Süddeutsche Zeitung

"Buba" mit Bjarne Mädel bei Netflix:Mehr Schmerz

Der Netflix-Film "Buba" erzählt die Vorgeschichte des schrägen Gangsters aus der Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)". Ein wahnsinniger, herrlicher Provinzfilm.

Von David Steinitz

Netflix-Filme haben in letzter Zeit oft ein so biederes Corporate Design wie das Netflix-Logo. Alles nach Schema F. Beziehungsweise nach Schema N. Anscheinend am beliebtesten bei den Netflix-Chefs: das Genre Wanderzirkusfilm. Egal ob Matthias Schweighöfer ("Army of Thieves") oder Ryan Gosling ("The Gray Man"), es muss mindestens einmal um die halbe Welt gereist und geballert werden, als würde die Anzahl der Schauplätze über die Qualität eines Films entscheiden. Spoiler: Tut sie eher nicht.

Wer deshalb höchstens noch mit sanfter Netflix-Fatigue reinzappt, weil im guten alten Fernsehen gerade auch nur "Tatort"-Wiederholungen laufen, könnte durch "Buba" wieder positiv überrascht werden. Der Film ist eine dermaßen merkwürdige Tragikomödie aus den tiefsten Eingeweiden des Wahnsinns, dass man sofort gewillt ist, Netflix als Labor für beeindruckende Experimente noch nicht ganz abzuschreiben.

Wegen eines Unfalls spricht der Bruder nicht mehr Deutsch, sondern Österreichisch

Buba ist eine Figur aus der sehr erfolgreichen (und auch sehr guten) deutschen Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)", von der es bereits drei Staffeln gibt. Aber keine Angst, die muss man nicht kennen, um sich dieses Spin-off anzuschauen. Der Kleinkriminelle Buba, der in der Serie gemeinsam mit der örtlichen Albaner-Mafia das Geschäft mit den synthetischen Drogen in der fiktiven Kleinstadt Rinseln kontrolliert, war nie als Hauptfigur angelegt. Im Gegenteil, er stirbt bereits am Ende der ersten Staffel nach ein paar skurrilen Gastauftritten durch einen, sagen wir mal vorsichtig, Betriebsunfall.

Mit dem beginnt auch der Filmableger "Buba", der dann aber schnell in die Vergangenheit wechselt, um die Vorgeschichte dieses Mannes zu erzählen. Denn Buba, gespielt vom wunderbaren Bjarne Mädel, hatte trotz der kleinen Rolle durch die Serie so viele Fans gewonnen, dass die Macher gern mehr aus seinem Leben erzählen wollten.

Buba, so lernen wir, heißt eigentlich Jakob Otto und ist seit langer Zeit ein Fall für die Verhaltenstherapie. Als Kind nimmt er an einem Tanzwettbewerb teil (bei dem, die Wege des Herrn sind unergründlich, auch der junge Leonardo DiCaprio anwesend ist) und verbringt einen schönen Tag. Aber ausgerechnet an diesem Tag sterben seine Eltern bei einem Autounfall.

Seine Selbstanalyse: Wenn er es sich gutgehen lässt, passiert anderen Menschen etwas Schlimmes. Also schließt er mit sich selbst einen Pakt. Er will sich künftig möglichst schlecht behandeln, um im Umkehrschluss anderen ein gutes Leben zu ermöglichen. Mit dieser Methode will er vor allem seinen Bruder Dante (Georg Friedrich) vor Unglück bewahren. Gemeinsam gestalten sie Bubas Alltag so unangenehm wie möglich und bauen sich gleichzeitig eine mäßig erfolgreiche Karriere als Provinztrickbetrüger auf. Aber dieses selbstquälerische System wird auf die Probe gestellt, als Buba auf eine alte Jugendliebe trifft. Es erweist sich als ziemlich kompliziert, diese zu umwerben und es sich dabei möglichst schlecht gehen zu lassen. Zum Glück ist sie Tätowiererin, so lässt sich ins Flirten zumindest ein bisschen Schmerz integrieren.

Das klingt zunächst einmal nach einem Stoff, aus dem man auch einen astreinen, zuschauerfolternden ARD-Mittwochsproblemfilm mit, igitt, Botschaft machen könnte. Aber Regisseur Arne Feldhusen und das Produzenten- und Autorenteam der "bildundtonfabrik", die auch schon "How to Sell Drugs Online (Fast)" und zuletzt "King of Stonks" gemacht haben, erzählen diese Geschichte zum Glück als tragikomisches Märchen.

Dazu gehört eine Form von Humor, die man mögen muss. Aber wenn das der Fall ist, wird man sehr zufriedengestellt. Ein Beispiel: Es ergibt natürlich keinen Sinn, dass der deutsche Schauspieler Bjarne Mädel und der österreichische Schauspieler Georg Friedrich gemeinsam sozialisierte Brüder sein sollen, aber der eine Deutsch und der andere Österreichisch spricht. Die auf Drehbuchebene liebevoll eingebaute Lösung: Durch einen Unfall hat der Bruder eine tückische Form des Hirntraumas erlitten, das ihn fortan damit straft, ein besonders gschertes Österreichisch zu sprechen.

In dieser Humortradition geht es weiter. Die lokale Albaner-Mafia besteht aus keinem einzigen Albaner, sondern nur aus Deutschen, die glauben, dass andere Deutsche besonders Angst vor Albanern haben. Und die große, übergeordnete Albaner-Mafia besteht auch nicht aus Albanern, weil - ach, es ist kompliziert.

Zwischen Sommerloch und Winter-Gas-Corona-Apokalypse kommt dieser kleine Film, der mit seinen 90 Minuten Laufzeit auch noch genau die Länge hat, für die man noch so etwas wie Konzentration aufbringen kann, jedenfalls gerade recht.

Buba, Deutschland 2022 - Regie: Arne Feldhusen. Buch: Sebastian Colley, Isaiah Michalski. Kamera: Yoshi Heimrath. Schnitt: Benjamin Ikes, Rainer Nigrelli. Mit: Bjarne Mädel, Georg Friedrich, Anita Vulesica, Soma Pysall, Maren Kroymann. Netflix, 90 Minuten.

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