Ezra Pound:Am Paradies gescheitert

Die letzten seiner 120 "Cantos" schrieb der amerikanische Lyriker und Bewunderer Mussolinis Ezra Pound auf einem Felsen unterhalb des Dorfes Tirol. Ein Besuch in der Brunnenburg.

Von Thomas Steinfeld

Auf einem Felsen unterhalb des Dorfes Tirol, mit einem weiten Blick über Meran und das Etschtal, liegt die Brunnenburg. Ursprünglich errichtet im 13. Jahrhundert und später verfallen, im frühen 20. Jahrhundert mit Zinnen und Erkern als romantisches Anwesen restauriert und dann wieder heruntergekommen, bildet diese Burg eine Enklave, weniger im Raum als vielmehr in der Zeit.

Um sie herum regiert ein deutschsprachiger Tourismus, der befestigte Wege und gute Wanderkarten ebenso schätzt wie das große Buffet am Morgen. Die Burg, an der "Ezra-Pound-Straße 3" gelegen und in Teilen bewohnt, ist nicht im besten Erhaltungszustand. Und wer das Landwirtschaftsmuseum besucht, das in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden untergebracht ist, muss ohne moderne Ausstellungstechnik auskommen. Allerdings wird er nachhaltig an die Kartoffel erinnert, ein Wurzelgemüse mit einer offenbar starken kommunitaristischen Tradition.

Die Burg hat eine große, wenn auch nicht allzu alte Geschichte. In den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern schrieb der amerikanische Lyriker Ezra Pound hier die letzten Gedichte seines Epos "The Cantos". Darin finden sich die Zeilen: ",In meiner Heimat' / wo die Toten gewandelt sind / und die Lebenden aus Pappmaché waren." Und obwohl diese Verse, wie es in einigen Kommentaren zu den "Cantos" heißt, sich auf das ligurische Städtchen Rapallo, einen früheren Wohnort Ezra Pounds, beziehen sollen, scheinen sie doch auch für das Dorf Tirol zu gelten - zumal der Dichter die ersten drei Wörter auf Deutsch geschrieben hat.

Im Frühjahr 1908 hatte Ezra Pound, damals 23 Jahre alt, die Vereinigten Staaten verlassen und war, wie es sich wohl erst im Nachhinein erwies, auf Dauer nach Europa gezogen, zunächst nach London, dann nach Paris und schließlich nach Rapallo (stets wohnte Pound an Orten, in denen historische Erinnerung und Kosmopolitismus zusammenkamen). Seine Leidenschaft für den italienischen Faschismus und eine, wenn auch eher skurrile, Tätigkeit als dessen Propagandist im Rundfunk brachten ihm eine Anklage wegen Hochverrats ein. Im Mai 1945 stellte er sich dem amerikanischen Militär in Rapallo, wurde wochenlang in einem offenen Käfig von derselben Art gefangen gehalten, wie sie in Guantánamo verwendet werden, und schließlich nach Washington gebracht.

Ausgewählte Verehrer durften ihn bei den Verrichtungen des Tages begleiten

Dem Gerichtsverfahren entging er, weil er in die Psychiatrie überwiesen wurde. Zwölf Jahre musste er dort verbringen, bevor er, auf Initiative T. S. Eliots, Ernest Hemingways, Eugenio Montales, Dag Hammarskjölds (damals Generalsekretär der Vereinten Nationen) und vieler anderer, freigelassen wurde, nach Italien zurückkehrte und zunächst in der Brunnenburg unterkam. Das alte Gemäuer gehörte seiner Tochter Mary, die dort mit ihrem Mann lebte, dem Ägyptologen Boris de Rachewiltz. Und wenn Ezra Pound danach und bis zu seinem Tod im Jahr 1972 auch hauptsächlich in Venedig leben sollte, im Haus seiner Geliebten, der Geigerin Olga Rudge (Marys Mutter), so hielt er sich doch oft und lange auf der Brunnenburg auf.

