Buch-Premiere:Ironie für Impfgegner

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Wechselt seinen Stil so gerne wie seinen Wohnort: Der Autor Christian Kracht, hier 2014 bei der Vorstellung des Films "Finsterworld" in Zürich. (Foto: Steffen Schmidt/dpa)

In Deutschland ist er umstritten, in den USA gefeiert: Christian Kracht stellt seinen Roman "Imperium" in New York vor.

Von Peter Richter

Der Roman "Imperium" von Christian Kracht ist jetzt auch in den USA erschienen, bei Farrar, Straus and Giroux. Übersetzt hat ihn Daniel Bowles. Und als der Autor deswegen diese Woche in New York war, um das Buch vorzustellen, da bestätigte ihm der Germanist Eric Jarosinski, den seine vielen vor allem deutschen Twitter-Follower auch als @NeinQuarterly kennen, dass es eine sehr gelungene Übersetzung sei, welche die thomasmännelnde Ironie des Urtextes nahezu perfekt ins Englische übertrage. Das war wirklich eine hübsche Begegnung im sogenannten Deutschen Haus der New York University: der amerikanische Adorno-Experte, der sehr erfolgreich mit dem Habitus des gescheiterten Intellektuellen spielt, und der scheu tuende Schweizer Literat, der dem deutschen Sprachraum für die schöne Sprache dankt, selber dort aber unmöglich mehr leben könne. Kracht wohnt seit einigen Monaten in Los Angeles. Das mag nach Afrika, Argentinien, Florenz ein wenig gewöhnlich wirken, weil es unter sogenannten Kulturschaffenden ja doch recht populär geworden ist, nach Los Angeles zu ziehen. Aber für deutschsprachige Exilschriftsteller ist das natürlich ein traditionsreicher Boden. Kracht lobte ihn als "wundervollen Unort", worüber sie sich in New York milde freuten. (Dieser L.A.-Boom irritiert den Kulturbetrieb hier doch erheblich.)

Es ging erfreulicherweise viel um literarische Fragen an diesem Abend, vor allem um den naseweisen Erzähler des Romans, eine Figur, die Kracht selbst nicht ganz geheuer ist. Dass das Buch von den Exzessen deutscher Lebensreform-Apostel in den überseeischen Kolonialbesitzungen des Kaiserreichs handelt, schreckt die amerikanischen Leser offenkundig nicht ab. Die Themen Lebensreform und deutscher Kolonialismus sind hier nur unwesentlich unbekannter als im heutigen Deutschland. Aber scheiternder Idealismus, scheiternde Utopien sind Gegenstände von eigenständiger Relevanz. Und die, die um 1900 irräugig und in härenen Gewändern ausschritten, eine naturhaftere Menschheit zu begründen, werfen ihre Echos immerhin bis in den homöopathisch-impfgegnerischen Komplex der besseren Wohnviertel von heute. Nicht zuletzt in Amerika.

Es passiert ja leider nicht so oft, dass deutsche Romane in den USA übersetzt werden und dann auch noch eine geradezu euphorische Resonanz bekommen. Das Buch lese sich streckenweise wie "der beste Werner-Herzog-Film, den Werner Herzog erst noch drehen muss", schrieb ein Kritiker. Die Abenteuer-Parodie, der Corto-Maltese-Appeal, das alles kommt offensichtlich so weit gut an in Amerika, wo es auch kein Geheimnis ist, dass es in erster Linie der Ton ist, der die Musik macht. Dass eine Geschichte über die Deutschen vor dem Ersten Weltkrieg in den USA immer auch als Vorgeschichte jener Deutschen gelesen wird, die dann den Zweiten Weltkrieg gemacht haben, versteht sich dabei von selber. Damit, dass sich weder Erzählfigur noch Autor irgendwie zu fassen bekommen und auf moralische Verbindlichkeiten festnageln lassen, kommt die amerikanische Kritik bislang besser klar als Teile der deutschen. Der bizarre Versuch, den Roman deswegen als irgendwie rechtsnationalistisches Gedankengut zu skandalisieren, in den sich ein deutsches Magazin verirrt hatte, der spielt in der amerikanischen Rezeption bisher jedenfalls keine Rolle.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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