CNN-Moderator und Trump:Fredo, viel mehr als eine politische Metapher

Lesezeit: 3 min

Am System verzweifelt: Fredo Corleone (l.) mit seinem Bruder Michael. (Foto: imago/Prod.DB)
  • CNN-Moderator Chris Cuomo wird von einem Unbekannten "Fredo" genannt und fühlt sich beleidigt.
  • US-Präsident Trump steigt darauf ein und beleidigt ihn erneut.
  • Aber ist "Fredo" wirklich eine Beleidigung? Die Figur aus "Der Pate" ist immerhin eine der tragischsten der Filmgeschichte.

Von Carolin Gasteiger

Zugegeben, Donald Trump hat schon fieser beleidigt. Im Vergleich zu "krank" oder "Loser" klingt "Fredo" zunächst harmlos. Indem der US-Präsident Chris Cuomo als solchen tituliert, zeigt er fast schon feingeistiges Gespür.

Ein vor wenigen Tagen veröffentlichtes Video zeigt einen Streit zwischen dem italienischstämmigen CNN-Moderator Cuomo und einem Unbekannten, der Cuomo "Fredo" genannt haben soll. "Ist irgendjemand von Euch Italiener?", fragt dieser. Und weiter: "Das ist eine Beleidigung. Das ist für uns wie das N-Wort." Trump, für den CNN zu den bösen Fake-News-Medien zählt, teilte das Video auf Twitter mit den Worten: "Ich dachte auch, dass Chris Fredo sei. Die Wahrheit tut weh."

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Und schon ist aus einer kulturellen Figur eine politische Metapher geworden. Medien wie der New Yorker bedauern, wie Fredo Corleone, den John Cazale im ersten und zweiten Teil der Trilogie von "Der Pate" spielt, in einem hinterlistigen politischen Streit um Rassismus missbraucht wird. Die Corleones sind der Mafiaclan sowohl aus Mario Puzos Roman als auch aus der Verfilmung von Francis Ford Coppola.

Tatsächlich gehört Alfredo "Fredo" Corleone zu den tragischsten Figuren der Kinogeschichte. Als zweiter von drei Söhnen von Vito und Carmella Corleone im New Yorker Stadtteil Hell's Kitchen geboren, ist er als Kind kränklich und entwickelt weder die körperliche noch die mentale Stärke seiner beiden Brüder. Zwischen dem hitzköpfigen Weiberhelden Sonny und dem kühl kalkulierenden Michael steht der sensible Fredo, schüchtern, pflichtbewusst, loyal. Aber auch schwach und ununterbrochen auf der Suche nach Anerkennung. Kein Wunder, wenn die eigene Mutter behauptet, "Zigeuner" hätten Fredo auf die Türschwelle gelegt.

In Mario Puzos Romanvorlage heißt es, Fredo verkörpere das Kind, für das jeder Italiener zu Gott bete. So brav und anständig eben. Und tatsächlich: In jeder "normalen" Familie hätte Fredo als liebevoller Ehemann und Vater bestimmt reüssiert. Im skrupellosen Mafiaclan der Corleones jedoch ist Fredo die arme Wurst, die man so gut es geht vom Geschäft fernhält und die letztendlich zu schwach ist, um den eigenen Vater vor Attentätern zu schützen. Sie schießen Don Vito am Orangenstand nieder, Fredo kann nur tatenlos zusehen. Bruder Michael schiebt ihn schließlich nach Nevada ab, wo Fredo seine Selbstzweifel in den Casinos und Nachtclubs in Alkohol ertränkt. Vor lauter Verzweiflung begeht er einen unverzeihlichen Fehler und verrät den Clan. "Ich kann Dinge erledigen. Ich bin klug. Nicht, wie jeder sagt. Ich bin klug und ich will Respekt!", wettert er an einer Stelle. Vergeblich, ihm ist nicht mehr zu helfen.

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In Francis Ford Coppolas Filmtrilogie spielt Cazale den verschämten Fredo mit tiefliegenden Augen und markant fliehender Stirn. In einer berührenden Szene im zweiten Teil der Trilogie gibt Fredo seinem kleinen Neffen Anthony Tipps zum Angeln. Jedes Mal, wenn er einen Köder auswerfe, solle er ein Ave Maria beten. Wenig später hält ihm ein Adlatus seines Bruders in einem Fischerboot eine Pistole an die Schläfe. Fredo scheitert als sensibler Charakter an einem zu starken System.

Aber diese sensiblen Züge, die seine Brüder schon früh ausblenden um Kontrahenten auszuschalten und sich Macht und Einfluss zu sichern - die dürfte Chris Cuomo nicht im Kopf gehabt haben, als er sich über die Beleidigung "Fredo" echauffierte.

"Jemanden Fredo zu nennen, ist das Gegenteil einer starken und mächtigen Person", erläutert Edward Falco, Autor des 2012 erschienenen Prequels Die Corleones, in der Washington Post. Ohne Zweifel sei es eine ethnische Diffamierung, so Falco. Cuomo fühlte sich nicht nur als schwach und inkompetent beleidigt, sondern als schwacher und inkompetenter Italiener. Allerdings sei dies immer noch weit entfernt von einer Beleidigung wie dem N-Wort für Afro-Amerikaner, so Falco. Und im Netz finden sich Stimmen, die mit "Fredo" eher Verrat und Hinterlist verbinden als eine rassistische Beleidigung. Cuomo - und wohl auch Trump - denkt bei "Fredo" jedenfalls ans Scheitern. Dabei ist der zweitälteste Corleone der einzige, der nicht versucht, mit machohaftem Auftreten und eiskaltem Killen zu beeindrucken. Kurz: der nicht an toxischer Männlichkeit leidet. Und das wäre inzwischen ja eher als Kompliment zu verstehen.

Ähnlich wie Fredo wurde auch Schauspieler John Cazale oft übersehen. Jeder der fünf Filme, in denen er mitspielte, war für einen Oscar nominiert. Cazale selbst jedoch nie. "Wenn es Trost gibt dafür, dass Fredo zu einer politischen Steinschleuder wird, dann ist es, dass Cazales unvergleichliche Verkörperung nun Aufmerksamkeit bekommt", schreibt der New Yorker. Er starb 1978 im Alter von 42 Jahren an Krebs und ließ seine damalige Freundin Meryl Streep zurück. Am Montag, als Cuomos Video im Netz auftauchte, wäre Cazales 84. Geburtstag gewesen.

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