Castingshows im TV:Klobürsten unter sich

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Ehrgeizige Nachwuchsschneider: Vox hat das Castingshow-Genre neu entdeckt und schickt nun auch Friseure und Praktikanten ins Rennen.

Senta Krasser

Castingshows haben einen extrem langen Bart bekommen. Popstars, Deutschland sucht den Superstar, Germany's Next Topmodel, The next Uri Geller, um nur die populärsten zu nennen - alles Shows, die seit Jahren dasselbe in Grün bieten und nur in Nuancen variieren. Weil aber das Publikum der pseudo-darwinistischen Unterhaltung die Treue hält, will niemand diesen alten Zopf abschneiden. Erst recht nicht der Privatsender Vox, der das Genre Castingshow nun offenbar ganz neu für sich entdeckt hat. Von Sonntag an sucht Vox in acht Etappen Deutschlands Super-Friseur, im Vox-Sprech: "Deutschlands besten Nachwuchsstylisten". Nachwuchs ist lustig, haben doch gleich zwei Bewerber um diesen Titel, Ute und Milan, die 50 weit überschritten. Das einzige Lob, das man der Premiere mitgeben kann, ist: Die Jury von Top Cut hat durchweg die Haare schön. Föhn, Blondiercreme, Gel, und die Werbung fürs Handwerk sitzt.

Haareschneiden will geübt sein, denn das "Obenherum bei den Promis" wird immer wichtiger - das proklamiert der Sender Vox. (Foto: Foto: ap)

Ans Show-Werk machte sich dieselbe Produktionsfirma (Tresor TV), die auch die Klum-Models auf Pro Sieben in Szene setzt. Man sieht's! Bis in die Haarspitzen wurde das Konzept von Germany's Next Topmodel kopiert. Die Prominenten-Friseure namens Carine Bartholomé und Santino Primavera können genauso garstig urteilen ("wie eine explodierte Klobürste") wie Heidi Klum. Und die in eine Zwangs-WG verfrachteten Nachwuchsschneider sind ebenso ehrgeizig, Aufgaben anzunehmen, die bloß gut sind für die Show, die das echte Berufsleben einem aber kaum abverlangt.

So müssen die Kandidaten mit verbundenen Augen Haare schneiden, auch mal zur Heckenschere greifen und Frisuren mit Accessoires aus dem Baumarkt kreieren. Das soll dann "der Startschuss in eine schnittige Karriere" sein. Wie professionell die Kandidaten ihr Schnittwerk angehen, kann auch Sandy Meyer-Wölden, Boris Beckers ehemalige Verlobte und als Fachkraft ausgewiesene Gast-Jurorin, nicht plausibel erklären. Ganz wichtig fürs gute Abschneiden in Top Cut scheint zu sein, wer schon welchen Star mal frisieren durfte; das "Obenherum bei den Promis", erfährt man, werde ja immer wichtiger. Vox muss es wissen. Das Sonntagsprogramm des Senders widmet sich ganz den "Promis", von Das perfekte Promi-Dinner bis zum Magazin Prominent. Neu wie "Top Cut" ist das Sonntagnachmittagsformat "Der Starpraktikant": Je drei Bewerber kämpfen um einen Praktikumsplatz. Auch das ist eine Castingshow. Der Bart wird noch länger.

Top Cut, Der Starpraktikant, beide Vox, sonntags, 17.15 Uhr und 19.15 Uhr.

© SZ vom 13.03.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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