Stadtentwicklung:Freiburg setzt ein deutliches Zeichen

Vor Bürgerentscheid zu neuem Freiburger Stadtteilprojekt

Vor Bürgerentscheid zu neuem Freiburger Stadtteilprojekt: Auf diesem Acker wird der neue Stadtteil Dietenbach entstehen.

(Foto: dpa)

Was die Bürgerbeteiligung am Bau angeht, ist Deutschland eigentlich das reinste Entwicklungsland. Aber der Freiburger Bürgerentscheid gibt Hoffnung.

Von Gerhard Matzig

Am Sonntag haben sich die Freiburger in einem Bürgerentscheid für die Realisierung eines neuen, für 15 000 Menschen konzipierten Stadtteils entschieden. Überraschend deutlich konnten sich die Befürworter des Projekts durchsetzen. 60 Prozent votierten für den Bau von insgesamt 6 500 neuen Wohnungen - wovon immerhin die Hälfte öffentlich gefördert sein soll. Das notwendige Quorum wurde auf Anhieb erreicht. Die Wahlbeteiligung, fast 50 Prozent, ist beachtlich.

Gewonnen haben nicht nur die Leute, die der Wohnungsnot und den enteilenden Mietpreisen mit den Mitteln des Marktes, also auch mit einem größeren Angebot an Wohnungen begegnen wollen; sowie auch jene Menschen, die vor Flächenfraß, Verlust an Naherholung und Einschnitten für die bäuerliche Kultur (das Baugebiet ist Ackerland) gewarnt haben, keine Verlierer sind. Gewonnen hat am Ende die Demokratie, die in Freiburg zeigen konnte, wie sich aus Teilhabe Planungskultur machen lässt. Freiburg ist insofern auch ein Zeichen der Hoffnung. Ja, man kann auch für große und ambitionierte Infrastruktur- oder Bauprojekte trotz aller Strittigkeit Mehrheiten organisieren. Nein, das bedeutet nicht, dass Argumente der unterlegenen Minderheit obsolet wären. Im Gegenteil. Aus dem Prozesshaften solcher Entscheidungsfindungen speist sich eine offene Planungskultur der Zukunft.

Was die Partizipation am Bau angeht, ist Deutschland eigentlich noch das reinste Entwicklungsland. Ein Land, in dem Veränderungen gern als "alternativlos" vorgestellt werden, weshalb darüber üblicherweise in fast schon monarchischer Tradition, also an den Bürgern vorbei entschieden wird. Tatsächlich tun wir uns im Vergleich etwa zu den Nachbarn Schweiz und Österreich relativ schwer mit der Kunst demokratischer Teilhabe, die auch die Planungskultur dramatisch verändert.

Ob das Stadion gebaut, die Stadt erweitert, die Bewerbung als Olympiastandort erfolgen oder Hochhäuser realisiert werden sollen, darüber sind sich die Menschen oft uneins - und so dient Volkes Stimme immer öfter dem Bürgerentscheid oder eben dem Volksbegehren als Planungsinstrument: Demokratie am Bau.

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