Raubkunst in der Schweiz:Problemfall Bührle

Pressebild zur Medienkonferenz "Provenienzforschung, Bührle-Archiv und Öffentlichkeit" des Kunsthaus Zürich und der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Kunsthaus Zürich, 15. Dezember 2021

Liegen im Archiv der Stiftung Sammlung E.G. Bührle Antworten auf Raubkunst-Fragen? Das Kunsthaus Zürich will keine unabhängige Untersuchung.

(Foto: Franca Candrian/Kunsthaus Zürich)

Das Kunsthaus in Zürich sperrt sich weiterhin gegen eine unabhängige Aufarbeitung von NS-Raubkunst.

Von Kito Nedo

Überall haben Museen derzeit pandemiebedingt zu kämpfen. Doch die Probleme, mit denen sich das Kunsthaus Zürich seit geraumer Zeit herumschlägt, sind zum größten Teil hausgemacht. Seit Monaten findet die Kunstinstitution keinen überzeugenden Umgang mit der historisch belasteten Kunstsammlung des Rüstungsindustriellen Emil Bührle (1890 - 1956), die seit diesem Jahr in einem prachtvollen Chipperfield-Neubau präsentiert wird. Bührle belieferte einst das NS-Regime mit Waffen und profitierte nicht nur beträchtlich von seinen Waffenlieferungen nach NS-Deutschland, sondern auch über Beteiligungen an Zwangsarbeit in einem deutschen Frauen-KZ.

Der Zürcher Kanonenkönig liebte Impressionisten und begann während der Kriegszeit im großen Stil Kunst zu sammeln. Bührle investierte seine Profite aus dem Waffengeschäft bevorzugt in Kunst aus ehemaligem jüdischen Besitz. Nach dem Krieg musste der Sammler einen Teil seiner Sammlung als Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer restituieren, kaufte aber einen Teil der Bilder anschließend einfach wieder zurück. Er konnte es sich leisten.

Wie geht man mit so einer vergifteten Sammlung um? Was macht seine Geschichte mit den Bildern, die nun wie stumme Zeugen einer dunklen Geschichte von Raub und Vernichtung im Museum hängen? Sollte man ihre Herkunft nicht besser von unabhängigen Wissenschaftlern erforschen lassen, bevor man sie in einem Museum präsentiert? Die bisherigen Versuche der privaten Stiftung Sammlung E. G. Bührle und der Kunsthaus-Leitung, den Fokus weg vom historischen Kontext und hin zur Schönheit und Erhabenheit der Kunst zu lenken, gingen gründlich schief. Deshalb wohl polterte Lukas Gloor, Direktor der Bührle-Stiftung, vor Kurzem in einem Zeitungsinterview: "Es darf aber nicht sein, dass die Sammlung zu einer Gedenkstätte für NS-Verfolgung wird, das wird den Bildern nicht gerecht."

Doch auf der Pressekonferenz am Mittwochvormittag, zu welcher das größte Museum der Schweiz geladen hatte, wurde kein Kurswechsel verkündet, wie zukünftig mit dem Bührle-Komplex anders umgegangen werden sollte. Im Gegenteil. Gespenstisch wirkte die Art und Weise, wie sich die fünf Vertreter von Kunsthaus Zürich, Zürcher Kunstgesellschaft und Bührle-Stiftung weigerten, die Zürcher Museumskrise zu adressieren, und sich stattdessen für ihr nicht vorhandenes Krisenmanagement selbst lobten. Besonders realitätsfremd wirkte die Zürcher Veranstaltung auch deswegen, weil das Kunstmuseum in Bern kürzlich restitutionspolitisch mit einer besonders progressiven Haltung vorgeprescht war.

Beschädigt die Leihgabe den Ruf des renommierten Museums dauerhaft?

Und so wird die Diskussion um fragwürdige Provenienzen, Raubkunst, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, Kriegsprofite, Zwangsarbeit, Notverkäufe von Menschen auf der Flucht quer durch Europa in Zürich wohl weitergehen. Und womöglich wird die Frage immer intensiver diskutiert werden müssen, ob die Sammlung, die als langfristig eingefädelte Leihgabe in das Museum kam, den Ruf des Hauses nicht nachhaltig, vielleicht irreparabel beschädigt hat.

Die Gründe für das wachsende Unbehagen an der Bührle-Sammlung hat der Berner Historiker und Journalist Erich Keller in seinem kürzlich erschienen Buch "Das kontaminierte Museum", einer sehr lesenswerten, luziden Analyse des Bührle-Komplexes, so beschrieben: "Es ist zum einen die Herkunft der Gelder, die zu ihrem Aufbau verwendet wurden, zum anderen die Herkunft einer weiterhin unbestimmten Anzahl von Objekten, die zur Sammlung zählen. Es zeigt sich eine in dieser Form außergewöhnliche Zirkularität: Gelder, die aus kriegerischen, neutralitätswidrigen, teilweise widerrechtlichen Geschäften stammen - und die zum Erwerben von Kunstobjekten eingesetzt wurden, die als Folge der antisemitischen, nationalsozialistischen Beraubungs- und Verfolgungspolitik überhaupt erst auf die Märkte gelangt waren." Ob eine in der Diskussion befindliche Kommission nach dem Muster der deutschen Limbach-Kommission hier helfen würde, Licht ins Dunkel zu bringen?

Wenn eine große Neuigkeit, die gestern auf der Pressekonferenz verkündet wurde, dann ist es die, dass sich bis auf Weiteres doch nichts ändern wird. Kunsthaus-Direktor Christoph Becker hat wohl die vielleicht letzte Chance verspielt, sich als Reformer zu profilieren. So wie es aussieht, geht Becker als Uneinsichtiger, wenn er die Kunsthaus-Leitung im Januar 2022 an die neue Direktorin Ann Demeester übergibt.

Zur SZ-Startseite
Alle Urheberrechte bleiben vorbehalten. Die Bildlegende muss vollständig übernommen und das
Werk wie abgebildet reproduziert werden. Die Bilder dürfen nur im Zusammenhang mit der
Berichterstattung zum Legat Cornelius Gurlitt verwendet werden.

Raubkunst in der Schweiz
:Goldstandard

Das Kunstmuseum Bern erbte vor sieben Jahren die umstrittene Gurlitt-Sammlung. Daraus will das Haus nun zwei Aquarelle von Otto Dix restituieren.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: