Bücher des Monats Oktober:Neues vom Herdenleben

Bücher des Monats Oktober: Unsere Bücher des Monats Oktober 2022.

Unsere Bücher des Monats Oktober 2022.

(Foto: Suhrkamp, Limmat Verlag, Kiepenheuer & Witsch, Siedler, Rowohlt/Collage: SZ)

Die Familie ruft, Sie haben keine Zeit zu lesen? Hier ein paar Vorschläge, die helfen könnten, und noch mehr Lieblingsbücher des Monats.

Von SZ-Autorinnen und Autoren

Julia Weber - Die Vermengung, Limmat und Heinz Helle - Wellen, Suhrkamp

Bücher des Monats Oktober: Julia Weber: Die Vermengung. Limmat Verlag, Zürich 2022. 351 Seiten, 26 Euro.

Julia Weber: Die Vermengung. Limmat Verlag, Zürich 2022. 351 Seiten, 26 Euro.

(Foto: Limmat/SZ)
Bücher des Monats Oktober: Heinz Helle: Wellen. Roman. Suhrkamp, Berlin 2022. 284 Seiten, 23 Euro.

Heinz Helle: Wellen. Roman. Suhrkamp, Berlin 2022. 284 Seiten, 23 Euro.

(Foto: Suhrkamp/SZ)

War die Pandemie für Alleinstehende schon eine Herausforderung, mit Kindern war sie es allemal. Kurz vor ihrem Ausbruch wird das Schriftstellerpaar Julia Weber und Heinz Helle zum zweiten Mal Eltern. Beide haben sie literarisch verarbeitet, wie sie in dieser Zeit mit den Konflikten zwischen künstlerischer Arbeit und Fürsorge gerungen haben. Weber bereits im Frühjahr mit "Die Vermengung" und nun auch Helle in "Wellen". Zusammen ergeben die beiden Romane ein außergewöhnliches Gesamtkonstrukt: zwei Autofiktionen über Grenzen und Möglichkeiten von Geschlechterrollen, über Freiheit und Zwang, Herdenleben und Einsamkeit in einer modernen, aufgeklärten und gleichberechtigungsorientierten Liebe.

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Judith Holofernes - Die Träume anderer Leute, Kiwi

Bücher des Monats Oktober: Judith Holofernes: Die Träume anderer Leute. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 416 Seiten, 24 Euro.

Judith Holofernes: Die Träume anderer Leute. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 416 Seiten, 24 Euro.

(Foto: KiWi/SZ)

Bekannt wurde Judith Holofernes mit ihren Hymnen gegen die Anpassung als Sängerin und Texterin der Band Wir sind Helden. Doch, so zeigt ihr jüngster Roman, lebte sie damit bloß die "Träume anderer Leute". Durch die Gleichzeitigkeit einer Musikerinnenkarriere und des Mutterseins in permanente Zerrissenheit getrieben, verschwinden ihre eigenen Bedürfnisse gänzlich im Hintergrund. Ihr Roman besticht nun, wie zuvor die Songs, durch Holofernes' Gabe, Worte für allgemeingeteilte Gefühle zu finden, die niemals abgenutzt klingen.

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Teresa Bücker - Alle Zeit. Eine Frage der Macht und Freiheit, Ullstein

Bücher des Monats Oktober: Teresa Bücker: Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit - Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann Ullstein, Berlin 2022. 400 Seiten, 22 Euro.

Teresa Bücker: Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit - Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann Ullstein, Berlin 2022. 400 Seiten, 22 Euro.

(Foto: Ullstein/SZ)

"Sorry, leider keine Zeit" - ein Satz, der unsere Gegenwart wie kein anderer begleitet. Die Unvereinbarkeit von Arbeit, Haushalt und Familie, geschweige denn Freizeit und politischem Engagement stellt Teresa Bücker ins Zentrum ihrer jüngsten Überlegungen. Zeit müsse eine eigene Kategorie gesellschaftspolitischer Debatten werden, sei sie doch Ausgangspunkt etlicher Konflikte etwa der Geschlechtergerechtigkeit. Zwar bleiben Bückers Lösungsvorschläge notgedrungen im Potenziellen, aber die Grundfrage des Buchs nach der Verteilung der Zeit ist eine der aktuell drängendsten.

