Büchner-Preisträger:Der Schriftsteller Hilbig ist tot

Mit Wolfgang Hilbig ist am Samstag in Berlin einer der sprachmächtigsten deutschen Schriftsteller gestorben.

Wolfgang Hilbig erlag im Alter von 65 Jahren den Folgen eines schweren Krebsleidens, das teilte der Fischer-Verlag mit. Als sein bekanntestes Werk gilt der 1993 erschienene Roman "Ich" über einen Lyriker, der als Spitzel für die Stasi arbeitet. Das Buch wurde von der Kritik als "Gesellschaftsroman über die Endzeit der DDR" und vor allem als "ein Fest für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur" gelobt.

Büchner-Preisträger: Wolfgang Hilbig verstarb im Alter von 65 Jahren. Manche Kritiker sahen in ihm "den vermutlich letzten großen deutschen Dichter im ursprünglichen Schillerschen Sinne".

Wolfgang Hilbig verstarb im Alter von 65 Jahren. Manche Kritiker sahen in ihm "den vermutlich letzten großen deutschen Dichter im ursprünglichen Schillerschen Sinne".

(Foto: Foto: dpa)

2002 wurde Hilbig mit der bedeutendsten deutschen Literaturauszeichnung, dem Georg-Büchner-Preis, geehrt. Der S. Fischer Verlag trauert um "einen der großen Autoren unseres Verlages" und darüber hinaus um "einen der gewaltigsten Meister der deutschen Sprache der Gegenwart, der eine wahrhaft existenzielle Literatur in den letzten zwei, drei Jahrzehnten geschaffen hat, wie es sie vergleichbar gar nicht gab", sagte der Programmgeschäftsführer Jörg Bong.

Manche Kritiker hielten Hilbig gar für den "vermutlich letzten großen deutschen Dichter im ursprünglichen Schillerschen Sinne", naiv, besessen, zerrissen und abgeschottet vom Literaturbetrieb.

Sein zentrales Thema in Lyrik und Prosa war das Spannungsverhältnis zwischen dem Ich und der Gesellschaft, die Suche nach der eigenen Identität und das Beharren auf Individualität. Seine Arbeiten reflektierten oftmals die Erfahrungen in der DDR als einfacher Arbeiter, der aber auch das "Abenteuer der Seele" suchte. Hilbigs prägende Erfahrung blieb das Dilemma der Arbeiter-Schriftsteller-Doppelexistenz.

Hilbig wurde am 31. August 1941 im sächsischen Industriestädtchen Meuselwitz südlich von Leipzig geboren. Er wuchs in einer Bergarbeiterfamilie auf. Hilbig nahm an Lyrikseminaren für die DDR-Arbeiterfestspiele teil, galt aber stets als Außenseiter der DDR-Kulturszene und blieb dort auch lange Zeit ungedruckt. Seine frühen Texte erinnerten manche an Franz Kafka oder Georg Trakl.

Als im Westen 1979 der Lyrikband "Abwesenheit. Gedichte" mit 66Gedichten aus den Jahren 1966 bis 1977 erschien, kam Hilbig einige Wochen in Untersuchungshaft und wurde zu einer Geldstrafe wegen angeblicher Devisenvergehen verurteilt, darin ähnelnd dem Schicksal vieler anderer Kollegen in der DDR wie zum Beispiel Stefan Heym.

Nachdem sich Franz Fühmann für Hilbig eingesetzt hatte, erschien 1983 Lyrik und Prosa von Hilbig bei Reclam in Leipzig. 1985 übersiedelte Hilbig mit einem zunächst befristeten Schriftstellervisum von der DDR in den Westen. Hier hatte es Hilbig "im westlichen Zerstreuungsgebiet" nicht sehr leicht.

Mit viel Beifall wurde 1989 sein Romandebüt "Eine Übertragung" aufgenommen, 2000 erschien sein autobiografischer Roman "Das Provisorium". Für seine Leistungen ist Hilbig mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Kranichsteiner Literaturpreis (1987), dem Ingeborg-Bachmann-Preis (1989) und dem Fontane-Preis der Berliner Akademie der Künste (1997). 2001 wurde er Stadtschreiber im hessischen Bergen-Enkheim (2001). 2003 erschien sein Band "Der Schlaf der Gerechten" mit Erzählungen und das vom Autor gelesene Hörbuch "Der Geruch der Bücher".

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