Die Befürchtung hat sich bestätigt: Lady Gaga hat mit ihrem Erfolg Christina Aguilera in die Krise gestürzt. Gaga bediente sich für ihren strategisch durchkopierten Pop-Maximalismus nicht zuletzt bei Aguilera, genauer bei deren 2002 eingeführter S/M-Persona Xtina. Nach vier Jahren Sendepause dominiert auf Aguileras viertes Album "Bionic" (Sony) vor allem Orientierungslosigkeit.
Zwar hat die 29-Jährige im Vergleich noch immer die bessere Stimme, und sicher ist ihr auf diesem Album nicht alles misslungen. So überzeugt "Elastic Love", eine Kooperation mit der britischen Rapperin M.I.A., sogar mehr als das meiste, was auf M.I.A.s eigenem, im Juli erscheinenden Album "Maya" zu hören sein wird. Nur ist Aguileras Anteil an dem Stück an keiner Stelle auszumachen. Und auch in den anderen Songs will keine Handschrift erkennbar werden.
Hier ein bisschen Feminismus, da ein wenig devotes Stöhnen, dazu Cyborg-Rollenspiele zu synthetischem Dancepop. "Bionic" ist vor allem ein Dokument der Überforderung.
Erst die im hinteren Drittel versteckten Balladen "Lift Me Up" und "You Lost Me" zeigen: Der konsequente Wechsel in das stillere Soulpop-Fach wäre der richtige Schachzug gewesen.
Jetzt, wo Gaga die neue Xtina ist, hätte Aguilera die neue Whitney Houston werden müssen. Die bisherige Königin der Schmachtkoloraturen trifft das dreigestrichene E ja sowieso nicht mehr.