Nirgendwo jedenfalls ist der Dichter, zu Lebzeiten ein Nomade, ein Gast, ein Mieter, noch so gegenwärtig wie auf diesem "Schloss", das Mary und Boris de Rachewiltz, beide damals Mitte zwanzig, im Jahr 1947 eher besetzt als gekauft hatten. Ezra Pound habe hier, in seinen letzten Jahren, doch noch ein "Eden" gefunden, schreibt der italienische Schriftsteller Alessandro Rivali in einem kürzlich erschienenen Buch (Ho cercato di scrivere paradiso, Mailand 2018), in dem er Mary de Rachewiltz über ihren Vater und die Brunnenburg erzählen lässt.

Der Nachguss einer überlebensgroßen Büste, die Henri Gaudier-Brzeska im Jahr 1914 von Ezra Pound anfertigte, steht vor dem Eingang. Bleich und stolz blickt sie auf den Betrachter herunter, einer Maske weitaus ähnlicher als einem Gesicht.

In einem Museum im Erdgeschoss, das nur aus einem Raum besteht, sind nicht nur Mantel und Stiefel verwahrt, in denen Ezra Pound nach der Absetzung Mussolinis von Rom nach Tirol wanderte, zu seiner Tochter, die damals im Pustertal lebte, sondern auch sein Clavichord sowie die schlichten Sessel, die der Dichter selbst gebaut hatte. Und auch ein Stockwerk höher, in den privaten Räumen, hat sich seit den späten Fünfzigern oder Sechzigern offenbar wenig verändert. Dort steht die Bibliothek des Dichters, von Übersetzern und Philologen immer wieder durchgearbeitet auf der Suche nach Passagen, die dem Verständnis des Werks dienen könnten. Vor allem aber scheint die alte, eher improvisierte Einrichtung, scheinen die Tische, die Bettstelle, die Regale heute ebenso unwichtig zu sein, wie sie es zu den Zeiten gewesen waren, als Mary de Rachewiltz jung war. Es sind weniger die Memorabilia, in denen Ezra Pound fortlebt, als vielmehr eine kleine Gemeinschaft und eine intellektuelle Ökonomie, die aus der frühen ästhetischen Moderne stammt und auf deren Grundlage die Brunnenburg offenbar weiterexistiert.

Ezra Pound, 1966

Der Dichter Ezra Pound im Jahr 1966.

(Foto: Horst Tappe/Sueddeutsche Zeitung Photo)

Beginnen ließ Ezra Pound die "Cantos", im ersten, aber keineswegs zuerst geschriebenen Gesang, der irgendwann in den Zwanzigern entstand, mit einer Replik auf Homer. Odysseus verlässt mit seinen Gefährten die Zauberin Kirke, um sich im Haus des Hades vom toten Seher Teiresias die Zukunft vorhersagen zu lassen: "Und gingen hinunter zum Schiff, / Kiel gegen Brecher gestellt, / Bugspriet aufs heilige Meer." Eines der zentralen Motive dieses langen Gedichts ist damit gesetzt. Fortan werden Tote aufgerufen, um ihre Kommentare zur Geschichte der neuen und neuesten Zeit zu sprechen ("wo die Toten gewandelt sind / und die Lebenden aus Pappmaché waren"), über die Jahrhunderte, über die Sprachen und Kontinente hinweg.

Selbstverständlich ist auch das andere große Epos gegenwärtig, dessen Erzähler in das Reich der Toten hinabsteigt, nämlich Dantes "Göttliche Komödie". "Das Studium der Literatur ist Heldenverehrung", schreibt Ezra Pound in seinen frühen Studien zu "The Spirit of Romance" (im WolffVerlag im vergangenen Sommer neu aufgelegt, mit dem zweifelhaften Titel "Der Geist der Romantik"), weshalb Theokritos und Yeats durchaus in einem Satz genannt werden könnten. Irgendwo im Hintergrund der "Cantos" spuken auch die Werke der Freunde und poetischen Begleiter herum, James Joyces "Ulysses" und T. S. Eliots "Waste Land", beide im Jahr 1922 erschienen und ebenfalls Anrufungen einer mythischen Vergangenheit.

Er hielt den Faschismus für eine Widerstandsorganisation gegen das Kapital

Maßlos erscheint auch schon im frühen 20. Jahrhundert der Anspruch, ein Weltgedicht zu schreiben, kaum konsistent wirken die lyrischen Formen, vor allem in den späten "Cantos", und ein Fragment blieb das riesenhafte, über fünfzig Jahre hinweg entstandene Epos ohnehin. Und doch ist der Wille des Dichters in diesem Werk höchst gegenwärtig: zum einen in der Sprache, die fast frei von Metaphern ist, um stattdessen Bild gegen Bild zu setzen, im stets spürbaren Bemühen, eine Wirklichkeit so stark wie möglich zu verdichten: "Rauch haftet überm Stromlauf, / Die Pfirsichbäume blättern bunte Blüten ins Wasser, / Laute driften im Abend-Dunst, / Die Barke schürft an der Furt." Zum anderen in dem nicht nachlassenden Bemühen, die Gegenwart der Falschheit zu überführen: zu demonstrieren, dass die Welt einem fatalen Irrtum zum Opfer gefallen war, dessen Folgen sich unablässig ausweiteten.

Für diesen Irrtum steht vor allem die Vermehrung des Kapitals durch den Zins. Ezra Pound verwendet dafür das lateinisch-italienische Wort "usura", das nicht nur Zins, sondern auch "Wucher" bedeutet: "bei Usura, der Sünde wider die Natur / bleibt dir dein Brot fad alleweg wie Hadern / bleibt dir dein Brot trocken Papier, kein Weizen vom Bergacker, kein kernig Mehl".

Der ästhetischen Moderne war von vornherein etwas Doppeltes zu eigen. Auf der einen Seite gab es das Verlangen, die Konventionen zu brechen und zu einer radikal neuen, im emphatischen Sinne wesentlichen Sprache zu gelangen. Auf der anderen Seite war diese Bewegung getragen von einem Widerstand gegen den Materialismus, gegen die Universalisierung der Warenwirtschaft, gegen die Industrie und den Ausverkauf der Sinnenwelt an die Ökonomie. Das entsprechende "Unbehagen" an der Kultur hatte große Teile der Künstlerschaft ergriffen, und zwar keineswegs nur die Symbolisten und die Angehörigen der Avantgarde, die Futuristen, Surrealisten und Anhänger des Abstrakten, sondern auch die bewährteren Kräfte. "Sieh, die Maschine", schrieb Rainer Maria Rilke in den "Sonetten an Orpheus", "wie sie sich wälzt und rächt / und uns entstellt und schwächt".

Diese Erfahrung ist verloren gegangen. Sie setzt voraus, dass Maschine und Finanzwesen noch nicht allgemein durchgesetzt, dass Stadt und Land oder fortschrittliche und rückständige Länder noch deutlich voneinander geschieden sind. Zwischen London und Rapallo mag es solche Differenzen gegeben haben, und Venedig war ohnehin die eine Stadt auf der Welt, in der die Moderne scheinbar nie angekommen war. Auch die Brunnenburg ist ein solcher Ort, bis heute.

Ein Bohémien war Ezra Pound gewesen, Teil einer nomadischen Avantgarde, die in vielen Ländern zu Hause war. Die meisten ihrer Mitglieder empfingen, wie Pound, kein festes Einkommen, sondern lebten von unregelmäßig eintreffenden Honoraren, von Stipendien und gelegentlichen Schenkungen. Fand sich ein Mäzen, der ein wenig Beständigkeit brachte, war der kleine Wohlstand gewiss nicht von Dauer. Und mehr, als dass ein solchermaßen improvisiertes Dasein Ausdruck avantgardistischen Künstlertums war, war es praktiziertes Ideal. Bevor eine Welt ohne Finanzwirtschaft verwirklicht werden konnte, waren die Künstler und ihr Anhang schon darin eingezogen.

Ezra Pound: Der Dichter mit seiner Tochter Mary de Rachewiltz und deren Kindern.

Der Dichter mit seiner Tochter Mary de Rachewiltz und deren Kindern.

