Buchheim-Museum:Buchheims Schicksals-Boote

Buchheim-Museum: Wehrmacht-Soldaten ließ der Kunststudent Lothar Günther Buchheim in seinem Münchner Atelier Modell stehen. Er fotografierte sie und nutzte diese Vorlagen dann für seine Zeichnungen. Zahlreiche auflagenstarke nationalsozialistische Zeitungen nutzen sie, um Artikel zu illustrieren.

Wehrmacht-Soldaten ließ der Kunststudent Lothar Günther Buchheim in seinem Münchner Atelier Modell stehen. Er fotografierte sie und nutzte diese Vorlagen dann für seine Zeichnungen. Zahlreiche auflagenstarke nationalsozialistische Zeitungen nutzen sie, um Artikel zu illustrieren.

(Foto: Buchheim Stiftung Feldafing)

Eine Ausstellung beleuchtet im Jahr seines 100. Geburtstags die Biografie von Museumsgründer Lothar Günther Buchheim. In der Propaganda-Kompanie der Nazis war er gut vernetzt

Von Sabine Reithmaier

Vier Boote, vier Stationen - das Konzept der "Buchheim 100"-Ausstellung klingt simpel. Aber es ist nicht so einfach, sich zwischen den Sonar-Tönen und der lauten Stimme Lothar Günther Buchheims, präsent in diversen Filmbeiträgen, auf die umfangreichen Texte zu konzentrieren, die es zu lesen gilt, wenn man nachvollziehen will, wie zielstrebig und ehrgeizig sich der junge Buchheim auf seine Laufbahn in der Propaganda-Kompanie der Nazis vorbereitete oder wie gut er später als Kriegsmaler im Apparat der NS-Propaganda vernetzt war. Auch wenn Buchheim später nie ein Geheimnis daraus machte, ins nationalsozialistische System involviert gewesen zu sein, so verblüfft es doch zu erfahren, wie linientreu und konform er in diesen Jahren handelte. Daher lohnt sich allemal der Besuch der Ausstellung, in der sich das Museum anlässlich des 100. Geburtstags kritisch mit seinem Gründer auseinandersetzt.

Journalist Gerrit Reichert, dessen akribischen Recherchen die neuen Erkenntnisse zu danken sind, gelingt sogar der Nachweis, dass Buchheim keine besonderen Sympathien für die NS-Ideologie hegte. Eine elende Kindheit bestärkte ihn in dem Entschluss, Karriere zu machen und Geld zu verdienen. Sein Bruder Klaus und er werden unehelich geboren, ihre Mutter, die Malerin Charlotte Buchheim, lebt mit ihnen im Haus ihrer Eltern in Chemnitz. 1924 verliert sie das Sorgerecht, der sechsjährige Lothar-Günther wird in ein Internat verbannt, darf erst zwei Jahre später wieder zur Mutter, da diese heiratet. Doch 1928 wird die Ehe geschieden, Mutter und Söhne kehren nach Chemnitz zurück. Die finanzielle Lage ist desaströs. Buchheim muss früh Mutter und Bruder miternähren. Er ist ungeheuer fleißig, schafft 1937 das Abitur, obwohl er bereits als Reporter für alle sächsischen Regionalzeitungen schreibt, Leiter der Presse- und Propagandastelle der Hitlerjugend ist und eigene Zeichnungen und Linoschnitte verkauft.

Das kleine Faltboot, mit dem er 1938 die erste Schiffsreise unternimmt, schwebt als Gerippe in der luftigen Höhe des Ausstellungsraums. Der Student der Kunstakademie Dresden und Presseamtsleiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes fährt von Passau aus die Donau hinab bis nach Rumänien, reist weiter über die Türkei nach Griechenland. Die Fahrt verarbeitet er im ersten Roman. "Tage und Nächte steigen aus dem Strom" erscheint 1941 im S. Fischer-Verlag.