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Péter Nádas - Schauergeschichten, Rowohlt

Bücher des Monats Oktober: Péter Nádas: Schauergeschichten. Roman. Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Rowohlt, Hamburg 2022. 576 Seiten, 28 Euro.

Péter Nádas: Schauergeschichten. Roman. Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Rowohlt, Hamburg 2022. 576 Seiten, 28 Euro.

(Foto: Rowohlt/SZ)

Péter Nádas wurde in den letzten Jahren immer wieder als Nobelpreisanwärter gehandelt und ja, er ist einer der Großen der europäischen Literatur und ein großer Kosmopolit noch dazu. In den "Schauergeschichten", wie zuvor schon in "Behutsame Ortsbestimmung" wendet er sich mit präzisem Blick dem Mikrokosmos eines Dorfes zu. Er zeichnet Gewalt und Schrecken an dessen ureigener Ordnung und Sprache, "grimmiges Gebrabbel", Flüche und Rohheiten eines Ortes ab. Sie formen schließlich auch die Handlung zum Horror.

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Serhij Zhadan - Himmel über Charkiw, Suhrkamp

Bücher des Monats Oktober: Serhij Zhadan: Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr und Jurij Durkot. Suhrkamp, Berlin 2022. 239 Seiten, 20 Euro.

Serhij Zhadan: Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr und Jurij Durkot. Suhrkamp, Berlin 2022. 239 Seiten, 20 Euro.

(Foto: Suhrkamp/SZ)

Serhij Zhadan schreibt auf seiner Facebook-Seite seit dem russischen Angriffskrieg Tagebuch. Seine Posts aus den ersten fünf Monaten sind unter dem Titel "Himmel über Charkiw" als Kriegstagebuch erschienen: das Beste, was es zur aktuellen Lage in der Ukraine zu lesen gibt, weil es darin nicht nur um Gegenwartsbeobachtungen geht. Zhadan organisiert auf Facebook Spenden, schreibt Nachrufe auf gefallene Künstler und Künstlerinnen und spricht den Menschen in seiner Umgebung Mut zu. Zhadan ist nicht nur der bedeutendste ukrainische Schriftsteller seiner Generation, sondern community worker obendrein.

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Woo-kyung Ahn - Klar denken. Eine Anleitung, Rowohlt

Bücher des Monats Oktober: Woo-kyung Ahn: Klar denken - Eine Anleitung. Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl. Rowohlt, 2022. 288 Seiten, 22 Euro.

Woo-kyung Ahn: Klar denken - Eine Anleitung. Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl. Rowohlt, 2022. 288 Seiten, 22 Euro.

(Foto: Rowohlt/SZ)

Warum irren sich Menschen so oft? Woo-kyung Ahn versucht, Antworten zu geben, indem sie anekdotenhaft von eigenen Denkfehlern und Phänomenen wie dem "Fluency-Effekt" berichtet. Der beschreibt den Moment, in dem Menschen, die wiederholt sehen, wie etwas perfekt gemacht wird, denken, sie könnten es selbst leicht genauso gut. Fußballfans kennen das. Es erschließt sich schnell, dass Denkfehler so verbreitet wie schwer zu überwinden sind. Oder anders gesagt: dass klares Denken sehr viel Arbeit macht. Statistiken zu erstellen und zu interpretieren gehört eigentlich auch dazu, was keine machbare Praxis für den Alltag ist. Ein guter Leitfaden ist dieses Buch dennoch.

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Jürgen Kaube und André Kieserling - Die gespaltene Gesellschaft, Rowohlt Berlin

Bücher des Monats Oktober: Jürgen Kaube, André Kieserling: Die gespaltene Gesellschaft. Rowohlt, Berlin 2022. 288 Seiten, 22 Euro.

Jürgen Kaube, André Kieserling: Die gespaltene Gesellschaft. Rowohlt, Berlin 2022. 288 Seiten, 22 Euro.

(Foto: Rowohlt/SZ)

Die drohende "Spaltung der Gesellschaft" festzustellen ist zur Standardgeste geworden. Umso triftiger, dass Jürgen Kaube und André Kieserling sich nun einer Diagnose dieser Diagnose angenommen haben. Denn sie sind skeptisch. Nicht nur weil notorisch konfliktscheue Politikerinnen und Politiker häufig von drohender Spaltung reden, um die Unterlassung politischer Entscheidungen zu rechtfertigen. Sondern auch, weil die als Normalfall suggerierte soziale Einheit für eine moderne Demokratie weder normal noch erstrebenswert ist.

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Maggie Haberman - Täuschung. Der Aufstieg Donald Trumps und der Untergang Amerikas, Siedler

Bücher des Monats Oktober: Maggie Haberman: Täuschung. Der Aufstieg Donald Trumps und der Untergang Amerikas. Aus dem Englischen von Christiane Bernhardt, Sylvia Bieker, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Katharina Martl, Karsten Singelmann, Ulrike Strerath-Bolz, Anke Wagner-Wolff und Henriette Zeltner-Shane. Siedler, München 2022. 832 Seiten, 36 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

Maggie Haberman: Täuschung. Der Aufstieg Donald Trumps und der Untergang Amerikas. Aus dem Englischen von Christiane Bernhardt, Sylvia Bieker, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Katharina Martl, Karsten Singelmann, Ulrike Strerath-Bolz, Anke Wagner-Wolff und Henriette Zeltner-Shane. Siedler, München 2022. 832 Seiten, 36 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

(Foto: Siedler/SZ)

Noch ein Buch über Donald Trump? Aber ja! Zumal jetzt, wo er es - wie er jüngst sagte - "wahrscheinlich" noch mal tun müsse. Die Starreporterin der New York Times, Maggie Haberman, verfolgt die Karriere von Donald Trump seit Jahrzehnten. Kaum jemand kennt ihn, seine Einflüsterer und Stiefellecker besser als sie. Und sie kann seine Politik besser analysieren als viele andere - weil sie ihn ernst nimmt. Die vielen Skandale seiner ersten Amtszeit, die bei der Lektüre zum wiederholten Male schockieren, werden in "Täuschung" so genau nachgezeichnet, dass das Buch zum Standardwerk werden dürfte.

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Dieter Grimm - Die Historiker und die Verfassung. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes, C.H. Beck

Bücher des Monats Oktober: Dieter Grimm: Die Historiker und die Verfassung. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes. Verlag C.H. Beck, München 2022. 358 Seiten, 34 Euro.

Dieter Grimm: Die Historiker und die Verfassung. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes. Verlag C.H. Beck, München 2022. 358 Seiten, 34 Euro.

(Foto: C.H Beck/ SZ)

"Kann man die Geschichte der Bundesrepublik ohne ihre Verfassungsgeschichte schreiben?", fragt der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm - seine Antwort lautet natürlich: Nein. Weil er in den großen Standardwerken zur Geschichte Deutschlands seit 1949 also nicht das findet, was er wichtig findet, legt der scharfsichtige Jurist eben selbst eine wirklich hervorragende und beeindruckende Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes vor. Wer künftig eine Geschichte der Bundesrepublik schreibt, wird nicht mehr sagen können, es gebe nichts Lesbares und auch für den Nichtfachmann Verständliches zur Rolle des Rechts in der Entwicklung der bundesdeutschen Demokratie.