(Foto: Ezra Pound Archiv Brunnenburg)

Und so blickt man von der Brunnenburg hinunter auf Meran und das Tal, auf Appartementblocks, Industriehallen, Baustellen und die Schnellstraße nach Bozen. Und wenn diese Hässlichkeit auch von Bergen und Weinhängen gerahmt ist, so scheint die Brunnenburg doch auf der anderen Seite der Welt zu liegen.

Ezra Pound hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, besonders geschätzten Verehrern zu erlauben, ihn bei den Verrichtungen des Tages zu begleiten: "Ezuversity" nannte er diese Art von Betreuung. Sie wird noch heute, ohne ihn, auf der Brunnenburg praktiziert. Mary de Rachewiltz, selbst Lyrikerin und mittlerweile 93 Jahre alt, betreut den Nachlass (er wird größtenteils in der Universität Yale verwahrt), sie dient nach wie vor als unerschöpfliche biografische Referenz und gebietet auf eine stille, freundliche, manchmal ironische Weise über die Philologen und Dichter, über die wenigen verbliebenen leidenschaftlichen Leser des Autors, über die Esoteriker und vielleicht sogar über einige rechtsradikal gesonnenen politischen Anhänger Ezra Pounds.

Sie alle gibt es, und für die meisten dieser weiten Gemeinde dürfte die Burg der Ort sein, an dem die nicht mehr wiedergekehrten Götter trotz allem noch ein Zuhause haben. Das kleine Museum der historischen, regionalen Agrikultur, das Siegfried de Rachewiltz, Marys Sohn, betreibt, die Philosophie, der sich der eine Enkel, die Landwirtschaft, der sich der andere widmet - in all diesen Einrichtungen und Tätigkeiten scheinen sich die "Cantos" und ihr Dichter zu spiegeln.

"Es steht doch da", sagt Mary de Rachewiltz, wenn sie zu Ereignissen und Gestalten im Leben Ezra Pounds befragt wird. Es redet sich leicht mit der alten Dame. Die Vergangenheit scheint in ihrem Gedächtnis wie ein wohlgeordnetes Archiv vorhanden zu sein, in dem sie sich mit Leichtigkeit bewegt. "Es steht doch da": Der Satz bedeutet, dass irgendwo in den knapp 1500 Seiten, die die "Cantos" in der von Eva Hesse besorgten englisch-deutschen Fassung (Arche Verlag, Zürich 2012) umfassen, ein Vers steht, der sich auf die gerade erwähnte Person, ein Ding oder ein Ereignis bezieht. Meistens ist der Verweis mit einem Prädikat verbunden.

Tausende, wenn nicht Zehntausende solcher Verweise muss dieses Weltgedicht enthalten (dafür gibt es Nachschlagewerke), und mehr als dass der Satz "es steht doch da" das Werk in seiner Universalität bestätigte, soll er demonstrieren, dass man das Gedicht nur lesen müsse, um einen Zugang zu allen Dingen zu finden - in einem Werk, das auch deshalb so umfangreich ist, weil es der falschen Welt mit gleichem Gewicht entgegentreten sollte.

Ezra Pound war Faschist, über Jahrzehnte. Er war auch Antisemit, vielleicht nicht mit derselben Beständigkeit. "Ich weiß", sagt Mary de Rachewiltz, "deswegen lesen die Leute ihn nicht." Es hilft nicht, darauf zu verweisen, dass Benito Mussolini in den "Cantos" zwar auftritt, nicht nur als Figur, sondern auch indirekt, in Gestalt einer kleinen Lobrede auf das Handwerk des Steinmetzes, für die Ezra Pound Formulierungen aus einer Rede des Duce übernahm (obwohl sie klingt, als stammte sie ursprünglich von John Ruskin) - dass aber im Gedicht selbst nichts explizit Faschistisches zu finden ist.

