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Buch über Hollywood und die Nazis:Gier nach deutschen Eintrittsgeldern

Wie moralisch war Hollywood? Obwohl sich Charlie Chaplin bereits 1938 an seine NS-Satire "Der große Diktator" machte, wandten sich die US-Filmstudios erst mit Kriegsbeginn konsequent vom Faschismus ab. Doch war Hollywoods Geschäftemacherei mit den Nazis gleichbedeutend mit plumper Kollaboration, wie ein neues Buch nun nahelegt?

Von Susan Vahabzadeh

Der Titel ist schon mal provokant: "Collaboration" hat der Historiker Ben Urwand sein Buch über Hollywoods Verhältnis zu den Nationalsozialisten genannt. Zunächst einmal: Der Verlag hat ein paar Schlagzeilen aus dem Buch versandt, Urwand hat in einem Interview mit der New York Times nachgelegt - aber erscheinen wird "Collaboration" erst im Oktober.

Die Harvard Press, die das Buch herausbringt, bewirbt es mit der Geste des Skandals: Das Buch werde mit dem "feel-good myth" aufräumen, Hollywood sei ein Synonym für Antifaschismus gewesen.

Was immer Urwand im Detail auch herausgefunden hat: Mit einem solchen Mythos aufräumen muss er nicht, weil es den so nie gab. Den Hollywoodstudios ging auch in den Dreißigern das Geldverdienen über alles; dass man nach der Machtergreifung noch bis 1938 mit Deutschland gute Geschäfte machte, ist kein Geheimnis.

"Wer glaubt, in dem weitgehend von jüdischen Produzenten beherrschten Hollywood sei der Kampf gegen den Faschismus eine Selbstverständlichkeit gewesen, täuscht sich gewaltig.

Gerade in den 30er Jahren war man darauf bedacht, die Deutschen nicht zu verärgern, um den Absatz der Filme nicht zu gefährden." Das hat Michael Althen schon 1994 in einem Essay für den Focus geschrieben, anlässlich des Filmstarts von "Schindlers Liste". Hollywood wurde, mit Ausnahme von Chaplin und "Der Große Diktator", seit 1938 in Arbeit, erst bei Kriegsausbruch streng antifaschistisch.

Rechtfertigt Gier den Vergleich mit der Vichy-Regierung?

Nun stehen verschiedene Auffassungen gegeneinander. Die Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt vermutet, Urwands Recherchen könnten "ein Blockbuster sein". Der Historiker Thomas Doherty von der Brandeis University, der das Buch "Hollywood and Hitler" geschrieben hat, steht schon dem Titel kritisch gegenüber.

Kollaboration, das ist im Amerikanischen ein nicht annähernd so belasteter Begriff wie im Deutschen - trotzdem bezeichnet ihn Doherty in diesem Zusammenhang als verleumderisch: Louis B. Mayer, damals MGM-Boss, sei zwar gierig gewesen, habe aber den Vergleich mit der Vichy-Regierung nicht verdient.

Urwand hat beispielsweise zu dem Fall des kritischen Filmprojekts "Mad Dog of Europe" recherchiert, das 1933 gestoppt wurde - genau über diesen nie gedrehten Film hat auch Doherty in seinem Buch geschrieben.

Hollywood-Produktionen für das Dritte Reich

Geht es also nur um Interpretation? Insgesamt, so Urwand, habe er in deutschen und amerikanischen Archiven Dokumente entdeckt - vom einem mit "Heil Hitler" unterschriebenen Brief aus der deutschen Filiale der 20th Century Fox bis zu Gerichtsakten -, die zwanzig Fälle belegten, in denen die Hollywood-Studios Filme bearbeitet hätten, um sie im Dritten Reich vermarkten zu könne.

Und auch Jack Warner, der anders als Mayer oder Columbia-Chef Harry Cohn noch einen Ruf zu verlieren hat als halbwegs moralischer Mensch, will er Zusammenarbeit mit den Nazis nachgewiesen haben. Da geht es unter anderem darum, dass Warner auf Hitlers Yacht den Rhein hinuntergeschippert sei - allerdings erst 1945, als der Krieg schon gewonnen war. Und: Warner habe persönlich angeordnet, in William Dieterles "Das Leben des Emile Zola" (1937) dürfe das Wort Jude nicht vorkommen.

Es ist tatsächlich so, dass Juden im amerikanischen Kino der Dreißiger kaum vorkommen. Und wenn Urwands Buchs erst vorliegt, hilft es vielleicht dabei, auseinanderzudividieren, wie damals eins zum anderen kam.

Es war nicht nur die Gier nach deutschen Eintrittsgeldern, die die Studiobosse in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg umtrieb. Sie hatten auch mit dem Antisemitismus in den USA zu kämpfen; dazu machte sich der Antikommunismus breit und bereitete den Weg für das nächste Kapitel, in dem Hollywood sich nicht mit Ruhm bekleckerte: die McCarthy-Ära.

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SZ vom 27.06.2013/pak
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