Cat Powers Coveralbum "Jukebox":Miss Molly

Ihr Album "Jukebox", das große Songs der Musikgeschichte in neue Formen gießt, rettet die Ehre der Cover-Version: die amerikanische Rocksängerin Cat Power.

Andrian Kreye

Seit einigen Jahren gehört Charlyn Marshall, die ihre Platten unter dem Künstlernamen Cat Power veröffentlicht, zu den besten Bühnensängerinnen ihrer Generation. Zwar unterbricht sie ihren Vortrag immer wieder, weil sie von Panikattacken und Ticks geplagt wird.

Cat Powers Coveralbum "Jukebox": Viel besser als die Band Nouvelle Vague: Cat Power.

Viel besser als die Band Nouvelle Vague: Cat Power.

(Foto: Foto: oh)

Doch gerade weil sie ihre Bühnenängste pflegt, die manchmal die Form eines ausgeprägten Tourette-Syndroms annehmen, wirkt die Emotionalität in ihrer Stimme so ausdrucksstark und überraschend. Und weil sie dabei auch noch so aussieht wie eines jener "It-Girls" aus Andy Warhols Factory, wirkt sie wie ein Transplantat aus den Hoch-Zeiten der Rockmusik vor vierzig Jahren.

Gerade deswegen ist es gewagt, dass Cat Power nun mit "Jukebox" ein Album vorlegt, das fast ausschließlich aus Coverversionen besteht, denn sie ist wirklich keine modische Retronummer. Nun waren Coverversionen in der Popmusik schon immer eine Gratwanderung. Nicht die Raubzüge der frühen Rocker im Soul und Blues, sondern die Coverversion als Referenz, Hommage oder Statement.

Aus Dur wird Moll

Und seit das Nachspielen fremder Lieder bei Konzerten junger Bands zum Wettbewerb um das raffinierteste Verständnis von Ironie um Hippness geworden ist, kann man es sich kaum noch leisten, solche Anleihen auch noch aufzunehmen. "Jukebox" ist in diesem Kontext gerade deswegen interessant, weil Cat Power mit schuld daran ist, dass junge Musiker so ehrgeizig mit ihrem historischen Popwissen brillieren wollen.

Vor sieben Jahren hatte die heute 35-jährige Sängerin mit ihrem fünften Album voller Coverversionen ihren Durchbruch hatte. In Amerika war das die Zeit, als sich der Independent-Rock totgelaufen hatte, Elliott Smith, Conor Oberst und Will Oldham die Renaissance des Singer-Songwriter-Genres vorbereiteten und jeder, der etwas auf sich hielt alte Platten von Nick Drake und Bert Jantsch hörte. Da elektrisierte sie die Indieszene mit ihren minimalistischen Coverversionen. Sogar "Satisfaction" von den Stones, der abgenutzteste Song aller Zeiten, klang plötzlich zeitgemäß.

Ihr Trick war so einfach wie subversiv. Sie transponierte die Originale in düstere Molltonarten, reduzierte fröhliche Quinten zu melancholisch verminderten Terzen und verschleppte die Phrasierungen mit Backbeats. Damit kehrte sie die Methode um, mit der kommerziell orientierte Bandleader jahrzehntelang anspruchsvolle Popmusik massentauglich gemacht hatten.

Die Fußnote wurde zur Kunstform

Der Weltmarktführer für Hintergrundmusik Muzak L.L.C., Dirigenten wie Herb Alpert und James Last hatten in den sechziger Jahren Songs ihre Schärfe genommen, indem sie Dur-lastige Arrangements unter die Originalmelodien legten, scharfe Akzente verschliffen und die verminderten Septen aus den Akkorden strichen. Was Cat Power nicht abschätzen konnte, waren die Folgen, die ihre Methode haben sollte.

Zunächst wurde die Coverversion zur eigenen Kunstform erklärt. Was früher als dritte oder vierte Zugabe gespielt wurde, war nun Pflicht. Aus der Fußnote wurde eine Kunstform, mit dem man seinem eigenen Werk pophistorische Tiefe oder smarte Ironie verleihen wollte.

Oops!

Wenn Ben Folds dann ein Stück von Elton John spielte, war das eine selbstironische Hommage. Bald aber wurden die Referenzen immer obskurer. Man spielte längst vergessene Stücke von längst vergessenen Stilpionieren wie Big Star, The Babys, oder den Replacements. Oder man übte sich in ironischen Dreisprüngen. Wenn Travis "Oops!... I Did It Again" von Britney Spears als Zugabe spielen, oder die Donnas ein Stück von Kiss, war der Witz eindeutig.

Was es bedeutet, wenn Sufjan Stevens ein Stück von R.E.M. singt, wissen nur noch Eingeweihte. Vor drei Jahren adelte kein geringerer als Johnny Cash die Covermanie mit seinem Album "American IV", auf dem er unter anderen Nine Inch Nails, Depeche Mode und Sting interpretierte. Das allerdings war keine Ironie, sondern eine Anerkennung des jeweiligen Songschreiberhandwerks.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Cat Power jetzt schon besser ist als Nouvelle Vague.

