Cannes:Die mageren Jahre sind passé

Der Bann ist gebrochen: Nach mehr als zehn Jahren gibt es erstmals wieder deutsches Kino beim weltgrößten Film-Festival.

Von Fritz Göttler

Volker Schlöndorff scheint richtig glücklich zu sein und fast ein wenig erleichtert. Bis zuletzt war sein neuester Film im Rennen um die Teilnahme beim diesjährigen Festival in Cannes, das am 12. Mai starten wird. Am Mittwoch wurde nun auf der Pressekonferenz in Paris verkündet, dass nicht Schlöndorffs "Der neunte Tag" die deutsche Kinoproduktion vertreten wird und auch nicht die Mitkonkurrenten Oskar Roehler mit "Agnes und seine Brüder" oder Niko von Glasow-Brücher mit "Edelweißpiraten". Vielmehr geht "Die fetten Jahre sind vorbei" von Hans Weingartner für Deutschland in den Wettbewerb, produziert von seiner Berliner Produktionsfirma Y3 Film und coop Filmproduktion in Wien.

Der Bann ist also gebrochen. Deutschland, das sich über zehn Jahre schnöde missachtet sah vom weltgrößten Filmfestival, ist wieder dabei an der Croisette - die Kulturstaatsministerin Christina Weiss hatte es bereits signalisiert, als sie am vorigen Freitag die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis bekannt gab.

"Ich bin überglücklich, meinen zweiten Film auf diesem wichtigen Filmfestival im Wettbewerb vorstellen zu können", freut sich Weingartner. "Neben so bedeutenden Regisseuren wie Wong Kar-Wai, Walter Salles, den Coen-Brüdern oder Emir Kusturica in einem Programm zu laufen, ist einfach etwas ganz Besonderes" Hans Weingartner, 1970 in Vorarlberg geboren, hatte 2001 für Furore gesorgt mit seinem ersten Spielfilm "Das weiße Rauschen", der den Ophüls-Preis gewann. Eine fiebrige Studie alltäglicher Schizophrenie, mit Daniel Brühl in der Hauptrolle. Brühl ist auch im neuen Film, an dessen Endfassung noch intensiv gearbeitet wird, wieder dabei, der von drei Jugendlichen erzählt - Jan, Peter und Jule -, die der kapitalistischen Welt den Kampf ansagen und ihr mysteriöse Botschaften zukommen lassen: "Die fetten Jahre sind vorbei". Aber dann kommt Liebe ins Spiel, ein Kidnapping, alles gerät außer Kontrolle ... Wie immer bei Weingartner war ein knappes Treatment vorgegeben, wurde dann beim Dreh improvisiert.

Der Druck war in den letzten Jahren immer stärker geworden auf den Cannes-Leiter Thierry Frémaux, und sein Gerede von mangelnder Qualität wollte man nicht mehr glauben hierzulande. Zumal der Kollege Kosslick in Berlin durch seine Festivalpolitik dem deutschen Kino nachdrücklich Wettbewerbsfähigkeit bescheinigte, von Dominik Graf bis Romuald Karmakar und Fatih Akin, dem diesjährigen Goldenen Bären.

In Frankreich schien man weiter auf die Altmeister Wenders/Schlöndorff/ Herzog/Fassbinder fixiert. Den Neubeginn nun findet auch Schlöndorff okay: "Verständlich, dass Cannes nach so vielen Jahren ohne deutschen Film nicht wieder bei jemandem wie mir anknüpfen will, der schon mindestens ein halbes Dutzend Filme dort hatte." Und der einmal, mit "Die Blechtrommel", eine Goldene Palme gewonnen hatte. Mit seiner anarchistischen Liebe zu dritt kommt Hans Weingartner den französischen Cinephilen weit entgegen - das ist gewissermaßen deutsche Nouvelle Vague, eine Mischung aus Feuillade und Jules-und-Jim-Romantik.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: