"Irgendwas stimmt nicht mit meinem Kopf", sagte Christine Kaufmann vor ein paar Monaten bei einem Telefonat. "Da wo andere Schauspielerinnen normalerweise ihre Dreh-Anekdoten speichern, ist bei mir ein Loch, ich kann mich nie an Dreharbeiten erinnern." Es ging um ihren Kollegen Kirk Douglas, mit dem Kaufmann 1961 das Nachkriegsdrama "Stadt ohne Mitleid" drehte. Ihr Durchbruch in Hollywood, für den sie einen Golden Globe als beste Nachwuchsdarstellerin gewann. Douglas wurde im vergangenen Dezember 100 Jahre alt und die Bitte des Redakteurs, ob sie nicht einen Geburtstagstext über die gemeinsame Arbeit schreiben wolle, lehnte sie zunächst ab - alles vergessen.
Nur um dann ein paar Minuten später noch mal anzurufen, und quasi druckreif eine Geschichte nach der anderen aus der alten Hollywoodzeit zu erzählen, von Douglas und von ihrem Ehemann Tony Curtis, von den Partys und den Flirts und dem Champagner. Aber, und das war wirklich schelmisches Kaufmann-Understatement, das sei wahrscheinlich alles gar nicht so interessant für die Leser, und überhaupt müsse man die ganze Sache mit dem Ruhm und dem Champagner vorsichtig genießen.
Die kleine Christine liebte es, sich aus der grauen Nachkriegstristesse wegzuträumen
Dass man dem Showbusiness eher skeptisch gegenüberstehen sollte, lernte Kaufmann schon als Kind durch ein paar deftige Ohrfeigen, die ihr Gert Fröbe laut Drehbuch in ihrem ersten Film, "Salto Mortale" von 1953, verpassen sollte. Eine Zirkusgeschichte mit den großen Wirtschaftswundermännern des deutschsprachigen Kinos war das, neben Fröbe spielten auch Karl-Heinz Böhm und Peter Alexander. Die Bilanz dieser Erfahrung war, schrieb sie später in ihrer Autobiografie "Scheinweltfieber", dass anscheinend alte Männer achtjährige Mädchen Ohrfeigen durften, solange es "fürs Kino" war. Immerhin entschuldigte sich der Gert nach jeder Aufnahme.
Kaufmann wurde 1945 in der Steiermark geboren, als Tochter einer französischen Maskenbildnerin und eines deutschen Luftwaffenoffiziers, bald zog die Familie nach München um. Die kleine Christine liebte es, sich aus der grauen Nachkriegstristesse wegzuträumen, indem sie sich aus alten Stofffetzen Kleidchen bastelte und vor dem Radio tanzte und sang. Was für das Kind reiner Eskapismus war, nannten die Erwachsenen Begabung, die Mutter schleppte sie zum Theater am Gärtnerplatz und meldete sie fürs Ballett an. Und weil sie die Mutter oft zur Arbeit in den Bavaria Filmstudios draußen in Geiselgasteig begleitete, kamen die Kette rauchenden Herren vom Film schnell auf die Idee, aus ihr einen Star zu machen.
"Ich mutierte vom Kind mit aufgeschlagenen Knien und dickem, dunklen Haar zur blonden Kinofee", sagte Kaufmann. Nach ein paar kleineren Rollen bekam sie der Regisseur Harald Reinl in die Hände. Es gab im deutschen Kino der Fünfziger- und Sechzigerjahre kaum einen anderen Regisseur, der die kriegsvergessenen Heile-Welt-Gelüste des deutschen Publikums in jener Zeit so gut verstanden hat wie er. Reinl drehte "Winnetou"-Filme, "Edgar Wallace"-Filme und Heimatfilme, in denen die Heide ganz unverschämt blühte. Kaufmann machte er 1954 als "Rosen-Resli" zum Kindersuperstar. Der Ruhm kam so heftig und so plötzlich, dass selbst die damals Neunjährige skeptisch wurde: "Das blondierte Traumwesen, dem es gelingt, den Berg hochzuklettern, ohne das Kleid zu beschmutzen, das bin nicht ich, das ist keine Wirklichkeit. Das habe ich schon damals gewusst."