Christiane Paul über Beruf und Familie:"Man muss Abstriche machen"

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Eng mit der Arbeit verwoben: Christine (Christiane Paul) hofft in "Eltern" auf das Verständnis ihrer Tochter Käthe (Paraschiva Dragus) (Foto: Oliver Vaccaro)

Sie ernährt die Familie, er passt auf die Kinder auf. In dem Film "Eltern" läuft es für Ärztin Christine, gespielt von Christiane Paul, wunderbar - bis ihr Mann in seinen Beruf zurückkehrt. Innerhalb kürzester Zeit muss Christine massiv umdenken. Ein Gespräch über moderne Familien, die Herdprämie und Improvisation.

Interview: Paul Katzenberger

Ihre Eltern sind beide Ärzte, und auch Christiane Paul ist ausgebildete Medizinerin. Schon während des Studiums arbeitete sie nebenher als Schauspielerin und feierte bereits in dieser Zeit mit dem Sozialdrama "Das Leben ist eine Baustelle" (1996) ihren Durchbruch. Seither war Christiane Paul in zahlreichen Fernseh- und Kinofilmen zu sehen, in denen die unverkrampfte Frische und Natürlichkeit ihrer Charaktere gelobt wurden. In ihrem neuesten Film "Eltern" spielt sie die Mutter Christine, die als Ärztin im Krankenhaus tätig ist. Als ihr Ehemann Konrad (Charly Hübner), der bislang als Hausmann die zwei Töchter versorgt hat, in seinen Beruf als Theaterregisseur zurückkehrt, hängt der Haussegen bei der bis dahin vorbildlich organisierten Familie innerhalb kürzester Zeit schief.

SZ.de: In Ihrem neuen Film "Eltern" wird eine junge Familie gezeigt, die trotz allen guten Willens nicht schafft, Kindererziehung, den jeweiligen Beruf der Eltern und ein gedeihliches Miteinander unter einen Hut zu bekommen. Ist das eine vertraute Situation für Sie?

Christiane Paul: Ja, auf jeden Fall. Weil es für arbeitende Eltern natürlich immer schwierig ist, das Familienleben parallel zu organisieren.

Wie bewältigen Sie im realen Leben die Konflikte, die im Film gezeigt werden?

Da ich mit meinen Kindern allein lebe, kann ich die Frage leider nicht wirklich beantworten. Generell versuche ich schon immer, eine konstruktive Lösung zu finden, vor allem eine, mit der die Kinder leben können. Dafür ist es natürlich notwendig, Kompromisse einzugehen, und das ist etwas, was oft für alle Beteiligten nicht einfach ist, weil es bedeutet, dass man Abstriche von den eigenen Vorstellungen machen muss.

Wir erleben Sie als die Ärztin Christine, also in einem Beruf, den Sie im realen Leben gelernt haben. Gleichzeitig geht es bei Ihrem Partner Konrad im Film um Schauspiel, das ist genau die Branche, in der Sie jetzt tätig sind. Hat diese Konstellation Ihre Entscheidung beeinflusst, die Rolle anzunehmen?

Ehrlich gesagt nein. Ich spiele im Film eine Anästhesistin. Mit dieser Fachrichtung habe ich mich früher nie intensiv beschäftigt, weil ich immer in operativen Bereichen der Medizin tätig war. Allein von den Abläufen her war es anspruchsvoll, das herzustellen, was Robert Thalheim (Anm. d. Red.: der Regisseur) wollte, nämlich eine große Authenzität und eine Beiläufigkeit in der Tätigkeit, sodass die Zuschauer die berufliche Ebene glauben.

Hätte sich eine Schauspielerin ohne jede ärztliche Vorbildung schwerer getan?

Ich war am Ende ganz froh, dass ich eine Vorbildung hatte, weil ich sonst die Vorgänge, die Robert haben wollte, so nicht hätte liefern können. Das interessante ist ja, dass Charly Hübner, der meinen Partner Konrad spielt, auch schon im Theater Regie geführt hat. Insofern war es Glück, dass wir beide in diesen beiden Feldern ein bisschen Bescheid wussten.

