"Ich gebe zu, dass die Flughafensatire sehr real ist. Aber Realsatiren sind in erster Linie ärgerlich", heißt es im kurzen Vorwort zu Helmut Uwers Buch zum Berliner Flughafen. Um die Nerven des Lesers zu schonen, ist Uwers Werk "20 Quadratmeter Startbahn oder Wie ich den Flughafen verhinderte" daher rein fiktiv - aber nicht minder skurril als das reale BER-Chaos.
Die Familie Ungerath hat ein kleines Fleckchen Grund geerbt, leider liegen die paar Quadratmeter genau dort, wo die Landebahn des neuen Flughafens entstehen soll. Von einem Verkauf an die Flughafengesellschaft wollen die Ungeraths aber nichts wissen und so trotzen sie den Betreibern erst eine eigene Zufahrtsstraße ab und schließlich dürfen sie sogar auf dem Gelände des Airports bleiben. Die Landebahn wird trotzdem gebaut.
Helmut Uwer lebt in Blankenfelde und weiß als direkt vom BER Betroffener, wovon er spricht. Der 59-Jährige verdient sein Geld als Deutschland-Korrespondent für die Salzburger Nachrichten und das Luxemburger Wort .
SZ.de: Herr Uwer, gab es während des ganzen BER-Chaos für Sie den einen Moment, in dem Sie gedacht haben: Das muss man einfach satirisch begleiten?
Helmut Uwer: Nicht direkt. Anlass für die Geschichte waren Erzählungen von Freunden. Wenn man hier in der Gegend abends noch bei einem Bier zusammensitzt, kommt man ganz automatisch auf den Flughafen zu sprechen - besonders weil durch die Einflugschneise nicht nur eine, sondern gleich mehrere Gemeinden betroffen sind.
Was haben Ihre Bekannten denn erzählt?
Dass sie vor einiger Zeit tatsächlich ein Stück Flughafengrund besessen haben. Die hatten aber nicht geerbt, so wie ich das in meiner Geschichte erzähle, sie hatten es von einem Bauern geschenkt bekommen.
Konnten sie ihr Grundstück gewinnbringend an die Flughafengesellschaft verkaufen?
Das leider nicht, die wurden irgendwann enteignet. Aber der Bekannte hat mit seinen Kindern tatsächlich einmal sein Stück vom künftigen Flughafen besucht. So gesehen basiert meine Satire teilweise auf einer wahren Begebenheit.
Wie stehen Sie denn als direkt Betroffener zum neuen Berliner Flughafen?
Wenn die Verantwortlichen von Beginn an mit offenen Karten gespielt hätten, wäre dieser Flughafen niemals gebaut worden. Wenn man damals bezüglich der Flugrouten gesagt hätte: 'Schaut mal, diese gerade Linie hier, die muss nicht immer gerade sein, sondern die kann auch mal näher an Berlin rankommen!' Aber leider hat das in der Planungsphase niemand getan.
Findet sich in Ihrem Buch denn auch die ein oder andere Anspielung auf diejenigen, die für viele Fehler beim Flughafenbau mitverantwortlich gemacht werden: Klaus Wowereit und Matthias Platzeck?
Ich bin zwar der Meinung, dass Matthias Platzeck, der ja auch mein Ministerpräsident ist, überhaupt nicht der geeignete Nachfolger für Wowereit als Vorsitzender der Flughafenaufsichtsbehörde ist. Platzeck hat ebenso wie Wowereit jede Entscheidung gekannt und mitgetragen. Trotzdem: Sollten Charaktere aus meinem Buch irgendwelchen realen Persönlichkeiten ähneln, ist das reiner Zufall.
Im Klappentext wird Ihre Satire als Geschichte beschrieben, "die jedem Wutbürger des Landes Freudenschreie entlockt". Sind Sie selbst Wutbürger?
Bei mir ist das eine Wut, die mittlerweile in Ohnmacht umgeschlagen ist. Ich ärgere mich zwar unglaublich über ein solches Projekt wie den BER, stelle aber auch fest, dass man nur sehr wenig bewegen kann. Man protestiert und protestiert, am Ende wird der Flughafen doch gebaut, die Herrschaften da oben sind immer noch oben, und wir hier unten sind vielleicht 20 Zentimeter weitergekommen.
War der Protest also vergebliche Liebesmüh?
Völlig umsonst waren die Demonstrationen nicht. Wir haben schon etwas erreicht, aber viel weniger als wir erreichen wollten. Meine Meinung bleibt dennoch: Der Standort ist völlig ungeeignet für diesen Flughafen. Schauen Sie sich doch nur mal die Bahnverbindung an, eine Katastrophe! Der Zug fährt entweder über Osten oder über Westen eine riesige Schleife, damit er überhaupt zum BER kommt.
Ihr Buch endet mit einer kleinen Überraschung: Familie Ungerath darf ihr Grundstück behalten, bekommt sogar die zehnfache Fläche vom Flughafendirektor geschenkt - allerdings unterirdisch. Die Landebahn wird einfach über ihre Köpfe gebaut.
Für die Familie ist das bestenfalls ein Pyrrhus-Sieg. Sie haben viele Opfer für ihren Protest gebracht, am Ende werden sie quasi in den Untergrund abgeschoben. Ich finde jedenfalls nicht, dass in meiner Geschichte am Ende beide Seiten, Flughafenbetreiber und die Familie, zufrieden sein können.
Und das, obwohl die Hauptprotagonisten Ihrer Erzählung den Protest schon im Namen tragen. Oder ist "Ungerath" etwa kein sprechender Nachname?
Das ist er definitiv. Der Name sollte symbolisieren, dass hier jemand gewillt ist, nicht den einfachen, geraden Weg zu gehen. Die "Ungeraths" basieren allerdings nicht auf einer real existierenden Familie, sondern sind ein Produkt meiner Phantasie.
Apropos Phantasie: Bei der Gattung Ihres Werkes haben Sie sich offensichtlich vertan - im Buch wird der Flughafen am Ende tatsächlich eröffnet. Vergleicht man das mit der Realität, klingt Ihre Geschichte eher nach Science-Fiction.
Da hat mich die Realsatire überholt, aber geplant war das natürlich nie. Eigentlich hätte der Flughafen längst eröffnet sein sollen, wenn mein Buch herauskommt. Aber vielleicht liefert mir die jetzige Situation ja Stoff für einen zweiten Band.