Buchheim, der das Selbstdarstellungsbedürfnis der Nazis gut kennt, will unbedingt in die Propaganda-Kompanie. Dort kann man nicht einfach eintreten, er muss auf eine Berufung durch das Reichspropagandaministerium warten. Seine Aussichten sind gut: Er ist der einzige, der gleichzeitig schreibt, fotografiert und zeichnet. Die Stellwände sind voll mit Zeichnungen, mit denen der nach München gewechselte Kunststudent auf sich aufmerksam macht. Im eigenen Atelier fotografiert er Infanteristen der Wehrmacht in unterschiedlichsten Posen, fertigt nach diesen Vorlagen stimmungsvolle Zeichnungen. In der Ausstellung hängen die gestellten Atelierfotos neben den ungezählten Zeitungsseiten, in denen Buchheims Zeichnungen genutzt wurden, um Artikel zu illustrieren. Auch die Serie der heroischen U-Boot-Kommandatenporträts, die neben seinen Schiffsbildern in den Großen Kunstausstellungen München der Jahre 1941 bis '43 gezeigt werden, basiert auf Fotos.

1940 kommt endlich der ersehnte Telefonanruf: Er wird Soldat in einer Propaganda-Kompanie der Marine. Natürlich liefert ein Modell des "Boots" die entsprechende Kulisse für dieses Kapitel. Eine Erinnerung an U 96, jenes U-Boot, das er im Oktober 1941 als Kriegsberichter auf seiner siebten Feindfahrt begleitet. Später liefert ihm diese Fahrt den Stoff für seinen Roman "Das Boot". Doch die Beinahe-Versenkung vor Gibraltar lässt sich für Propagandazwecke nur schlecht verwenden. Buchheim, von Großadmiral Karl Dönitz beauftragt, dichtet sie daher willig in eine Feindfahrt gegen die USA um, schließlich gilt das jetzt als das wichtigste Propagandathema.

Seine Bildreportage erscheint als Doppelseite in der Auslandszeitschrift Signal unter dem Titel "U-Boote gegen USA" und erzählt letztlich von den Erfolgen der achten Feindfahrt, die der "Alte", Kommandant Heinrich Lehmann-Willenbrock, Anfang 1942 unternahm und von der er mit "fetter Beute" - fünf Versenkungen - zurückkehrte. Ein geschickter Schachzug: Signal wurde in 20 Sprachen vertrieben und hatte eine Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren. Und alles liest sich so, als wäre Buchheim direkt mit an Bord gewesen. Fake News - nichts anderes.

Seinen letzten Propaganda-Beitrag schreibt er 1944 in Frankreich, als er pathetisch den unermüdlichen Abwehrkampf der "tapferen kleinen Verbände" gegen die Alliierten schildert. Er selbst lebt gut. "Vorhin habe ich in der Sauna gesessen, bin dann schön durchgeknetet worden und habe eine Menge Bahnen im neuen Schwimmbad geschwommen . . . gleich fährt der Omnibus zur Einweihung eines neuen Sommerhauses, wo es zum Abend gutes Essen geben wird . . .", schreibt er am 15. Juli 1944 an Ellen Deckart. Wenige Wochen später flieht er aus Frankreich.

Die deutlich kleinere Station 3 widmet sich der "Tätigen Reue" und beschäftigt sich mit Buchheims Verarbeitung der Kriegserlebnisse. Die Amerikaner ernennen ihn zum Polizeichef von Feldafing. Er missbraucht die Position, stiehlt den amerikanischen Streitkräften Benzin, plündert. Er landet für ein halbes Jahr im Gefängnis, hat dort Zeit zum Nachdenken und beginnt sich mit der Frage der Mitschuld auseinanderzusetzen. Allerdings nie mit seiner eigenen Verantwortung, sondern er kritisiert die anderen. Für diese Zeit steht das Nuklearschiff "Otto Hahn", das Lehmann-Willenbrock führte, mit dem sich Buchheim schließlich zerstritt.

Und das vierte Schiff? Das ist das Museum am Starnberger See. Schließlich sei Buchheims Einsatz für diffamierte Kunstströmungen, findet Museumsdirektor Daniel J. Schreiber, wohl seine größte Wiedergutmachungs-Leistung gewesen.

Buchheim 100. bis 1. Juli 2018, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried

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