratie stünden nicht in der Traditionslinie eines repressiven Königs- und Kaisertums, das seinen Machtanspruch allein auf Gott begründete, so Roth.

Die Unionsfraktion wies daraufhin, dass auf der Dachterrasse des Schlosses ohnehin eine Informationstafel geplant sei, die die Bibelverse für Besuchende einordnen soll. Dies sei völlig ausreichend.

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