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Karolina Kuszyk - In den Häusern der anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen, Ch. Links

Bücher des Monats Oktober: Karolina Kuszyk: In den Häusern der anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen. Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann. Ch. Links Verlag, Berlin 2022. 400 Seiten, 25 Euro.

Karolina Kuszyk: In den Häusern der anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen. Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann. Ch. Links Verlag, Berlin 2022. 400 Seiten, 25 Euro.

(Foto: Ch.. Links/SZ)

Als nach Deutschlands Kapitulation 1945 Osteuropa von den Alliierten neu sortiert wurde, hieß das nicht nur für Millionen Deutsche, ihre Heimat Richtung Westen zu verlassen, sondern auch für viele Polen, aus der Westukraine ebenfalls nach Westen zu gehen. In Schlesien etwa fanden sie eine neue Heimat in den Häusern des einstigen Feindes. Karolina Kuszyk erzählt nun höchst einfühlsam, wie infolge des Zweiten Weltkriegs aus der preußischen Provinz der "wilde Westen" der Polnischen Volksrepublik wurde. Es waren Jahre der Vertreibung und des Neubeginns, anarchisch und voller Gewalt, aber auch voller Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.

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Sarah Jäger - Schnabeltier Deluxe, Rowohlt

Bücher des Monats Oktober: Sarah Jäger: Schnabeltier Deluxe. Roman. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Rotfuchs 2022. 204 Seiten, 20 Euro. Ab 14 Jahren.

Sarah Jäger: Schnabeltier Deluxe. Roman. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Rotfuchs 2022. 204 Seiten, 20 Euro. Ab 14 Jahren.

(Foto: Rowohlt/SZ)

Für die meisten Leute hat Kim einfach ein "Aggressionsproblem", sie fliegt von der Schule, und keine andere Schule in der Stadt ist bereit, sie anzunehmen für ein letztes Schuljahr. Sie muss zum Ex-Freund ihrer Mutter, René, ziehen, tief in die Provinz. Es ist Kim selbst, die in Sarah Jägers drittem Roman erzählt. Sie ist renitent und trotzig, die Logik und Assoziationskraft, mit denen sie ihre Ausbrüche und Aktionen schildert, sind naiv und manchmal nervig altklug, aber immer konsequent - man kennt das revolutionäre Potenzial, das darin steckt, aus den großen gesellschaftlichen Bewegungen seit den Sechzigern: "Mach es kaputt, bevor es dich kaputtmacht." Sie jobbt an einer Tankstelle im Ort und lernt dort zwei neue Freunde kennen, etwas Neues entsteht. Bei Sarah Jäger werden die Jugendlichen so ernst genommen wie einst bei Erich Kästner.

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Tom Gauld - Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin , Moritz Verlag

Bücher des Monats Oktober: Tom Gauld: Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin. Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt a.M., 2022. 40 Seiten, 18 Euro. Ab 4 Jahren.

Tom Gauld: Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin. Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt a.M., 2022. 40 Seiten, 18 Euro. Ab 4 Jahren.

(Foto: Moritz Verlag/SZ)

Ein König und eine Königin wünschen sich ein Kind. Als das nicht klappt, bescheren ihnen die königliche Erfinderin und eine schlaue Alte den kleinen Holzroboter und die kleine Baumstumpfprinzessin. Wenn sich die kleine Baumstumpfprinzessin nicht jede Nacht zurück in einen Holzklotz verwandeln würde und von ihrem Bruder gerettet werden müsste. Tom Gauld ist für seine lakonisch-pointierten Zeitungscartoons im Guardian oder in der New York Times bekannt, dies ist sein erstes Kinderbuch - eine eigenwillige Abenteuergeschichte mit Märchenelementen und vielen schrulligen Einfällen, die dieses Bilderbuch so reizvoll machen. Gauld mischt Comicelemente mit einem sehr eleganten holzschnittartigen Stil. In vielen Bildern wimmelt es nur so vor Details. Gut, dass die Bilder einen Rahmen haben, das gibt der Fülle Struktur.

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