Süddeutsche Zeitung

Buchmarkt:Pathos, Drama, Intrige

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Der Suhrkamp-Verlag residiert in der Frankfurter Lindenstraße - und mitunter gleichen die Vorgänge der gleichnamigen Soap. Nun bekommt der Verlag neue Mit-Eigentümer.

Ijoma Mangold

Der Suhrkamp Verlag ist nicht nur in der Frankfurter Lindenstraße beheimatet, manchmal hat man den Eindruck, Suhrkamp sei auch die Lindenstraße der deutschen Hochkultur: Ein unendliches Beziehungsgeflecht voller Pathos, Dramatik, Intrige und Fallhöhe - und mit immer noch einer neuen Folge.

Vermutlich erreichen mittlerweile die Geschichten über das legendäre Verlagshaus eine größere Öffentlichkeit als die dort verlegten Bücher - was nicht am Verlagsprogramm liegt, das trotz des Verlustes einiger sehr wichtiger Autoren wie Martin Walser und Daniel Kehlmann immer noch beachtlich ist.

Seit dem Tod des Altverlegers und Über-Vaters Siegfried Unseld handelte das Suhrkamp-Epos vor allem von der systematischen Machtübernahme des Verlags durch dessen Witwe Ulla Unseld-Berkéwicz und der noch vom Vater entschlossen in die Wege geleiteten Entmachtung seines Sohnes Joachim Unseld. In der aktuellen Suhrkamp-Folge taucht jetzt eine neue, durchaus illustre Figur auf: Hans Barlach.

Barlach-Enkel steigt bei Suhrkamp ein

Illuster deshalb, weil in Deutschland die Verbindung von Geist und Geld offensichtlich für so unwahrscheinlich gehalten wird, dass jeder aufhorcht, wo sie einmal Gestalt annimmt. Hans Barlach ist der Enkel des Bildhauers Ernst Barlach, er verwaltet dessen Nachlass.

Außerdem ist er Galerist, aber auch Immobilienunternehmer. 1999 machte er Furore, als er zusammen mit Frank Otto die Hamburger Morgenpost von Gruner + Jahr kaufte. Vor kurzem ist er Kleingesellschafter bei der Berliner Zeitung geworden.

Jetzt hat Hans Barlach zusammen mit Claus Grossner einen Minderheitenanteil am Suhrkamp Verlag von dem Schweizer Unternehmer Andreas Reinhart und dessen Volkart Holding übernommen. Barlach weiß natürlich, dass es zwischen den früheren drei Gesellschaftern, der Unseld Familienstiftung, die Ulla Berkéwicz leitet, dem auf sein Pflichterbteil zurückgestutzten Joachim Unseld und Andreas Reinhart, viele Unstimmigkeiten gegeben hatte.

"Wir sind", sagt Barlach gegenüber dieser Zeitung, "nicht vorbelastet. Wir haben mit den ganzen Emotionalitäten nichts zu tun." Barlach verehrt den Verlag und versichert zugleich, dass das Haus (worüber es auch anderslautende Meinungen gibt) konsolidiert sei und Gewinne abwerfe.

"Kein kaufmännischer Fehler"

Sein Einstieg bei Suhrkamp sei zwar vor allem kulturell und ideell zu verstehen, aber auch kaufmännisch kein Fehler. Arnulf Conradi, der Gründer des Berlin Verlags, habe ihn in dieser Sache beraten. Jetzt will Barlach aber erst einmal mit den anderen Gesellschaftern sprechen.

Das ist keine schlechte Idee, denn diese haben von den Veränderungen nur aus der Zeitung erfahren. Für den Suhrkamp Verlag sagt der Münchner Rechtsanwalt Heinrich Lübbert: "Das ist für uns auch eine überraschende Wendung. Wir werden den Vorgang erst einmal überprüfen und eine Anfrage an Reinhart richten. Die Unseld-Familienstiftung aber ist in jedem Fall weiter Mehrheitsgesellschafterin. An der Frage, wer den Verlag steuert, ändert sich deshalb nichts."

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Quelle:
SZ vom 10.11.2006
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