Nun, sie tun es heute, zumindest, so weit der Sex die Mauern der "Zitadelle" verlässt, der gesellschaftlich erwünschten, staatlich geförderten, religiös sanktionierten Institution der Ehe. Und selbst unter Verheirateten herrschen oft Unwissenheit, Leistungsdruck und Frustration. Bleibt das so? Oder, so ihre hoffnungsvolle Frage, erreichen die politischen Umwälzungen in der arabischen Welt auch das soziale Leben?
Werden sie die Pfeiler einer Welt erschüttern, in der die meisten Männer - und Frauen - es für angemessen halten, wenn ein Ehemann seine Frau schlägt, weil diese ihm den Beischlaf verweigert, in der nach wie vor bei achtzig Prozent der Frauen die Genitalien verstümmelt sind, weil weibliche Lust als bedrohlich gilt? "Wie wir in den Satellitenkanälen sehen, kann eine Frau mit drei Männer gleichzeitig Sex haben und immer noch nicht befriedigt sein", zitiert Feki einen jungen Ägypter. So viel zum Modernisierungseffekt der neuen Medien.
Feki, Tochter einer Waliserin und eines Ägypters, aufgewachsen in Kanada, wohnhaft in London und Kairo, macht keinen Hehl daraus, dass sie sich ihrem Thema mit dem Blick der wohlwollenden Ausländerin nähert, zumal der medizinisch interessierten.
Als Immunologin arbeitete sie für eine HIV-Kommission der UN, und ihre Distanz und gnadenlose Offenheit haben bemerkenswerte Ergebnisse zutage gefördert. Sie hat Sexualtherapeuten getroffen und ultrakonservative Scheichs, geschlagene Ehefrauen und überforderte Männer, Schwule, Lesben, Transsexuelle - es war eine Arbeit über Jahre. Nicht alles ist neu, aber manches doch überraschend - gelinde ausgedrückt.
Nachricht von der erfolgreichen Entjungferung per SMS
Dass die Ehre einer jungen Frau und ihrer Familie von der Jungfräulichkeit in der Hochzeitsnacht abhängt, ist bekannt. Aber dass die Defloration in Ägypten mancherorts quasi öffentlich vorgenommen wird, indem nicht der Bräutigam, sondern eine "Daya", eine traditionelle "Heilerin" im Beisein der Mütter das Hymen mit dem Finger oder einem mit weißem Tuch umwickelten Rasiermesser durchsticht, dürften wenige Außenstehende wissen.
Und wieder zeigt sich, dass Technik allein keinen Wandel erzwingt: Ein Kairoer Anwalt bedrängte seinen Schwiegersohn, "ihm unmittelbar nach der Entjungferung per SMS mitzuteilen, dass seine Tochter erwartungs- und ordnungsgemäß geblutet habe. Der stete Strom von Anrufen und SMS-Botschaften (. . .) machten den Bräutigam derart nervös, dass er am Hochzeitsabend versuchte, seine Braut ins Kino auszuführen." Am Ende schaltete er das Telefon aus - und die Ehe konnte vollzogen werden.
Feki trifft eine Prostituierte, die sich außerhalb der Arbeit bis zu den Augen verschleiert und darin keinen Widerspruch sieht, und eine andere, die saudische Touristinnen bedient. Sie beschreibt einen Mann, der Viagra als Bakschisch verteilt, und eine Abtreibungspraxis, die sie "Stich und Schlag"-Methode nennt: Die Frau wird mit einer Injektion betäubt und so lange auf Rücken und Bauch geschlagen, bis der Fötus abgeht - oder sie mit einer vermeintlichen Fehlgeburt ins Krankenhaus eingeliefert wird.