Renaissance-Meisterwerk:Altes Gold an der Küchenwand

Renaissance-Meisterwerk: Die Dame, in deren Haus das Bild "Christi Verspottung" im Rahmen einer Versteigerung gefunden wurde, freut sich, möchte aber anonym bleiben.

Die Dame, in deren Haus das Bild "Christi Verspottung" im Rahmen einer Versteigerung gefunden wurde, freut sich, möchte aber anonym bleiben.

(Foto: Michel Euler/Michel Euler/AP)

Jahrelang hing ein Bild im Haus einer alten Dame in Frankreich - ohne dass sie wusste, dass es vom Renaissance-Maler Cimabue stammt. Nun schätzen Experten den Wert auf bis zu sechs Millionen Euro.

Von Joseph Hanimann, Paris

Das Verkaufshaus Actéon in der nordfranzösischen Kleinstadt Senlis bereitet sich auf ein großes Ereignis vor. Ein Original des frühen Renaissance-Meisters Cimabue wird dort am 27. Oktober zur Versteigerung kommen. Die Umstände seiner Entdeckung sind so sensationell wie die Bedeutung des Gegenstands. Für die Angestellte des Auktionshauses von Compiègne nördlich von Paris war es ein Routinetermin, nach dem Verkauf eines Hauses für eine alte Dame das Mobiliar vor dem Abtransport zur Mülldeponie nach allfälligen Objekten für eine Versteigerung zu sichten. An der Wand zwischen Küche und Wohnzimmer fiel ihr ein kleinformatiges Tafelbild auf. Sie tippte auf italienische Frührenaissance.

Die alte Besitzerin weiß nicht, wie das kleine Bild ins Haus kam

Das Gutachten des zu Rat gezogenen Pariser Kunstexperten Eric Turquin übertraf alle Erwartungen. Es handelt sich seiner Einschätzung nach um eine von ursprünglich acht Szenen Cimabues aus dem 13. Jahrhundert zur Passion Christi, von denen bisher nur zwei bekannt waren. Eine, "Die Geißelung Christi", hängt in der New Yorker Flick Collection, die andere, "Thronende Jungfrau mit Kind", gehört seit 2000 der Londoner National Gallery. "Christi Verspottung" heißt das nun aufgetauchte Bild mit dem Format von 25,8 auf 20,3 cm. Die alte Dame und ihre Angehörigen, die nicht mehr wissen, wie es in ihr Haus kam, hielten es seines Goldhintergrundes wegen für eine alte Ikone. Sein Wert wird vom Experten auf vier bis sechs Millionen Euro eingeschätzt.

Das Gutachten des Experten ist bisher von der Fachwelt nicht angezweifelt worden. Infrarotanalyse, Komposition und Goldverzierung des Werks weise einwandfrei auf Ceno di Pepo, alias Cimabue, hin, erklärt der Gutachter Turquin, und der Konservierungszustand des Fundes sei erstaunlich gut. Für die Auktion in Senlis werden Interessenten und Kenner aus aller Welt erwartet, denn von den kaum ein Dutzend erhaltenen Werken dieses Malers ist seit Jahrzehnten keines auf dem Markt angeboten worden. Die Dame von Compiègne freut sich einstweilen über die Identität des Bildes, in dessen Nähe sie lange unwissend gelebt hat, will mit dieser Freude aber anonym bleiben.

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