Bürgerrechte:Aus Liebe zum Grundgesetz

Juristen und Bürgerrechtler gründen die "Gesellschaft für Freiheitsrechte". Der Verein möchte in Bereichen wie Privatsphäre, Datenschutz oder Informationsfreiheit die Grundrechte der Bürger stärken.

Von Johannes Boie

Um nur mal ein aktuelles Beispiel zu wählen: Was passiert eigentlich, wenn ein neues Gesetz vom Telekommunikationsgeheimnis nicht mehr viel übrige lässt? Was geschieht dann? Ein paar kritische Artikel, eine Debatte, ja, aber wenn sich kein Parlamentarier überzeugen lässt, dann kommt das Gesetz und die Grundrechte der Bürger schrumpfen ein wenig zusammen. Es sei denn, jemand klagt. Dann landet das Gesetz in Karlsruhe und wird zumindest überprüft. Nur: Welche Privatperson klagt schon, wenn es um zwar wichtige, aber doch irgendwie diffuse Rechte geht? Wenn alle betroffen sind, fühlt sich oft keiner zuständig.

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und schon lange als argumentationsstarker Verteidiger von Bürgerrechten bekannt, hat nun ein paar nicht weniger begabte Mitstreiter um sich gescharrt, um genau diesem Problem entgegenzutreten. Unter ihnen befindet sich zum Beispiel auch Malte Spitz, langjähriger Grünenpolitiker und heute als Bürgerrechtler bekannt. Gemeinsam hat die Gruppe die "Gesellschaft für Freiheitsrechte" (GFF) gegründet, einen Verein. Im Netz erreichbar unter freiheitsrechte.org.

Der Verein möchte künftig Klagen organisieren, um in Bereichen wie Privatsphäre, Datenschutz, Informations- und Pressefreiheit die Grundrechte der Bürger zu stärken. Buermeyer spricht in dem Zusammenhang von "Verfassungspatriotismus".

Eine Klage ohne Kläger

Eine Klage zu organisieren ohne selbst Kläger zu sein, ist ein Vorgehen, das in Deutschland bislang selten ist. Juristen beschreiben das gerne unter dem Stichwort "strategisches Klagen". In Amerika ist dieses Vorgehen verbreitet, bekannt durch Organisationen wie die American Civil Liberties Union, eine Bürgerrechtsorganisation. Ähnlich wie das amerikanische Vorbild wird die GFF die Kosten der Kläger decken, aber kein Geld dafür bezahlen, dass eine Klage entsteht. Buermeyer nennt das Prinzip "eine Rechtschutzversicherung für das Grundgesetz". Man stelle sicher, dass Expertise und Geld vorhanden seien, um die "Freiheitsrechte zu verteidigen."

Zur Expertise gehört auch, dass die Juristen explizit "bessere Klagen" zusammenstellen wollen. Es geht also nicht darum, Karlsruhe zu überlasten, sondern mit klug formulierten Klagen Politik zugunsten der Bürger zu beeinflussen. Bei der GFF verspricht man sich, eine gewisse Nachdenklichkeit bei jenen Parlamentariern auszulösen, die sich mit entsprechenden Gesetzen befassen. Sie soll sich einstellen, wenn die ersten Gesetze vom Bundesverfassungsgericht nach entsprechenden Klagen aus den Angeln gehoben wurden.

Zu den ersten Fällen der GFF gehört eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue BND-Gesetz, außerdem unterstützt die Gesellschaft bereits Transparenzklagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, das dafür sorgen soll, dass Bürger und Journalisten problemloser an öffentliche Informationen gelangen können. Wenigstens jetzt, zu Beginn der Arbeit, will sich die Gesellschaft auch ausschließlich um staatliche Attacken auf die Grundrechte kümmern. Private Akteure, wie Google oder Facebook, haben von der GFF also zunächst nichts zu befürchten.

Unter den einfachen Mitgliedern der GFF, die sich aus Spenden finanzieren soll, finden sich weitere bekannte Juristen und Aktivisten. Eng verwoben ist der Verein zum Beispiel mit netzpolitik.org, der Internetseite, auf der seit Jahren kompetent über die Verletzung digitaler Bürgerrechte berichtet wird. Der Gründer von Netzpolitik, Markus Beckedahl, ist Mitglied der GFF. Weitere Partner sind Amnesty International, der Chaos Computer Club und Reporter ohne Grenzen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: