Es war schon eine erstaunliche Paarung, die beim Münchner Filmball die Klatschgesellschaft erregte. Der nicht nur physisch mächtige Horst Seehofer und der eher schmächtige Bushido beim vertraulichen Tête-à-Tête, beim Flirt mit den Fotografen, die sich kaum mehr einkriegten vor Freude und die Verschwörer im Smoking unter Beschuss nahmen.
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Früher hätte die CSU einen wie Bushido - Ex-Drogenhändler mit Migrationshintergrund - als Lieblingsfeind zum Frühstück verspeist. Doch nun schwärmte der Ministerpräsident in den höchsten Tönen: "Ein sehr höflicher junger Mann" sei dieser Rapper, den seine Töchter immer so gerne hören. Ob der nicht eine Wahlkampfhymne für die CSU schreiben wolle?
Der höfliche junge Mann sitzt Tage später im Bayerischen Hof, vor sich eine Cola, die er nicht anrührt; sein Blick wandert etwas unruhig durch den Raum, bevor er sich sanftmütig seinem Gegenüber widmet. "Ich bin leider etwas hyperaktiv", schickt er entschuldigend voraus. Natürlich muss er lachen, wenn er an die Begegnung auf dem Filmball denkt, wo ihn die B-Prominenz halb neidisch und halb höhnisch im Blick behielt, weil er die ganze Aufmerksamkeit auf einmal absaugte. Die Sache mit dem Seehofer, sagt Bushido, sei doch prima gelaufen, "Hauptsache, es ist gut für den Film!"
"Eichinger versteht nicht das Mindeste von Rap"
Ist das wirklich Bushido, der Skandalrapper, den seine Fans für seine hingehämmerten Beleidigungen lieben? Der Schulabbrecher aus Berlin-Tempelhof galt bei den Medien mal als Deutschlands gefährlichster Rapper. Er machte als angeblicher Schwulenhasser, Schlägertyp und Frauenfeind Schlagzeilen, was ihm die Loyalität seiner Anhänger sicherte. Was ist passiert?
Wenn man Bushido auf seine dunkle Vergangenheit anspricht, erzählt er eine Geschichte, in der alles zusammenpasst. Eine Geschichte, die dem Produzenten Bernd Eichinger auf Anhieb so gut gefiel, dass er sie unbedingt verfilmen musste - mit Hilfe seines alten Freundes Uli Edel, der bereits beim Baader-Meinhof-Komplex Regie führte.
Das Ergebnis heißt Zeiten ändern dich und kommt am Donnerstag in die Kinos; es ist nicht wirklich ein Musikfilm geworden, aber das sollte niemanden verwundern. Eichinger, sagt Bushido, verstehe nicht das Mindeste von Rap. Der Produzent, dessen Filmfiguren meist von Selbsthass und Größenwahn getrieben sind, will vor allem zeigen, wie sich so einer von ganz unten durchgekämpft hat, was ihn hart gemacht hat, wie er sich zur eigenen Vergangenheit stellt. "In diesem Punkt sind wir uns irgendwie ähnlich", sagt Bushido.
Aus einer Arbeitsbeziehung ist eine Männerfreundschaft geworden, wobei man bei gemeinsamen Auftritten den Eindruck gewinnt, dass hier sich hier zwei Egomanen gefunden haben, von denen Eichinger der Verrückte ist. In Bushido hat er eine faszinierende Echtheit, einen rohen Kern gefunden, den er unbedingt veredeln wollte.
Männliche Selbstbehauptung - darum geht es Bushido in seinen Texten, in seiner zum Bestseller avancierten Biographie und jetzt auch im Film. Ein Junge, der von ganz unten kommt, verschafft sich Respekt, erst bei seinen Kumpels auf der Straße, dann in der Drogenszene und schließlich im Musikgeschäft. Er kriegt viel auf die Fresse, nutzt am Ende aber seine Eloquenz, um den Schmerz in Reime zu fassen.
Respekt ist noch immer ein wichtiges Wort für den 31-Jährigen, der als Anis Mohamed Ferchichi auf die Welt kam und von seiner Mutter in Berlin-Tempelhof alleine großgezogen wurde. "Wenn du keinen Respekt hast, dann bist du ein Niemand, ein Opfer", diese Botschaft aus dem Buch variiert er im Film.
Im Interview formuliert er das ein wenig gewundener, über die Rapper-Rhetorik ist er hinaus: "Ich hab' das Reden nicht auf der Straße gelernt", sagt er, wenn man ihn auf seine alten Tage in der Berliner Hip-Hop-Szene anspricht, "die können doch alle kein Deutsch, die Idioten". Er verdreht die Augen und sagt dann Sätze wie: "Das tangiert mich nur noch peripher. . ." In der Sendung von Stefan Raab hat er auch so dahergeredet, bis ihm der Moderator die Floskel kräftig um die Ohren haute: Ach guck mal, Bushido ist peripher berührt, was für ein Schnösel. Hat Bushido nicht ganz so gerne, wenn auf seine Kosten gelacht wird.
Im Film lacht keiner über ihn, und wenn, dann nicht lange. In Eichingers jugendtauglicher Kinofassung darf Bushido so sein, wie er sich am liebsten sieht: ein guter Junge, der nicht erwachsen werden will. Für seinen Hauptdarsteller ist es dabei ein Vorteil, wenn man nicht so aussieht, wie man sich einen gemeinen Kleinkriminellen vorstellt. Bushido hat ein Filmgesicht, obwohl er kein Schauspieler ist; er ist ein Typ mit harten und weichen Zügen, was ihn auch für 14- bis 20-jährige Bravo-Leserinnen attraktiv macht: Irgendwo hinter der Fassade der Asphaltexistenz muss so einer doch eine sensible Seite haben!
Auf der nächsten Seite: Wie sich Bushido immer mehr vom "Fick-Dich-Image" distanziert.
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Bushidos Biographie:Der höfliche Rächer
Nun hat es Bushidos Biographie also ins Kino geschafft. Wir haben tatsächlich das Buch gelesen und servieren Ihnen Mamis ganz harten Kerl - in Bildern.
Hannelore Elsner, die im Film Bushidos Mutter spielt, hat sich beispielsweise gleich in die traurigen Augen verliebt, als sie den Rapper noch vor dem offiziellen Casting in einem Berliner Szenelokal kennenlernte. Elsner hatte nur noch Augen für ihn. "Die fand mich richtig gut. Die hat meine Message verstanden, der ging's nicht um die Wortwahl. Ich fange an mit ihr zu flirten, nehme meine Cola, und dann lag ich nach zwei Stunden weinend an ihrem Busen."
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Studie: die unbeliebtesten Stars:Wer unsere Teenies nervt
Die deutschen Jugendlichen lassen sich vom Gehabe der Stars nicht so leicht beeindrucken: Von diesen Promis haben sie die Nase voll.
Ganz am Anfang des Films ist zu sehen, wie der Vater im Suff die Mutter mit einem Telefon verprügelt. Er nimmt den Apparat und schlägt ihr mit voller Wucht ins Gesicht, bis sie blutet, eine verwischte Erinnerung, die den Jungen nicht loslässt. Er ist vier Jahre alt. "Hart an der Realität" sei das gedreht, sagt Bushido über diese Schlüsselszene seiner Kindheit.
"Wenn ich so geladen bin, meine ich das todernst"
Überhaupt, die Mutter, sie ist für ihn der wichtigste Mensch, auch wenn damals ein paar Dinge ziemlich schief gelaufen sind. Als er 16 war, gab ihm die Mutter mühsam erspartes Geld für sein allererstes Drogengeschäft; 450 Mark holte sie aus der Schatulle, lauter 50-Mark-Scheine. Im Bayerischen Hof spielt Bushido die Szene noch einmal nach. "Klar, das war nicht toll, das mit den Drogen", sagt er heute, "aber sie hatte keine Wahl, sie wollte mich nicht verlieren. Und irgendwie wusste sie, wenn ich Scheiße baue, dann auf eine relativ vernünftige Art und Weise."
Inzwischen hat er seine Mutter zu sich in die Berliner Villa geholt. "Sie ist meine Achillesferse. Als sie Brustkrebs bekam, ist für mich eine Welt zusammengebrochen." Vor drei Jahren war das, Bushido schien damals am Ende zu sein, die Karriere war gefährdet, es gab nur noch negative Schlagzeilen, sinnlose Prügeleien, Koksgeschichten, peinliche Auftritte. Kein Radiosender wollte ihn mehr spielen. Dazu kamen Depressionen.
Irgendwann stand ein Sat-1-Kamerateam vor seiner Haustür, die wollten für "Akte 09" seine kranke Mutter filmen. Ein sichtlich erzürnter Bushido drohte ihnen Schläge und noch einiges mehr an. Das Video wurde auf Youtube schnell populär. "Dieses Video bereue ich überhaupt nicht", versichert er, "wenn ich so geladen bin, meine ich das todernst."
Das ganze Brutalo-Geschwafel sei ihm aber längst egal, sagt er. Er tourt zwar noch mit seinen alten Songs durch deutsche Hallen; er lässt noch immer das arrogante Arschloch raushängen, das sich darüber freut, kein Opfer mehr zu sein, sondern ein dickes Auto zu fahren und teure Uhren zu tragen. Wer ihn dann aber im Konzert erlebt, merkt auch, wie sich Bushido immer mehr von diesem Fick-Dich-Image distanziert - der "Unterricht für die Unterschicht" ist inzwischen reine Pflichtübung.
Da ist nichts mehr von Hass. Manchmal muss er sogar einfach lachen, mitten im Konzert. Er ist ein Entertainer, der vor keiner Zielgruppe zurückschreckt, nicht mal vor Karel Gott, der noch ein wenig älter ist als seine Bewunderer Horst Seehofer und Bernd Eichinger.
Karel Gott, jawohl, der alte Schnulzenkönig. Mit ihm singt Bushido im Film ein anrührendes Lied über die verlorene Jugend und die alternden Väter. Sein eigener Vater, der seine Alkoholsucht überwunden hat, ist inzwischen ein frommer Muslim und fast so gebrechlich wie im Film. "Wir schicken uns manchmal SMS. Reden kann er schlecht, das kommt vom Lymphknotenkrebs - die haben ihm seine Zunge festgenäht", erzählt Bushido. "Vor kurzem bin ich hingefahren und habe reinen Tisch mit ihm gemacht." Wie er das erzählt, klingt er so gar nicht abgeklärt.
Bernd Eichinger hat die Vater-Szene gnadenlos ausgeleuchtet. Aber damit kann Bushido leben, solange sich die Therapie im Rampenlicht vollzieht, vor einem möglichst großen Publikum. Hauptsache, die Show ist gut, Alter.