Ein glücklicher Zufall also, und vom Regisseur nicht bewusst auf Sie zugeschneidert.

Es hätte bei beiden Rollen auch jeder andere Beruf sein können. Das war einfach ein Setup, das dem Regisseur wichtig war. Er wollte eine Frau, die Karriere in einem Beruf macht, der großes Ansehen hat, bei dem eine klare Arbeitsstruktur vorgegeben ist, und zu dem gehört, dass man nicht einfach gehen und den Hammer fallen lassen kann. Wo ein Verantwortungsgefüge da ist. Im Gegensatz dazu sollte Konrad stehen, mit seinem kreativen Beruf. Der hat natürlich auch eigene Vorstellungen und braucht Freiräume, um kreativ arbeiten zu können. Und diese Umstände rufen dann eine Konfliktsituation hervor.

Der Film verzichtet darauf, am Schluss eine Lösung für die entstandene Situation zu präsentieren. Gäbe es die Ihrer Meinung nach?

Adhoc gibt es keinen Ausweg. Sie hatte eine Affäre lange Zeit, er war kurz davor, in eine Affäre zu schlittern. Man hat sich etwas auseinandergelebt. Da muss man gucken, wie man mit der Situation Stück für Stück umgeht.

Robert Thalheim fordert, dass "mit einer flächendeckenden Kinderbetreuung die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich alle Menschen beruflich verwirklichen und beides leben können." Würden Sie sich dieser Forderung anschließen?

Das ist auf jeden Fall für die Eltern unterstützend. Gerade im Westen Deutschlands gibt es an dem Punkt noch sehr viel Nachholbedarf.

Gleichzeitig hat Bayern im vergangenen Jahr das sogenannte Betreuungsgeld bundesweit durchgesetzt, bei der Kinderbetreuung ist der Bedarf hingegen längst nicht überall gedeckt. Robert Thalheims Forderung wird sich daher nicht sofort überall umsetzen lassen. Was ist in der Zwischenzeit zu tun?

Sie meinen die "Herdprämie", diese sogenannte?

Ja, genau.

Die ist natürlich auch stark kritisiert worden, weil sie den Lebensverhältnissen in dieser Gesellschaft überhaupt nicht entspricht. Wenn man das mit anderen europäischen Ländern vergleicht, ist das sehr rückschrittlich.

Trotzdem ist sie Realität. So wie es derzeit aussieht, wird die CSU der nächsten Bundesregierung angehören.

Dennoch kann man die Entwicklung nicht aufhalten. Und wir dürfen eines nicht vergessen: Wir reden immer von der Gesellschaftsschicht, bei der es heißt: 'Na, dann bleibt die Frau halt zu Hause.' Es gibt aber inzwischen auch Familien, in denen kann man es sich gar nicht leisten, dass die Frau nicht arbeitet. Man denkt immer, es gehe um ein Privileg, 'ach, ja, die Frau möchte sich auch verwirklichen', darum geht's gar nicht - es geht zum Beispiel auch um ein Gehalt, das fehlt.

In "Eltern" begegnen wir gängigen Verhaltensmustern, die wir alle kennen, nur mit umgekehrtem Vorzeichen: Die Frau, die die Familie ernährt, entfremdet sich von Kindern, der Mann wird in seinem Beruf selbst von seiner Ehefrau nicht mehr für voll genommen. Würde eine Welt, die von Frauen ökonomisch beherrscht wird, wirklich genauso funktionieren wie die derzeitige männlich dominierte Welt, nur eben unter weiblicher Führung?

