Bush-Regierung:Krieg gegen die Wissenschaft

Noch nie wurden die Naturwissenschaften in den USA so scharf von Politikern angegriffen wie unter der Regierung von George W. Bush. Das ist die Diagnose des Wissenschaftsjournalisten Chris Mooney, der den amerikanischen Rechten einen systematischen Feldzug gegen Forscher und Fakten vorwirft.

Andrian Kreye

Mooney weist in seinem neuen Buch "The Republican War Against Science" (Basic Books, New York 2005) nach, dass hinter den einzelnen Übergriffen ein systematischer Krieg der Republikaner gegen politisch unbequeme wissenschaftliche Erkenntnisse steckt.

George W. Bush

Führt nach Ansicht von Chris Mooney einen Feldzug gegen Forscher und Fakten: US-Präsident George W. Bush.

(Foto: Foto: Reuters)

SZ: Was für Gründe haben die Republikaner, einen Krieg gegen die Wissenschaften zu führen?

Chris Mooney: Die Republikanische Partei von heute ist die Partei der modernen Konservativen in Amerika, und zwei ihrer wichtigsten Wählergruppen sind die Wirtschaft und die christliche Rechte. Die Wirtschaft greift die Wissenschaften beispielsweise immer dann an, wenn sie befürchtet, dass neue Erkenntnisse zu staatlichen Vorschriften führen könnten.

SZ: Wie die Auswirkungen von Schadstoffausstößen auf den Klimawandel?

Mooney: Ja - oder die Verseuchung durch Schwermetalle und Asbest, die Gesundheitsschäden durch Zigaretten, die Verbindung zwischen Limonaden, Süßwaren und Fettsucht - die Industrie hat eine lange Tradition, Wissenschaften anzugreifen.

SZ: Aber waren nicht gerade die Wissenschaften der Motor der letzten Wirtschaftsaufschwünge?

Mooney: Natürlich braucht die Industrie die Wissenschaften. Das sind opportunistische Angriffe. Bei der christlichen Rechten ist das anders. Die greifen die Evolutionslehre ganz grundsätzlich an, auch wenn kaum eine Theorie so schlüssig nachgewiesen wurde. Genauso kämpfen sie gegen Stammzellforschung und fordern ihre eigenen Wissenschaftsversionen, wenn es um Sexualerziehung geht, um Abtreibung und so weiter.

SZ: Welche Formen nimmt dieser Krieg gegen die Wissenschaften an?

Mooney: Da gibt es mehrere Angriffsformen. Die Bush-Regierung hat zum Beispiel Dokumente über die Erderwärmung umgeschrieben und wichtige Informationen zurückgehalten. Eine andere Methode ist es, die Wissenschaftler persönlich anzugreifen, ihre Arbeit in Frage zu stellen, sie vor Untersuchungsausschüsse zu zerren. Der texanische Abgeordnete und Vorsitzende des Komitees für Energiewirtschaft im Kongress, Joe Barton, etwa hat Drohbriefe an die Verfasser der so genannten Hockeyschlägerstudie geschickt. Das war eine Studie über Erderwärmung, die mit einer Kurve zur Klimageschichte zeigte, dass der Verlauf über tausend Jahre hinweg relativ gleichbleibend war und nur an ihrem Ende, also heute, scharf nach oben geht. Eben wie ein Hockeyschläger. Joe Barton hat ihnen in seinen Briefen angedroht, dass er ihre Daten und die Stichhaltigkeit ihrer Arbeit überprüfen lassen würde. Er forderte Nachweise über die Finanzierung der Studie und über die Quellen sämtlicher Studien, die diese Wissenschaftler jemals erstellt haben. Er hat also ihre gesamte Karriere in Frage gestellt.

SZ: Könnten die Angriffe auf die Studien zur Erderwärmung etwas damit zu tun haben, dass die wichtigsten Mitglieder der Bush-Regierung berufliche Laufbahnen in der Energiebranche hinter sich haben?

Mooney: Das macht die Regierungsmitglieder zumindest für die Argumente von Firmen wie Exxon Mobile empfänglich. Die Regierung hat für so einige Branchen große Sympathien und ist bereit, dafür wissenschaftliche Fakten falsch darzustellen oder zu verzerren. Obwohl ich sagen muss, dass die Regierung nicht annähernd so viele wissenschaftliche Tatsachen verzerrt hat wie so einige Parlamentsabgeordnete.

SZ: Meinen Sie zum Beispiel den Mehrheitsfraktionsführer im Senat Bill Frist, der die Wachkomapatientin Terri Schiavo nach dem Betrachten eines kurzen Videos für heilbar erklärte?

Mooney: Das war ziemlich schlimm. Frist hat sich aber auch dafür ausgesprochen, "Intelligent Design" an Schulen zu unterrichten. Genauso wie der ehemalige Mehrheitsfraktionsführer im Kongress, Tom DeLay, der auch den Abbau der Ozonschicht angezweifelt hat.

SZ: Wie lange dauert dieser Krieg gegen die Wissenschaften nun schon?

Mooney: Es gab schon immer Spannungen zwischen Wissenschaft und der Politik, aber ich würde sagen, dass wir diese Angriffe aus der Verbindung zwischen Industrie und religiöser Rechte vermehrt seit der Regierungszeit Ronald Reagans sehen. Damals wurde der saure Regen heruntergespielt, und Reagan bekannte sich zum Kreationismus.

SZ: Begann das nicht schon mit Richard Nixon?

Mooney: Nein, Nixon war eine andere Sorte Republikaner. Er war immer noch so etwas wie ein Modernist, immerhin hat er die Umweltschutzbehörde gegründet und das Gesetz zum Schutz bedrohter Tierarten ratifiziert.

SZ: Haben Demokraten die Wissenschaften nie angegriffen oder manipuliert?

Mooney: Doch, sicher. John Edwards zum Beispiel, der während seines Wahlkampfs letztes Jahr behauptete, wenn man Edwards und Kerry ins Weiße Haus wähle, würden sie die Stammzellenforschung unterstützen - und dann könnten Rollstuhlfahrer wie der vollgelähmte Schauspieler Christopher Reeve wieder laufen. So eine Behauptung lässt sich nicht halten, weil diese Forschung noch nicht so weit ist, als dass man schon versprechen könnte, bestimmte Krankheiten zu heilen. Aber die Demokraten sind nicht annähernd so schlimm wie die Republikaner.

SZ: Lassen die Republikaner denn auch Gegenstudien erstellen?

Mooney: Das ist eher eine Taktik der Industrie. Die Regierung verstärkt in erster Linie allgemeine Unsicherheiten durch Fehlinformationen. Aber es gibt rechte Thinktanks, die solche Studien erstellen lassen. Und die haben viel Geld und auch Wissenschaftler, die in ihrem Auftrag arbeiten.

SZ: Hat die Desinformation auch schon Auswirkungen auf die breite Bevölkerung? Klimaforscher sagen ja, dass der Kampf gegen die Erderwärmung in den USA deswegen so schwierig ist, weil der Bildungsstand zu dem Thema so niedrig ist.

Mooney: Sicherlich gibt es eine Kampagne, damit die Masse nicht begreift, dass die Erderwärmung schon im Gange ist und was das bedeutet. Aber ich glaube, je deutlicher die Folgen zu spüren sind, desto größere Auswirkungen wird das auch auf die Politik haben. Die ersten Folgen sind in der Arktis ja schon zu beobachten. Das Problem ist nur, dass Alaska nur ein einzelner Bundesstaat ist und auch kein besonders einflussreicher. Aber was passiert, wenn sich die Folgen der Erderwärmung auf Kalifornien auswirken? Dafür gibt es schon Hinweise. Der Verlust der Schneemassen in der Sierra Nevada bedroht ganz massiv die Wasserversorgung der Region, und damit haben sie dort sowieso schon Probleme.

SZ: Muss es in letzter Konsequenz so etwas wie eine Trennung von Wissenschaften und Staat geben?

Mooney: Nein, es wird immer ein Zusammenspiel zwischen Wissenschaften und Politik geben. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen Auswirkungen auf den politischen Prozess haben, und Politiker müssen eine Wissenschaftspolitik verfolgen, schließlich finanzieren sie Forschung mit dem Geld der Steuerzahler. Aber wir brauchen Schutzmaßnahmen, damit Fakten nicht missbraucht oder falsch dargestellt werden können. Dazu gibt es auch schon einige Vorschläge. Wir brauchen bessere wissenschaftliche Beratungsinstitutionen, bessere wissenschaftliche Regierungsstellen und Gesetze, um Informanten zu schützen und zu verhindern, dass Dokumente verfälscht werden.

SZ: Haben die Übergriffe der Republikaner den amerikanischen Wissenschaften nicht schon so geschadet, dass andere Länder das nutzen können?

Mooney: Ich glaube, dass wir uns bald Gedanken machen müssen, ob wir in bestimmten Wissenschaftszweigen noch konkurrenzfähig bleiben können. Dazu gibt es auch schon eine Studie der National Academy of Sciences. In der Stammzellforschung nutzen andere Länder wie Korea und Israel das auch schon aus. Dort gibt es weder diesen politischen Stillstand noch solche Übergriffe. Das hat ihnen so einige Türen für Investitionen geöffnet und wird den USA sehr schaden.

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