Miss Molly

Das Problem mit dem ironischen Zitat ist die Geste. Letztlich stehen im Hintergrund immer noch Jimi Hendrix mit seiner Fassung der amerikanischen Nationalhymne in Woodstock und Johnny Rottens respektlose Punkversion von Frank Sinatras "My Way". Doch das waren Demontagen, die reine Rebellion. Ironie ist aber keine Rebellion, sondern der Rückzug in die Verweigerung. Und dahinter verbirgt sich meist die Affirmation.

Die Nouvelle Vague-Methode

Dafür steht exemplarisch das Projekt Nouvelle Vague. Auf den ersten drei CDs arrangierten die französischen Produzenten Marc Collin und Olivier Libaux die Klassiker des Punk und New Wave als Bossa Novas. Aus der Hommage wurde ein Fleddern, Ironie verkam zum Kalauer.

Egal ob das zornige "Too Drunk To Fuck" von den Dead Kennedys oder das tragische "Love Will Tear Us Apart" von Joy Division, alles war plötzlich so schmerzfrei hip wie eine Fotostrecke der Möbelzeitschrift Wallpaper. Und so schloss sich der Kreis, der mit James Last und Herb Alpert begonnen hatte.

Tiefpunkte der Covermanie gab es viele. Da waren Paul Ankas Versuch, Oasis' "Wonderwall" zu singen und Patti Smiths Idee, "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana mit Banjo und Besen zu arrangieren. Und auch Nouvelle Vagues Methode, große Popmusik in Feriendorfgenres zu übersetzen, greift inzwischen um sich.

Stilbrüche und Verwässerungen

Da spielen die Easy All Stars Reggae-Versionen von Pink Floyd und der Buena Vista Social Club verhurte sich mit Salsafassungen von Coldplay und den Arctic Monkeys. Solche Stilbrüche fanden sich schon während der fünfziger und sechziger Jahre in den bürgerlichen Plattenschränken. Damals nannte sich das Exotika und wurde von Orchesterdirigenten wie Les Baxter und Martin Denny kreiert.

Heute sind diese reaktionären Rückschritte der Coverversion genauso wie früher Teil jenes Mechanismus, der seit den sechziger Jahren jede Form von Subkultur zum vermarktbaren Produkt verwässert. Der einzige Unterschied ist, dass die Generation der heute Bürgerlichen mit Pop aufgewachsen ist und die Stilbrüche und Verwässerungen etwas komplexer aufgebaut werden müssen.

Die Unterschiede zwischen der Orchesterfassung eines Beatles-Liedes und dem Downtempo-Remix einer Madonna-Single sind jedoch marginal. Beide sind dafür bestimmt, im modernen Heim eine zeitgemäße Atmosphäre zu schaffen. Für Cat Power wäre es ein Leichtes, sich an eine Mode zu hängen, die schon zum Produktsegment mutiert ist.

Doch was sie auf ihrem neuen Album "Jukebox" vorlegt ist keineswegs die Fortsetzung einer Marotte. Ganz kurz drängt sich der Eindruck auf, dass auch Power ein schnelles Geschäft machen will, weil sie zu Beginn der CD Frank Sinatras Gassenhauer "New York, New York" zum melancholischen Soulsong reduziert. Spätestens aber wenn man das Album einmal durchgehört hat, revidiert man seinen ersten Eindruck.

Da definiert sie Hank Williams Ode an die unstete Natur des Mannes in "Ramblin' Man" für sich als Frau neu, misst sich am Delta Blues von Jessie Mae Hemphill und wagt sich mit "I Believe In You" an die christliche Phase des Songwriter-Gottes Bob Dylan.

Der Ironiegefahr gewahr

Und dass Rock und Soul sehr wohl interpretatorische Formen zulassen, beweist sie mit ihren Versionen von Billie Holidays "Don't Explain", Janis Joplins "Woman Left Lonely" und Joni Mitchells "Blue". Das alles hat die Sängerin aus Georgia mit Studiomusikern eingespielt, die sie zu einem Teil aus Veteranen rekrutiert hat, die schon mit Neil Young, Janis Joplin und Al Green gespielt haben, teils mit Nachwuchs aus Bands wie Dirty Three, Delta 72 und der Jon Spencer Blues Explosion, die ihr schon bei den Konzerten zu ihrem letzten Album "The Greatest" eine gültige Form der Zeitlosigkeit geschaffen hatten.

So schlägt sich Cat Power auf die Seite der großen Interpretatoren des "Great American Songbook", auf die Seite von Bob Dylan, Johnny Cash und Bruce Springsteen. Ob sie jemals deren Ruhm erlangt, bleibt abzuwarten. Eines hat sie nun zumindest schon geschafft - sie hat die Ehre der Coverversion gerettet, die sie ganz unfreiwillig in Frage gestellt hatte. Und wenn sie sich auf dem Cover wie auf einem Silkscreen von Andy Warhol in Szene setzt, dann zeigt sie, dass sie auch die Ironiegefahr im Blick hat.

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