Cannes:"Café Society" ist mau für Woody-Allen-Verhältnisse

Filmfestival Cannes 2016 - 'Cafe Society'

Bussi! Jesse Eisenberg und Kristen Stewart in Woody Allens Nostalgietrip ins New York der Dreißiger: "Café Society".

(Foto: dpa)
  • Mit Woody Allens "Café Society" wurden die 69. Filmfestspiele von Cannes eröffnet.
  • Jessy Eisenberg spielt darin den Neurotiker Bobby, der in den Dreißigerjahren direkt aus der Bronx im Hollywood der Schönen und Reichen landet.
  • Mehr Informationen zu den Filmfestspielen finden sie hier, etwa die Jury in Cannes und die wichtigsten Filme.

Von Tobias Kniebe, Cannes

Nicht alle Legenden, die in Cannes kursieren, sind wahr - aber diese hier schon. Sie handelt von Jesse Eisenberg, dem Star des diesjährigen Eröffnungsfilms "Café Society", und von Woody Allen, seinem Regisseur. Seit ein paar Jahren ist Eisenberg überall: in "The Social Network" hat er den Erfinder von Facebook gespielt, dazu Zauberer, Zombiejäger und Ökoterroristen, zuletzt war er als Superschurke Lex Luthor so irre, dass der nur von Batman und Superman gemeinsam hinter Gitter gebracht werden konnte.

Das aber, erzählt er in seiner Interview-Suite im Carlton-Hotel, war natürlich nicht immer so. Während in den Gängen Friseure, Stilisten und Juweliere umherschwirren, um die Stars für die Eröffnungsgala aufzurüsten, erinnert sich Eisenberg - schmal, nervös, superhöflich, kompulsive Schwierigkeiten mit dem Blickkontakt - an seine Träume als Teenager. Und wie er deswegen eines schönen Tages, sechzehn Jahre war er alt, einen sehr bösen Brief von Woody Allens Anwälten bekam.

"Mein erster Woody-Allen-Film", sagt er, "war eine Offenbarung für mich. Auf einmal hatte ich eine verwandte jüdische Seele gefunden, genauso neurotisch wie ich - und genauso lustig, wie ich unbedingt sein wollte." Also schrieb er, was könnte näherliegen, ein Theaterstück für sich selbst als Hauptdarsteller. Der Held: Woody Allen im Alter von sechzehn. Harmlos, romantisch, Woody meets girl, ein paar komische Komplikationen, nichts Justiziables. Nur las das dann ein übereifriger Lehrer, fand es bemerkenswert, gab es irgendwem, und über zwei Ecken gelangte es an Woody Allens Manager, der es Woody Allens Anwälten übergab, die dann gleich mal ein Standardschreiben rausfeuerten. Name und Persönlichkeit ihres Mandanten seien bitte nie wieder dramaturgisch zu verwenden, unter Androhung und Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel und Schadensersatzansprüche bis hin zum letzten Hemd.

Als eine Art junger Woody Allen

"Wow", dachte da der Teenager Eisenberg, vergrub das noch ungespielte Manuskript eingeschüchtert im hintersten Eck seines Kinderzimmers - und wiegt jetzt, im Rückblick, philosophisch den Kopf. "Angesichts des Films, den wir hier zeigen, ist das schon eine ironische Geschichte."

Dann läuft "Café Society", und Jesse Eisenberg heißt darin Bobby, aber natürlich spielt er eine Art jungen Woody Allen - allerdings in den Dreißigerjahren, in der Ära des Swing. Bobby ist ein kleiner Neurotiker aus der Bronx, dessen jüdische Familie mal wieder sehr liebevoll mit Karikaturen bevölkert ist, von den bärbeißigen Charakterkopf-Eltern über den kriminellen Bruder bis hin zum existenzphilosophisch angekränkelten Schwiegersohn. Von der Bronx aber hat Bobby erst einmal genug, es zieht ihn nach Hollywood.

Poolpartys und Nachtclub-Eleganz

Dort wohnt sein Onkel Phil (Steve Carell), der viel Geld als Agent verdient, seine Dialoge sind ein einziges Feuerwerk alter Hollywood-Namen. Ums Kino geht es hier aber nicht, es geht um das Leben der Reichen und Schönen, voller Poolpartys und Nachtclub-Eleganz. Für Allens Verhältnisse ist das ungewohnt aufwendig in Szene gesetzt - die neue Filmsparte von Amazon, die den Film mitfinanziert, macht es möglich. Genauso wie der 76-jährige Kameramann Vittorio Storaro, der für weiches Licht und besonders warmgetönte Bilder bekannt ist und diesem Ruf hier mal wieder alle Ehre macht.

Als könnte Kirsten Stewart die Sache nicht ernst nehmen

Bobby fängt bei seinem Onkel an, aber auch um Aufstieg und Erfolg geht es nicht, es geht um die Liebe. Die erwischt Bobby, als der zum ersten Mal Vonnie (Kristen Stewart) sieht, die Sekretärin des Onkels. Die muss, mit engen Röckchen und Schulmädchen-Haarschleifen, die Sekretärinnen-Träume einer sehr vergangenen Ära verkörpern. So sehr, dass Kristen Stewart oft so wirkt, als könne sie die Sache selbst nicht ganz ernst nehmen. Denn natürlich ist sie auch die heimliche Geliebte ihres Bosses, und also streiten sich Onkel und Neffe schließlich um dasselbe Mädchen, und diesen Konflikt möchte Allen wirklich durchlitten wissen. Es geht um wahre Liebe versus Materialismus, mit vielen seelenvoll inszenierten Blicken.

So recht funktioniert das nicht, es ist zu sehr aus der Zeit gefallen, irgendwann geht es auch unvermittelt in die Bronx zurück, Vonnie verschwindet für lange Zeit, und der Film zerfällt. Nicht der beste Allen-Jahrgang also, aber wenn man alle naselang Cannes eröffnen darf, können ja nicht immer nur Meisterwerke dabei sein. Jesse Eisenberg jedenfalls schlägt sich gut, und vielleicht wird seine Seelenverwandtschaft mit dem Meister bald noch reichere Früchte tragen. Immerhin ist dies, nach "To Rome With Love", schon ihr zweiter gemeinsamer Film.

Wie es übrigens war, nach vielen Jahren der anwaltlich verbotenen Woody-Allen-Fantasien tatsächlich ein Rollenangebot von Woody Allen zu bekommen, hat Eisenberg in seiner Suite im Carlton auch noch sehr schön beschrieben. Nämlich als furchtbares Gefühl. "Wissen Sie", sagt er, und der Ton seiner Stimme verrät, dass die Sache ihm bitter ernst ist, "diese Filme bedeuten mir etwas! Weshalb die Vorstellung, dabei zu sein, einerseits natürlich toll ist. Andererseits kann ich Filme, in denen ich mitspiele, nicht ertragen. Es geht nicht, ich kann mich selbst nicht anschauen, es tut zu weh. Wenn ich zusage, weiß ich also: Da entsteht jetzt ein Film, der kann werden wie er will - aber für mich, als leidenschaftlichen Zuschauer von Woody-Allen-Filmen, ist er von Anfang an verloren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: