Documenta:Ein Fall zieht Kreise

Documenta: Documenta-Mitarbeiter hängen das Großbanner "People's Justice" von Taring Padi ab. Die politische Aufarbeitung beginnt erst.

Documenta-Mitarbeiter hängen das Großbanner "People's Justice" von Taring Padi ab. Die politische Aufarbeitung beginnt erst.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Der Bundestag diskutiert über den Antisemitismus-Skandal auf der Documenta.

Von Jörg Häntzschel

In einer knapp einstündigen Debatte hat sich am Donnerstagabend der Bundestag mit dem Skandal um das antisemitische Bild "People's Justice" auf der Documenta beschäftigt. Wie schon in der Aussprache im Kulturausschuss am Mittwoch waren sich Vertreter aller Fraktionen einig in ihrer Abscheu über das Kunstwerk und darin, dass dringend aufgeklärt werden müsse, wie das 100 Quadratmeter große Banner offenbar ohne weitere Prüfung auf dem zentralen Platz aufgehängt werden konnte. Ebenso klar war für alle, dass der Vorfall auf der Documenta im Kontext des zunehmenden Antisemitismus im deutschen Alltag zu sehen sei. Sie forderten mehr Aufklärung, Bildungsangebote in den Schulen und Reformen bei der Documenta selbst. Auch personelle Konsequenzen seien notwendig.

Abgeordnete von CDU/CSU und AfD versuchten darüber hinaus, Kulturstaatsministerin Claudia Roth als Schuldige des Skandals darzustellen, da sie die schon vor Monaten geäußerten Sorgen vor antisemitischen Werken auf der Documenta ihrer Meinung nach nicht ernst genug genommen habe. Marc Jongen von der AfD verlangte sogar ihren Rücktritt. Redner der Grünen wiesen dies zurück: Das Kollektiv Ruangrupa sei in der Amtszeit von Roths Vorgängerin Monika Grütters für die Leitung der der Documenta ausgewählt worden. Diese sei auch dafür verantwortlich, dass der Bund aus dem Aufsichtsrat der Documenta ausgestiegen ist, weil er dort kaum Mitsprachemöglichkeiten besaß.

Sowohl CDU/CSU wie auch AfD verstehen den Documenta-Fall als beispielhaft dafür, dass die linke Kulturszene blind sei für den, so stellten es die Rednerinnen und Redner dar, in ihrem eigenen Milieu verbreiteten Antisemitismus. Gitta Connemann (CDU) hob besonders die "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" hervor, in der sich Vertreter der wichtigsten deutschen Kulturinstitutionen zusammengeschlossen haben, um gegen die BDS-Resolution des Bundestags zu protestieren, die ihre Arbeit und die Freiheit der Kunst in ihren Augen erheblich einschränkt. Connemann warf den Institutionen vor, BDS zu "verharmlosen" und sich "vor BDS zu stellen". Die Unterstützer der Initiative "Weltoffenheit" hatten in ihrem vor eineinhalb Jahren veröffentlichten Manifest allerdings klargestellt, dass sie den BDS ablehnen. Erhard Grundl von den Grünen nannte den Versuch von CDU/CSU und AfD, ein "Tribunal gegen deutsche Kulturinstitutionen aufführen zu wollen" "schäbig". Immer wieder zeugte die Debatte auch davon, wie fremd vielen Politikern die Materie ist. Dorothee Bär von der CSU etwa, klagte darüber, wie sehr der Skandal dem Ansehen der Documenta geschadet habe, bezeichnete diese jedoch durchgängig als "Kunstmesse".

Für Marc Jongen (AfD) ist der Antisemitismus-Skandal auf der Documenta das Produkt einer "postkolonialen Ideologie", die zur "Staatsräson erhoben" worden sei. Die deutsche Erinnerungspolitik müsse damit "brechen". Ein Entschließungsantrag der AfD, der sich gegen Postkolonialismus und Restitutionen aussprach, sowie dafür, "zu einer differenzierten Bewertung und Darstellung der deutschen Kolonialzeit zurückzukehren", wurde von der Mehrheit der Abgeordneten ebenso abgelehnt wie ein Antrag von CDU/CSU, der unter anderem eine unabhängige Untersuchungskommission zur Aufklärung forderte.

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