Bücher des Monats:Ohne Illusionen

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Abdulrazak Gurnah über das koloniale Tansania, Hermann Stresau über das Hitler-Regime und Stephan Lamby über den Pannen-Wahlkampf: Das sind die Bücher des Monats.

Von SZ-Autoren

Abdulrazak Gurnah: Das verlorene Paradies

Abdulrazak Gurnah: Das verlorene Paradies. Roman. Aus dem Englischen von Inge Leipold. Penguin-Verlag, München 2021. 333 Seiten, 25 Euro. (Foto: N/A)

Postkoloniale Literatur zur Abwechslung einmal nicht mit dem moralischen Kompass des Christentums - sondern als dem Koran entlehnte Parabel: Das liefert der frisch gebackene Literaturnobelpreisträger in seinem neu aufgelegten Roman über Yusuf, der Anfang des 20. Jahrhunderts im heutigen Tansania geboren und von seinem Vater an einen Sklavenhändler verkauft wird. Zwischen einheimischen Gräueltaten und deutschen Kolonialverbrechen bleibt für exotische Verklärung kein Platz, dafür aber für Schuldfragen in maximaler Komplexität.

Eine ausführliche Rezension von Felix Stephan lesen Sie hier.

Paul Jankowski: Das Wanken der Welt

Paul Jankowski: Das Wanken der Welt. Wie 1933 der Weltfrieden verspielt wurde. Aus dem Englischen von Bernhard Josef. S. Fischer, Frankfurt 2021. 592 Seiten, 39 Euro. (Foto: N/A)

Als die Kinder des Ersten zu den Eltern des Zweiten Weltkrieges wurden: Der britisch-amerikanische Historiker Paul Jankowski nimmt die gescheiterte Genfer Abrüstungskonferenz der Jahre 1932-1934 zum Anlass, um zu erklären, wie die internationale Gemeinschaft den Weltfrieden verspielte. Jankowski inszeniert sein Lehrstück als opulenten Politthriller in vierzehn Akten mit Schauplätzen in Tokio und Rom, Berlin, Moskau, New York, Paris und London, Warschau und Budapest. Und er erklärt, warum Hitlers Ambitionen mit einem Mix aus Ächtung und Tatenlosigkeit begegnet wurde. Wenige Jahre später begann der Große Krieg.

Eine ausführliche Rezension von Ludger Heid lesen Sie hier.

Hermann Stresau: Von den Nazis trennt mich eine Welt. Tagebücher aus der inneren Emigration 1933-1939

Hermann Stresau: Von den Nazis trennt mich eine Welt. Tagebücher aus der inneren Emigration 1933-1939. Hrsg. von Peter Graf und Ulrich Faure. Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 448 Seiten, 24 Euro. (Foto: N/A)

Ein scharfer, distanzierter Blick auf die NS-Zeit: Der konservative Intellektuelle Hermann Stresau dokumentierte seine Ablehnung des Hitler-Regimes in Tagebüchern. Nun liegen seine Beobachtungen und Einschätzungen zum ersten Mal vollständig in einer Edition von mehr als 1000 Seiten vor - in all ihrer Widersprüchlichkeit. Ein seltener Glücksfall, weil, so die Herausgeber, nicht gerade viele Deutsche zwischen 1933 und 1945 eine solche Haltung für sich beanspruchen konnten.

Eine ausführliche Rezension von Knud von Harbou lesen Sie hier.

bell hooks: Alles über Liebe

bell hooks: Alles über Liebe. Harper Collins, Hamburg 2021. 304 Seiten, 20 Euro. (Foto: Verlag)

In den USA ist sie längst ein Klassiker, in Deutschland wird sie gerade erst entdeckt: bell hooks, die 1952 geborene Theoretikerin des Rassismus und feministischen Schreibens. Schon bevor der Begriff der "Intersektionalität" die Runde machte, zeigte sie die Zusammenhänge der Diskriminierung von Frauen und Schwarzen. Das Buch "Alles über Liebe" aus dem Jahr 2000 erschien erst diesen Sommer in deutscher Übersetzung und durchkreuzt als Mischung aus Memoir, Selbsthilfebuch, akademischem Essay und spiritueller Meditation auch die Sektionen des hiesigen Buchmarkts. Am 15. Dezember ist bell hooks im Alter von 69 Jahren in Kentucky gestorben.

Einen Nachruf auf bell hooks von Marie Schmidt lesen Sie hier.

Dag Nikolaus Hasse: Was ist europäisch?

Dag Nikolaus Hasse: Was ist europäisch? Zur Überwindung kolonialer und romantischer Denkformen. Reclam, Ditzingen 2021. 137 Seiten, 12 Euro. (Foto: N/A)

Europa, was soll das eigentlich sein? Eine alte Frage - mit besonderer Brisanz in Zeiten von Globalisierung, Migration und politischen Herausforderungen für die EU. Gerne wird an dieser Stelle die Vernunft als Alleinstellungsmerkmal aus dem Hut gezaubert oder ein romantisierender Anruf an griechische Kunst und christliche Werte getätigt. Doch das ist zu einfach, zeigt Dag Nikolaus Hasse, der Mittellateiner und Arabist mit Spezialisierung auf Wissenschaftsgeschichte, in seinem kleinen, anregenden Buch: Die "europäischen" Errungenschaften decken kein einheitliches Gebiet ab - und weisen weit über die Grenzen des uns heute geläufigen Europas hinaus.

Eine ausführliche Rezension von Gustav Seibt lesen Sie hier.

Stephan Lamby: Entscheidungstage

Stephan Lamby: Entscheidungstage. Hinter den Kulissen des Machtwechsels. C.H. Beck, München 2021. 382 Seiten, 22 Euro. (Foto: N/A)

Seit vielen Jahren genießt der Dokumentarfilmer Stephan Lamby exklusive Einblicke hinter die Kulissen des deutschen Spitzenpolitikbetriebs - so auch im Wahlkampf 2021. Lamby hat die drei Kanzlerkandidaten das Jahr über begleitet, daraus aber nicht nur einen Film gemacht, sondern diesmal auch ein Buch, das wissen will: Was verraten die Pannen, vom Laschet-Lachen übers Baerbock-Buch bis zu den Söder-Sticheleien, über unsere Zeit und Gesellschaft? Welchen Einfluss nehmen die sozialen Medien inzwischen aufs politische Geschehen? Und welche Hintergründe hat der Niedergang der Union? Der Hauptstadt-Roman, auf den alle gewartet haben.

Eine ausführliche Rezension von Nils Minkmar lesen Sie hier.

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