"City of McFarland" mit Kevin Costner im Kino:Die Jungs rennen wie der Wind

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Querfeldeinlauf? Football-Coach Jim White (Kevin Costner, mit Carlos Pratts) hat Anpassungsschwierigkeiten. (Foto: Ron Phillips; Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved)

Coach treibt hoffnungsloses Team zu Höchstleistungen - kennt man? "City of McFarland" ist trotzdem sehenswert. Auch weil Kevin Costner beweist, dass er ein verdammt Guter ist.

Von Susan Vahabzadeh

Das Kino ist eine Zeitmaschine, es kann einen Augenblick festhalten, ein Fenster öffnen ins Gestern. Dabei geht es nicht nur darum, was ein Film erzählt, sondern auch, wie er es erzählt - und manchmal auch mit wem. "City of McFarland" spielt im Jahr 1987, zu einer Zeit, als Kevin Costner gerade im Begriff war, ein Superstar zu werden - die Art von Anti-Star, die damals in war, als in Hollywood alle als Normalos durchgehen wollten. Er spielt einen abgehalfterten Coach im neuen Film der Neuseeländerin Niki Caro ("Whale Rider") - einen Mann, der eigentlich am Ende ist, und dann erfindet er sich neu und bringt, sozusagen als Kollateral-Gewinn, eine Kleinstadt auf Vordermann.

Ein kleiner Film, ein Feel-good-Movie, geradeaus erzählt, ohne Effekthascherei: Der Sommer neigt sich dem Ende zu, und der Coach Jim White (Costner) zieht mit seiner Familie in eine neue Stadt. Er hat mit seiner sturen Art wieder einmal einen Rauswurf provoziert. Es geht in den Süden Kaliforniens, und irgendwann fragen seine Töchter vom Rücksitz aus: Sind wir schon in Mexiko?

Nein, noch nicht ganz - aber in diesem Kaff, McFarland, in das sie gerade ziehen, leben fast ausschließlich Landarbeiter, die aus Mexiko stammen, Pflücker. Eine der ärmsten Gemeinden der USA, ein heruntergekommenes Städtchen, in dem es nicht viel gibt, eine Taco-Bude und eine Highschool, an der Jim White nun versucht, den Kindern der Pflücker das Football-Spielen beizubringen - sie sind erbärmlich darin und zeigen wenig Interesse. Keiner der Jungs wagt es, von etwas zu träumen, sie werden Pflücker werden wie ihre Eltern, und die meisten von ihnen müssen jetzt schon morgens um fünf, vor der Schule, mit auf die Felder.

White muss tricksen

Das stählt natürlich - White merkt, dass die Jungs rennen wie der Wind, über Stock und Stein. Einer ist dabei, Thomas (Carlos Pratts), ein Wahnsinnsläufer, und ein bisschen verknallt in Whites ältere Tochter (und vice versa). White sucht also eine Sportart, die diesen Jungs entgegenkommt; zunächst einmal nur, weil sie in irgendetwas gut werden müssen, damit er sich auf einen Job in einer besseren Gegend bewerben kann. Seine Wahl fällt auf Cross Country Running, Querfeldeinlauf.

Die Jungs sträuben sich, besonders Thomas, da kann nicht mal Whites Tochter helfen. White muss ihn austricksen, um ihn ins Team zu bekommen. Der erste Wettkampf ist dann ein Debakel, denn eigentlich muss auch White erst einmal lernen, wie man diese Sportart überhaupt trainiert. Es gibt sie sonst fast nur an Privatschulen - Whites Truppe tritt an gegen einen Haufen blonder Jungs, die sonst lieber Golf spielen. Und daraus entwickelt sich, sowohl für White als auch für die Jungs, ein neuer Ehrgeiz: Es geht nicht mehr nur um die Wettkämpfe an sich. Es geht darum, sich zu behaupten, sich eine Zukunft zu erobern.

Filme über hoffnungslose Teams, die ein Coach dann doch noch zu Höchstleistungen treibt - davon gibt es viele, "Hoosiers/Freiwurf", "A League of Their Own", sogar die Kindervariante in "Die Bären sind los". Es geht da meist um Baseball oder Football, populäre Sportarten - die automatisch verbunden sind mit einer Welt aus Geld und Ruhm. Für die Jungs in McFarland geht es darum, dass sie, wenn sie in irgendeiner Sportart gut sind, College-Stipendien bekommen können, oft als erste in der Familie einen guten Abschluss haben werden.

McFarland wird ein "Feld der Träume" - so hieß einer der Filme, die Ende der Achtziger Costner auf die Höhe seines Ruhms transportierten, auch ein Sportfilm, da baut er ein Baseballfeld. Denn wenn es etwas gibt, wovon man träumen kann, dann ist plötzlich alles anders. Und so ist das auch in McFarland.

Der Ort spielt tatsächlich eine Hauptrolle, der Prozess, wie sich die Whites einleben, Freunde gewinnen, sich an Madonnen-Wandmalerei, Tacos und Gartenfeste gewöhnen; und das alles ohne die geringste Herablassung. Niki Caro erzählt davon mit viel Feingefühl, mit großen Respekt vor jeder einzelnen Figur. Man schaut das schon deswegen gern an, weil Kevin Costner nicht grundlos ein Superstar geworden ist - man kann hier sehen, dass er wirklich ein verdammt guter Schauspieler ist.

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In der rührendsten Szene ist Costner nicht dabei

Er macht nie zu viel und beherrscht doch fast jede Szene. In der rührendsten ist er dann aber doch nicht dabei - ganz am Ende sieht man den echten Jim White und die Jungs aus seinem ersten Team. Das meiste von dem, was Caro erzählt, ist nämlich tatsächlich passiert - seit Jim White 1987 nach McFarland kam, hat die Highschool dort Titel gesammelt im Querfeldeinlauf, und die sieben Jungs aus dem ersten Team haben es alle aufs College geschafft.

Damals, zu Zeiten von "Feld der Träume", konnte so ein kleiner Film noch ganz groß werden. Heute sind Feel-good-Movies aus der Mode gekommen, und gegen Riesenwirbel und Special Effects und den totalen Eskapismus kommen sie nicht an - "City of McFarland" wird von den "Jurassic World"-Dinos, die gerade sämtliche bisherigen Einspielrekorde brechen, platt getrampelt.

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Ein paar Pflücker-Söhne, die Lehrer werden? Ja, richtig, mehr ist da nicht. Es geht im Feel-good-Movie immer nur um die Weltverbesserung im Detail, um kleine, überschaubare Veränderungen; mehr würde man doch ohnehin nicht glauben. Auch das Kino und sein Publikum denken und fühlen heue in größeren Dimensionen, ganz globalisiert: Die Welt ist so unübersichtlich und bedrohlich, dass ihren Schwächen nicht mehr beizukommen ist mit pragmatischem Optimismus auf Lokal-Ebene. Alles viel zu klein.

McFarland, USA - USA 2014, Regie: Niki Caro. Drehbuch: Christopher Cleveland, Bettina Gilois, Grant Thompson.Kamera:Adam Arkapaw. Mit: Kevin Costner, Maria Bello, Morgan Saylor, Carlos Pratts, Johnny Ortiz, Hector Duran. Disney, 129 Minuten.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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