Charly Hübner, Christiane Paul und Regisseur Robert Thalheim (v.l.n.r.) bei der Premiere von "Eltern" am 11. November in Berlin. (Foto: dpa)

Diese Parallelen mit umgekehrtem Vorzeichen hat Robert Thalheim absichtlich eingebaut. Damit sind sie im Film anders als in der gesellschaftlichen Realität. Dadurch, dass das Lebensmodell der gezeigten Familie kulturell nicht verankert ist, sind die Reaktionen darauf eher negativ. Es bestehen Vorurteile gegenüber Christine, das wäre im umgekehrten Fall nicht so. Auch die unterdrückten Minderwertigkeitsgefühle bei Konrad und sein Drang, wieder etwas zu erschaffen, unabhängig von den Kindern, wären bei einer Frau nicht so ausgeprägt. Ihr Hauptaugenmerk läge immer noch auf der Familie. Da zeigen sich Jahrtausende Menschheitsgeschichte, in denen die Funktion des Mannes eine andere war.

Wie wirkt sich das auf die Film-Familie Ihrer Meinung nach sonst noch aus?

In der Filmfamilie hat der Vater, also Konrad, alle Pflichten der Mutter übernommen, er ist für den Haushalt, Kochen, Einkäufe zuständig und beschäftigt sich mit den alltäglichen Nöten und Sorgen der Kinder, während Christine eng mit ihrer Arbeit verwoben ist und fast nur noch als Besuch zu Hause Platz nimmt und emotional vom Familienleben fast abgeschnitten ist. Unabhängig vom Film ist es aber auch in der Realität so, dass die meisten Männer als Väter sehr viel entspannter und risikofreudiger und abenteuerlustiger sind als die Mütter. Konrad lässt viel mehr zu. Aber das ist sicherlich auch gut so, als Ausgleich zu den doch eher rationalen, besorgteren und pragmatischen Müttern.

Robert Thalheim hat gesagt, Sie hätten gut zu der Rolle der Christine gepasst, weil Sie ein so wahnsinnig organisierter und zielstrebiger Mensch seien. Stimmt das?

Keine Ahnung. Ich empfinde mich nicht als zielstrebig. Ich bin organisiert, zwangsläufig. Ich habe einen Beruf und zwei Kinder, alleinerziehend. Da muss man organisiert sein.

Das klingt aber tatsächlich so, als ob in Ihnen ein Stück Christine steckt. Im Film repräsentieren Konrad und Christine ja zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Leben. Sie ist der zielstrebigere Typ, während er eher mehr das Chaos und Improvisationstalent verkörpert.

Improvisieren tue ich trotzdem. Aber improvisieren kann man immer nur auf der Basis von etwas, glaube ich jedenfalls. Die Pläne, die man hat, sind ja dazu da, sie wieder über Bord zu werfen. Aber erst mal einen Plan zu haben, finde ich immer ganz gut. Die reine Improvisation ohne alles, die geht gar nicht. Oder?

Aber es gibt auch diese spontane Improvisation, wie in der Szene, in der Tochter Emma im Auto dringend aufs Klo muss. Just als es gerade schwer ist, anzuhalten. Und Konrad organisiert eine improvisierte Toilette, indem er eine Vesperschachtel auslehrt und ihr sagt, sie solle ihr Geschäft dort hinein machen. Später erzählt Emma das der Christine, und die ist geschockt. Die Mutter hätte also völlig anders reagiert.

Ja, die wäre ausgestiegen und wäre mit dem Kind rausgegangen. Ich glaube, ich hätte den Warnblinker angemacht. Auf die Idee mit der Dose musst du erst mal kommen.

Das eine ist ja nicht schlechter als das andere.

Nein, überhaupt nicht. Ich meine das überhaupt nicht wertend. Das sind zwei unterschiedliche Lösungsstrategien.

Der reale Charly Hübner scheint zur Rolle des Konrad also ganz gut zu passen, und Sie als Christiane Paul zur Rolle der Christine.

Dass Sie das denken, zeigt erst einmal, dass es funktioniert. Wir sind Schauspieler und spielen Rollen.

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