Noch weniger hilft es zu sagen, dass einige der besten Freunde des Dichters Juden waren, etwa der marxistische Lyriker Louis Zukofsky, oder dass Allen Ginsberg, Poet der "Beat Generation", in späten Jahren zu seinen größten Bewunderern zählte. Denn der Antisemitismus richtet sich gegen ein Volk, das Ressentiment ist größer als alle persönlichen Verhältnisse, und das einmal gefasste Vorurteil erscheint als so gravierend und verhängnisvoll, dass es keine Revision mehr gibt: "Dumm und ungebildet" erscheine ihm das eigene Werk, sagte Pound im Oktober 1967 zu Allen Ginsberg, der nach Venedig gekommen war und seinem Vorbild Schallplatten der Beatles vorspielte, "aber mein schlimmstes Vergehen war dieses dumme, spießige Vorurteil des Antisemitismus".

Ezra Pound: Unten die Brunneburg bei Meran in Tirol.

Unten die Brunneburg bei Meran in Tirol.

(Foto: Siegfried de Rachewiltz)

Ezra Pound hielt den Faschismus für eine Widerstandsorganisation gegen das Kapital, eine Agentur der ehrlichen Arbeit. Und er war damit bei weitem nicht allein: Sympathien für den Faschismus, vor allem für dessen italienische Variante, hatten noch in den Dreißigern viele Intellektuelle gehegt, Sigmund Freud und Winston Churchill, Emil Ludwig und Hermann Graf Keyserling, um von Wyndham Lewis und dessen Bewunderung für Adolf Hitler gar nicht anzufangen. Dem faschistischen Staat wurde zugetraut, das (internationale) Kapital zu bändigen, das vielfach, so auch von Ezra Pound, für den Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht wurde.

Dieser Staat, hoffte man, würde durch ein verlässliches Grundeinkommen für jeden Bürger sorgen und einen sozialen Zusammenhalt schaffen, im Rückgriff auf Altes und Ältestes, das wiederhergestellt werden sollte, eines darin irgendwie enthaltenen utopischen Glücksversprechens wegen. Linke und rechte Ideen liefen in diesem Widerstand gegen die zerstörerischen Elemente der Moderne, Rationalität und Fortschritt, wild durcheinander, und sie tun es immer noch (zu den Besuchern Ezra Pounds auf der Brunnenburg gehörte Lady Eve Balfour, die Gründerin der British Soil Association). In den Faschismus gleiten sie hinüber, wenn der Kapitalismus in einem authentischen Lebensgefühl, im Genuss der Volksgemeinschaft oder dem nationalen Überlebenskampf, aufgehoben werden soll. Einem manchmal absurden Maß an Stolz und Starrsinn zum Trotz: So weit ging Ezra Pound nie.

Stattdessen suchte der Dichter in Benito Mussolini einen Verbündeten in der Kunst. Was sollten das verknappte und geläuterte Wort, die gebrochene Syntax und die Mischung der Sprachen wie der Soziolekte bei Pound bedeuten? Nicht die Verflüssigung alles Bestehenden zugunsten einer Zukunft im unendlichen Fortschritt, sondern die Rückkehr zum Wesentlichen, das es einmal gegeben haben sollte - bei den Condottieri, bei Dante, bei Homer oder auch in chinesischen Schriftzeichen -, weit diesseits der Haltlosigkeit des modernen Lebens. Und betrieb der Duce nicht erfolgreich die Rückholung Antonio Vivaldis aus der Vergessenheit, des Komponisten, für den Olga Rudge in Siena ein Forschungszentrum gegründet hatte?

Seltsam nur, dass sich die Sprache der "Cantos" in den Dreißigern ändert. Sie zieht sich gleichsam in sich selbst zurück, wird erratischer und besteht am Ende nur noch aus Kürzeln, die selbst die vertrauten Menschen kaum entschlüsseln können: "Lass den Wind reden / so ist es das Paradies".

Der Dichter scheint hier das eigene Werk, über alles, was es ist, hinaus, als ideologische Form wahrzunehmen. Einen Haufen Schrott, "a mess", nannte er es am Ende seines Lebens, als er an sich selber und seiner Arbeit verzweifelte. Es ist wahrscheinlich, dass es in seiner Eigenschaft als "a mess" großartiger ist, als es durch die ihm aufgebürdete Widerlegung der modernen Welt je hätte werden können.

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