Cate Blanchett in Cannes:Die Frau, die gnadenlos alte Rollenmodelle aufbricht

FILE PHOTO: Cast member Cate Blanchett poses during a photocall for the film 'Carol' in competition at the 68th Cannes Film Festival in Cannes

Cate Blanchett bei der Cannes-Premiere ihres Films "Carol" im Jahr 2015.

(Foto: REUTERS)

Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett sitzt beim diesjährigen Filmfestival in Cannes der Jury als Präsidentin vor. Das ist mehr als ein künstlerisches Statement.

Von David Steinitz

Auf der Dachterrasse des Festivalpalasts von Cannes hat man einen unverschämt schönen Blick auf die unverschämt schönen Menschen unten am Strand und das glitzernde Meer dahinter. Was man aber alles sofort ignoriert, wenn eine Schauspielerin wie Cate Blanchett die Szenerie betritt. Sie hat auch im echten Leben eine Aura, die viele Hollywoodstars jenseits der Leinwand verlieren, und die ein bisschen an ihren königlich-schwebenden Auftritt als Elben-Herrscherin Galadriel in "Der Herr der Ringe" (2001) erinnert.

In diesem Jahr wird Blanchett, mit ihren Werken ein Dauergast in Cannes, zum ersten Mal in einer neuen Rolle das Festival besuchen: als Präsidentin der Jury, die im Mai die Goldene Palme für den besten Film vergeben wird. Dass die Cannes-Verantwortlichen sich für die 48-jährige Australierin entschieden haben, darf man getrost nicht nur als künstlerisches, sondern auch als politisches Statement lesen. Blanchett engagiert sich energisch gegen sexuelle Belästigung und Nötigung, nicht nur in der Filmindustrie, sondern in der gesamten Arbeitswelt. Sie war eine der ersten Prominenten, die sich nach den Missbrauchsvorwürfen gegen den Produzenten Harvey Weinstein zu Wort meldeten. Und sie ist Mitbegründerin der Initiative "Time's Up" ("Die Zeit ist vorbei"), in der sich mehr als 300 Schauspielerinnen gegen sexuellen Missbrauch zusammengetan haben.

Schon vor drei Jahren, beim Interview auf der Dachterrasse in Cannes, berichtete sie enttäuscht über die misogynen Machtstrukturen in Hollywood: "Es heißt immer nur über Frauen im Filmgeschäft, sie seien schwierig oder eine Diva, über Männer sagt man das nie."

Blanchett sagt, dass sie gerne Listen erstellt von den Dingen, die sie erreichen möchte

Damals stellte sie ihr Drama "Carol" im Wettbewerb vor, nach dem Roman von Patricia Highsmith. Es geht in dieser Geschichte um die Liebesbeziehung zweier Frauen in den Fünfzigerjahren in New York, also noch vor der sexuellen Revolution, Emanzipation und Schwulenbewegung. So eine Story lässt sich laut Blanchett selbst im Hollywood des 21. Jahrhunderts kaum verkaufen, weil viele der männlichen Produzenten auch heute noch der Meinung seien, dass die Zuschauer keinen Film mit zwei weiblichen Hauptrollen sehen wollen. "Ich war mir lange sehr sicher, dass dieser Film es niemals ins Kino schaffen wird." Sechs Jahre brauchte sie, um "Carol" mit Ach und Krach doch noch finanziert zu bekommen, zumindest mit kleinem Budget, trotz ihres großen Star-Namens.

Blanchett, geboren 1969 in Melbourne, kommt eigentlich vom Theater und konnte mit dem Kino zunächst nichts anfangen. Sie studierte Schauspiel am National Institute of Dramatic Art. Schon mit Anfang zwanzig wurde sie in ihrer australischen Heimat zur Bühnenberühmtheit, zum Beispiel als Ophelia im "Hamlet".

Mit dem Shakespeare-Zeitalter kam sie bestens zurecht, auch in ihrer ersten großen Kinorolle als "Elizabeth" (1998), die sie dann doch vom Theater weglockte und die ihr gleich eine Oscar-Nominierung einbrachte. Seitdem ist sie mehrfach benannt worden und hat den Oscar auch zweimal gewonnen, für "The Aviator" (2005) und "Blue Jasmine" (2014).

Blanchett sagt, dass sie gerne Listen erstellt von den Dingen, die sie erreichen möchte, um hinterher ein Häkchen dran setzen zu können. In Sachen Schauspielkarriere konnte sie vermutlich schon recht viel abhaken: Sie hat mit den besten Regisseuren gedreht, mit Martin Scorsese, Woody Allen, Jim Jarmusch und vielen anderen. Vor allem aber hat sie das alte Rollenmodell von der Frau als hübschem Beiwerk für Filme gnadenlos aufgebrochen. Mit "Carol" natürlich, aber besonders im Episodenfilm "I'm Not There" von 2007 - darin spielte sie Bob Dylan.

Nur an Erotikszenen könne sie sich auch nach Jahrzehnten der Erfahrung auf Filmsets einfach nicht gewöhnen: "Wenn man die Brustwarzen von jemandem küssen soll, den man kaum kennt, bleibt das immer komisch."

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