Bücher des Monats:Vom Aufbegehren und Durchhalten

Lesezeit: 3 Min.

Teasercollage Bücher des Monats Juli (Foto: Collage: SZ)

Das Erbe der Gewalt, Taubheit als Strategie gegen den Krieg und Liebe zu Schrumpfköpfen: unsere Buchempfehlungen im Juli.

Von SZ- Autorinnen und -Autoren

Ralf Rothmann: Die Nacht unterm Schnee

"Die Nacht unterm Schnee" vollendet als letzter Teil Ralf Rothmanns Trilogie, in der die Erbschaft der Gewalt und des Leides nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt wird. Die Protagonistin seines neuen Romans, Elisabeth Isbahner, dürfte den Lesern schon aus Teil zwei bekannt sein. Als Einzige ihrer Familie überlebt sie die Flucht vor der Roten Armee, trägt jedoch stets das aus den schrecklichen Erfahrungen entstandene Leid mit sich. Wie kann sie bei allem, was sie erlebt hat, trotzdem lieben, vertrauen, Kinder mit jemandem bekommen? Die Liebe in Zeiten der Gewalt, das ist das zentrale Thema in Rothmanns Werk. In seiner Sprache sucht er Erlösung aus dem Grau der niederdrückenden Geschichte.

Die vollständige Rezension finden Sie hier.

Ralf Rothmann: Die Nacht unterm Schnee. Roman. Suhrkamp, Berlin 2022, 304 Seiten, 24 Euro. (Foto: N/A)

Ilya Kaminsky: Republik der Taubheit

Besatzungssoldaten erschießen in einer fiktiven Stadt namens Vasenka einen Jungen. Die Bewohner weigern sich danach aus Protest, die Soldaten zu hören und organisieren ihren Aufstand im Stillen. Der schmale Lyrikzyklus "Republik der Taubheit" handelt von der Gewalt einer Besatzungsmacht - seine Übersetzung ins Deutsche wird in einer Zeit veröffentlicht, in sich Parallelen zu dem aufdrängen, was gerade in der Ukraine passiert. Was dem Westen neu erscheint, ist für viele Ukrainer wie auch für den ukrainisch-amerikanischen Schriftsteller Ilya Kaminsky schmerzlich bekannt. Seine Erfahrungen - vor allem mit seiner in Kindestagen aufgetretenen Taubheit - fließen in seine durch fragile Klarheit gekennzeichneten Sätze und seine direkte Gefühlssprache ein.

Die vollständige Rezension finden Sie hier.

Ilya Kaminsky: Republik der Taubheit. Aus dem Englischen von Anja Kampmann. Hanser, München 2022. 99 Seiten, 22 Euro. (Foto: N/A)

Mary Ruefle: Mein Privatbesitz

Mary Ruefles Prosastück "Mein Privatbesitz" ist von ihrer unvergleichlichen Neugier geprägt, "was eine beliebige Oberfläche unter sich begraben hält." Danach forscht die Dichterin diesmal durch die Figur eines Mädchens, das sich in einem Kolonialmuseum in einen Schrumpfkopf verliebt. Worum es eigentlich geht: wie leicht die Wahrheit übersehen wird, wenn man sich keine Mühe gibt, sie finden zu wollen. Und etwa wissen zu wollen, dass der Schatz des Museums "durch eine so niederträchtige und unsägliche Boshaftigkeit erworben war, dass unsere Köpfe es nicht fassen können und kein einziges Wort dafür haben." Die Übersetzerin Esther Kinsky fühlt der Dichterin mit einer Innigkeit nach, die Ruefle auch mit ihren Schrumpfköpfen verbindet.

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Mary Ruefle: Mein Privatbesitz. Aus dem Englischen von Esther Kinsky. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 127 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Niklas Maak: Servermanifest - Architektur der Aufklärung. Data Center als Politikmaschinen

In einem 50 000-Einwohner-Städtchen in Virginia gibt es Hunderte Rechenzentren und Serverfarmen. Schätzungsweise 70 Prozent des globalen Internetvolumens fließen durch die dortige "Data Center Ally". Niklas Maaks "Servermanifest - Architektur der Aufklärung. Data Center als Politikmaschinen" handelt von den neuen Zentren der Macht und der Frage, ob wir uns mit deren Unsichtbarkeit zufriedengeben dürfen. Die Data Center seien schließlich "auch Orte der Vorausberechnung, Manipulation und Steuerung der Bürger". Wo bleibt also die architektonische Manifestation all der angesammelten Deutungshoheit? Unter anderem fordert Maak deshalb eine Verschiebung der Datenzentren von der Peripherie in die Mittelpunkte der Städte, als Bürgerzentren des 21. Jahrhunderts.

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Niklas Maak: Servermanifest - Architektur der Aufklärung. Data Center als Politikmaschinen. Hatje Cantz, Hamburg 2022. 112 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Ulinka Rublack: Die Geburt der Mode

Kleider machen Leute. Für Ulinka Rublack bedeutet das in ihrem Sachbuch "Die Geburt der Mode", "dass Kleidung Gesellschaft lesbar macht". Dabei entdeckt sich den Beginn der Mode in der Renaissance, als das Zeitgefühl von Bürgern und Kaufleuten zwischen verschiedenen Weltanschauungen schwankte. Es herrschte eine Mischung aus Frömmigkeit und Innovation: "Die Europäer wollten zwar Kostümglück, aber sie wollten auch in den Himmel kommen", schreibt Rublack. Protestantischer Purismus traf auch in den Städten nördlich der Alpen auf neuzeitlichen Luxus. So schufen Reformation, Stadtleben und Welthandel erste fashion victims. Ulinka Rublacks Funde gehen dabei in ihrer Bedeutung weit über das 16. und 17. Jahrhundert hinaus - und über die Formel, dass Kleider Leute machen. "Die Geburt der Mode" erzählt von der Macht der Medien, von Gutenberg bis zu Instagram.

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Ulinka Rublack: Die Geburt der Mode. Eine Kulturgeschichte der Renaissance. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2022. 534 Seiten, 48 Euro. (Foto: N/A)

Armin Pfahl-Traughber: Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotenzial der Neuen Rechten

Die Neuen Rechten sind nicht einfach konservativ und irgendwie "rechts". Sie sind rechtsextrem, antipluralistisch, autoritär, diktatorisch. So lautet das Fazit des Extremismusforschers Armin Pfahl-Traughber. Und er kommt zu einem klaren Urteil: Die Vordenker der Neuen Rechten, die sich als geistige Avantgarde gebärden, sind intellektuelle Tiefflieger! Warum? "Was 'Deutschsein' ist und bedeutet, können die Autoren der Neuen Rechten nicht nur nicht begründen, sondern noch nicht einmal beschreiben." All das bedeutet freilich nicht, dass man diese Leute unterschätzen dürfte, ganz im Gegenteil. Eine tiefschürfende Analyse: kurz, klar und präzise.

Die vollständige Rezension lesen Sie hier.

Armin Pfahl-Traughber: Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotenzial der Neuen Rechten. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2022. 184 Seiten, 18 Euro. (Foto: J.H.W. Dietz Nachf.)
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