Chat-GPT im Einsatz:Mach du mal, Computer

Chat-GPT im Einsatz: Datenbank mit Wünschen, Bedürfnissen und Vorlieben: Was verraten die Fragen an Chat-GPT?

Datenbank mit Wünschen, Bedürfnissen und Vorlieben: Was verraten die Fragen an Chat-GPT?

(Foto: Florence Lo/Reuters)

Wofür nutzen wir die künstliche Intelligenz von Chat-GPT wirklich? Erste Erkenntnisse stellen der Menschheit kein gutes Zeugnis aus.

Von Michael Moorstedt

Innerhalb weniger Wochen nach ihrer Veröffentlichung haben mehr als hundert Millionen Menschen die KI namens Chat-GPT benutzt. Um auf eine derartige Verbreitung zu kommen, haben andere Angebote, die heute das Internet prägen, Jahre gebraucht.

Inzwischen wird eifrig daran gearbeitet, die Anwendung in die bekannten Suchmaschinen- und Officeprogramme zu integrieren. Google kündigte in der vergangenen Woche seine eigene Chat-KI namens Bard an. Von einem KI-Wettrüsten ist schon die Rede. Die Nachrichten, wie sagt man, sie überschlagen sich. Und es festigt sich die Ahnung, dass sich die Art und Weise, wie Menschen Informationen organisieren, grundlegend ändern könnte. Im besten Fall würde diese neue Art der Suche nicht nur Links liefern, durch die sich die Nutzer dann selbständig klicken müssen, sondern gleich fertige Handlungsanweisungen: Computer, was soll ich tun?

Der US-amerikanische Autor und Unternehmer John Battelle hat die bei Google und Co. millionenfach und im Sekundentakt eingegebenen Anfragen einmal als "Datenbank der Intentionen" bezeichnet. "Diese Informationen stellen in zusammengefasster Form einen Platzhalter für die Absichten der Menschheit dar - eine riesige Datenbank mit Wünschen, Bedürfnissen und Vorlieben, die aufgespürt, vorgeladen, archiviert, nachverfolgt und zu allen möglichen Zwecken ausgebeutet werden kann", schrieb Battelle. Und weiter: "Ein solches Ungeheuer hat es in der Kulturgeschichte noch nie gegeben, aber es wird von heute an mit Sicherheit exponentiell wachsen. Dieses Artefakt kann uns außergewöhnliche Dinge darüber sagen, wer wir sind und was wir als Kultur wollen."

Die Absichten und Vorsätze der Welt - hier sieht man sie ungeschönt

Statt kollektiver Selbsterkenntnis entstand mit der Suchmaschinenoptimierung dann freilich eine riesige Nischenindustrie, die sich darauf versteht, ohnehin populäre Themen weiter zu verstärken und die kollektive Aufmerksamkeit der Nutzer zu Marketingzwecken zu steuern.

Wird es mit der neuen Technologie anders? Lässt sie mehr Selbsterkenntnis zu? Auf der Website showgpt.co kann man nachlesen, was sich die Nutzer von der KI wünschen. Hier werden die Prompts genannten Anweisungen, die andere Nutzer in die Chatzeile tippen, auszugsweise veröffentlicht. Nach einer schnellen Durchsicht ergibt sich ein sehr heterogenes Stimmungsbild: Jemand möchte eine Zusammenfassung von "Moby-Dick" für die morgige Buchpräsentation. Ein anderer wünscht sich ein fiktives Streitgespräch zwischen Schopenhauer und Nietzsche, darüber, wer der bessere Philosoph war. Die Szene solle bitte in einem Faustkampf enden. Manches ist bemerkenswert einfallslos, wie jener Nutzer, der der KI den Satz "Kannst du neue Geschäftsideen ohne Geld?" diktiert.

Philosophie-Fanfiktion und fauler Businesszauber - soll es das mit den kulminierten Absichten und Vorsätzen der Menschheit gewesen sein? In Wahrheit muss man nur mal wieder dem Geld folgen. Welche Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz sind in den vergangenen Wochen und Monaten neu aufgetaucht? Wofür würden die Menschen bezahlen? Was ist, wie es in der Branche heißt, die Killer-App?

Da wäre zum Beispiel bedtimestory.ai. Für eine monatliche Gebühr von 9,99 US-Dollar können gestresste, aber zahlungskräftige Eltern die KI personalisierte Gutenachtgeschichten für ihre Kinder erstellen lassen. In einer ganz anderen Lebenssituation befinden sich wahrscheinlich die Nutzer eines Programms namens Keys. Mit der kann man von der KI erstellte Texte in Dating-Apps nutzen. Die Software reagiert entweder auf die Nachrichten der Person von Interesse, schlägt aber auch flotte Eisbrecher-Sätze oder - am anderen Ende der Konversation - diplomatische Schlussmachformulierungen vor.

Auch wenn die beiden Beispiele sehr unterschiedlich wirken, verdeutlichen sie sehr gut ein Problem. Aus Gründen intellektueller Faulheit versucht man selbst in intimsten Momenten genau die Dinge auszulagern, wegen derer das Leben überhaupt erst bedeutsam wird. Da taucht gleich noch eine Frage an die KI auf: Computer, wann wirst du mich überflüssig machen?

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