"Covers" von Cat Power:Hafermilch-Sound

"Covers" von Cat Power: Lässig, luftig und selbst in den kärgsten Arrangements leise glamourös. Einerseits. Andererseits könnte Cat Powers neues Album damit auch überall laufen, ohne zu stören.

Lässig, luftig und selbst in den kärgsten Arrangements leise glamourös. Einerseits. Andererseits könnte Cat Powers neues Album damit auch überall laufen, ohne zu stören.

(Foto: Mario Sorrenti)

Cat Powers neues Album ist die Art Musik, bei der man denkt, man würde gerne mal Musik anmachen. Bis man merkt, dass schon Musik läuft.

Von Juliane Liebert

Was macht man als Indie-Star, wenn die Rente naht? Kinder kriegen und alte Erfolgsrezepte nachkochen. Im Fall von Chan Marshall alias Cat Power heißt das: ein neues Cover-Album. Sie wurde nämlich damit berühmt, Songs von anderen sehr langsam und melancholisch nur auf der Gitarre zu spielen. Das gelang ihr im Jahr 2000 mit "The Covers Record" und 2008 mit "Jukebox" in Perfektion. Und jetzt also ein drittes Cover-Album. "Covers" heißt es.

Wahnsinn, so sagt man, ist, wenn jemand immer das Gleiche tut, aber ein anderes Ergebnis erwartet. Und in diesem Sinne ist "Covers" dann auch ein sehr vernünftiges Werk - never change a working system.

Diesmal sind neben Frank Ocean, Lana Del Rey, Iggy Pop und Nick Cave auch The Replacements und Nico dran, wobei Marshall sich nicht die offensichtlichsten Songs aussucht. Mit Ausnahme von Nico vielleicht, deren "These Days" Marshall im Duett mit sich selbst darbietet, eher um die originale Melodie herummäandernd als sie im klassischen Sinne covernd. Ansonsten ist das Album geschmackvoll arrangiert und extrem zugänglich. Der Sound ist der, den sie seit "The Greatest" pflegt. Lässig, luftig und selbst in den kärgsten Arrangements leise glamourös. Einerseits.

Bestimmt ist auch Norah Jones eine gute Musikerin. Freisprechen möchte man sie trotzdem nicht

Andererseits könnte "Covers" damit auch überall laufen, ohne zu stören. In teuren Schuhläden. Auf Beerdigungen. Auf Hochzeiten, bei denen die Hochzeits-DJs heimlich an der Verbindung der Eheleute zweifeln. Es ist Barista-Musik. Café-Latte-mit-Hafermilch-Musik. Die Art Musik, bei der man manchmal denkt, man wolle gerne Musik anmachen, bis man merkt, dass schon Musik läuft.

Nichts stört. Und das stört, wenn man ehrlich ist, dann doch. Aber nicht genug, dass man deshalb direkt was dagegen tun würde. Denn natürlich ist Cat Power immer noch eine bessere Musikerin als die Leute, die das Zeug produzieren, das sonst typischerweise als Barista-Musik läuft. Andererseits ist bestimmt auch Norah Jones eine gute Musikerin. Freisprechen möchte man sie trotzdem nicht.

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Vor ein paar Jahren, als der Hype um Cat Power gerade auf dem Höhepunkt war, hat sie mal ein Interview bei der Pediküre gegeben. Sie ließ sich in einem Spa in San Francisco die Nägel rot lackieren, sagte Dinge wie "Ein langer zweiter Zeh bedeutet, du bist extrem intelligent" und deutete auf ihren langen zweiten Zeh. Ansonsten zelebrierte sie im Interview die Steckenpferde und Wehwehchen des Kulturjetsets, während sie sich von einer Philippina die Nägel machen ließ. Man kann danach kaum noch Cat Power hören, ohne an rot lackierte zweite Zehennägel zu denken.

Andererseits und bei näherer Betrachtung: Funktioniert nicht auch "Covers" wie ein einzelner, sehr langer zweiter Zeh? Einfach alles an Arrangement weglassen, bis nur die musikalische Idee übrig bleibt. Man ahnt den Fuß, auch wenn man ihn nicht sehen kann.

Wenn sie der Idee weiter folgt, könnte sie als nächstes ein Coveralbum ihres ersten Coveralbums aufnehmen

"It Wasn't God Who Made Honky Tonk Angels" von Kitty Wells strippt sie zum verschmitzten Groove runter. Der Country weht nur als hall-weiche Slidegitarre im Hintergrund. Ihr Cover von "I Had a Dream Joe" kann es fast mit Nick Caves Pathos aufnehmen. Nur abgebremst, monoton. Eine Sad-Power-Version. Sie interpretiert ferner Billie Holidays "I'll Be Seeing You" und Ryan Goslings "Pa Pa Power", bei dem sie leider den Refrain versaut. Denn die Auflösung in die hymnige Pop-Durkadenz, vom unschuldigen Mädchenchor gesungen, ist am Original ja gerade so wirkungsvoll. Die Melodieornamentik spielt bei ihr aber eine hallglänzende Zerrgitarre, wodurch man sich plötzlich in einem Coldplay-Machwerk wähnt.

Einen ihrer eigenen Songs, "Hate", hat sie auch neu aufgenommen. Er heißt jetzt "Unhate" und klingt, als hätte Lana del Rey einen plötzlichen Energieschub bekommen. Wenn sie der Idee weiter folgt, könnte sie als nächstes eigentlich ein Coveralbum ihres ersten Coveralbums aufnehmen, und das wiederum covern, bis die eigentlichen Songs nicht mehr erkennbar sind und die Universalmusik des 22. Jahrhunderts entsteht. Eine Symphonie, eine zufällige Melodie, oder vielleicht, ganz am Ende, nur noch Rauschen.

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