Bryan Ferry im Interview:"Die Presse wird mich mit Jauche übergießen"

Der Sänger und Komponist Bryan Ferry hat seit je seinen eigenen Stil. Mit uns spricht er jetzt mal über die Queen, seine Hunde, Bob Dylan, Tony Blair und andere Diven.

Alexander Gorkow und Eckhart Nickel

Salon Nummer 18, Bayerischer Hof, München. Bryan Ferry, 61 Jahre alt, sieht umwerfend aus. Er ist deutlich lustiger gestimmt als beim Interview am selben Platz vor fünf Jahren. Damals malte er etwas depressiv mit der Fingerspitze Muster auf den Glastisch - es war die Zeit seiner Scheidung. Bryan Ferry trägt während des Interviews Schuhe von Berluti, die, wie er sagt, "hoffentlich ihrem Mythos standhalten". Dazu lässig eine Levis 606. Sakko und Hemd kommen von der Schneiderei Anderson & Shepherd aus der Savile Row. Er will ersichtlich viel lieber plaudern als reden.

Bryan Ferry

Bryan Ferry.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Mister Ferry, wie haben Sie letzte Nacht geschlafen?

Byan Ferry: Oho, wieso fragen Sie?

SZ: Sie sprachen bei unserem Interview vor fünf Jahren von . . .

Ferry: Schlafstörungen? Ich habe ein phänomenales Gedächtnis. Oft eine Höllenqual. Vielgestaltig anmutende Bilder, expressionistische Gesichter, sie lassen mich schlecht schlafen. Darüber sprachen wir? Na, sieh mal einer an!

SZ: Wie haben Sie letzte Nacht geschlafen?

Ferry: Wider Erwarten gut. Im Adlon in Berlin. Ich habe vorm Zubettgehen Weißwein getrunken. Was heißen soll: Es waren planmäßig einige Gläser zu viel. Der Wein hat mich dann . . . ja, wie eine Feder in den Schlaf gleiten lassen.

SZ: Sie bekommen nun hier in München . . .

Ferry: Verzeihung, dass ich Sie unterbreche: Ich habe am Heiligen Abend an Sie denken müssen. So, was sagen Sie jetzt?

SZ: Warum bitte das?

Ferry: Ich verbrachte den Heiligen Abend im "Mandarin Oriental" in Bangkok. Der Manager, Herr Wachtveitl, bedankte sich bei mir. Ich habe sein Hotel damals im Gespräch mit Ihnen wohl sehr gelobt.

SZ: Das haben Sie in der Tat. Und außerdem das Parkhotel in Bremen.

Ferry: Ein wunderschönes Hotel! Mit einem See davor. Kennen Sie es?

SZ: Fünf Jahre ist Ihre Empfehlung her - und wir waren immer noch nicht da.

Ferry: Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Jetzt kann ich nur sagen: Hoffentlich ist es noch, wie es mal war.

SZ: Man kommt nicht zwangsläufig nach Bremen . . . das war das Problem.

Ferry: Das Parkhotel ist ein Grund. Testen Sie es! Diesmal verlass' ich mich auf Sie!

SZ: Mister Ferry, Sie bekommen hier in München eine Auszeichnung: Sie sind nun in der "Diva Hall Of Fame".

Ferry: Dieser "Diva Award" - ich kenne ihn gar nicht. Es ist doch kein, wie soll ich sagen, zweifelhafter Preis?

SZ: Nein, eine würdige Auszeichnung.

Ferry: Da bin ich beruhigt. Ich dachte halt, es wäre eine Gelegenheit, um die schöne Stadt München wieder zu besuchen. Und mich unter Menschen zu begeben.

SZ: Dass Sie der "Gottvater des Stils" sind, wissen wir. Die "Sunday Times" kürte Sie dazu. Aber sind Sie eine Diva?

Ferry: Aber nein! Nun, habe ich vielleicht in seltenen Momenten Züge einer Diva? Ich versuche immer, ein fairer und höflicher Mensch zu sein. Aber hier und da bin ich zweifellos unausstehlich. Vor einem Auftritt zum Beispiel. Die Menschen stellen heute hohe Erwartungen an ein Konzert. Andererseits verbinden wir mit der Bezeichnung "Diva" Maria Callas - und die Gegenstände, die sie umherwarf. Ich dachte mal darüber nach, damit anzufangen, weil es in den Siebzigern viele Rockbands taten. Das erschien mir dann aber als zu prätentiös. Wie Sie wissen, waren wir bei Roxy Music dafür berühmt, Hotels nicht zu zerstören: Wir haben sie nur umdekoriert.

SZ: Ein geflügelter Spruch. Stimmte er?

Ferry: Durchaus. Wieso sollten wir in Zimmern übernachten, die . . . hm, zum Beispiel nicht schön möbliert waren? Wir haben diese Möbel dann vor die Zimmertür gestellt. In Kettenhotels können Sie das heute nicht mehr machen, die Möbel sind festgetackert.Nun ja. Auch Kettenhotels erfüllen Ansprüche.

SZ: Oft sogar hohe.

Ferry: Sagen wir, wenn man Glück hat: gewisse. Wir hatten damals auch Überwürfe dabei, die wir über jene Sachen legten, die uns nicht gefielen. Ich mag Stoffe, alte Möbel, allerlei, wie soll ich sagen . . .

SZ: Dinge.

Ferry: Ja. Dinge . . . Dinge. Ulkig. Oder?

SZ: Och, wieso nicht!

Ferry: Mag ich Dinge mehr als Menschen? Ich muss einmal darüber nachdenken. Dinge können Freunde sein.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Hunde Diven sind.

"Die Presse wird mich mit Jauche übergießen"

SZ: Sind Sie sicher?

Ferry: Nein. Das nun auch wieder nicht. Sagen wir: sie können gute Bekannte sein? Ich habe in meinem Haus einen Chintz, einen bizarr schönen Stoff, seit sicher 30 Jahren. Ein klares, tiefes Rot. Ein rotes Blumenmuster auf schlichtem weißem Grund. Keine weiteren Farben! Okay?

SZ: Okay.

Ferry: Gut. Neulich betrete ich den Malraum in meinem Haus. Und denke: Dieser Chintz, er ist ein alter Bekannter. Ich möchte ihn nie mehr missen, so vertraut ist er mir.

SZ: Befindet sich der alte Bekannte in Ihrem Londoner Haus? Oder in Ihrem Haus auf dem Land - in Surrey?

Ferry: Nein, nein, in das Landhaus würde er nicht passen, keinesfalls! Der Chintz befindet sich in London. In meinem Haus am Sloane Square. Da ist er zu Hause.

SZ: Reden Sie mit Gegenständen, Mr.Ferry?

Ferry: Oh, wie überaus großartig!

SZ: Was?

Ferry: Sie halten mich für extrem sonderbar, nicht wahr? Aber nein. So sonderbar bin ich nicht, dass ich mit Gegenständen in meinem Haus in Konversation trete!

SZ: Verzeihung.

Ferry: Amüsant!

SZ: Mit wem redet die Diva Bryan Ferry denn in ihrem Haus?

Ferry: Nun, mit den Kindern. Mit meiner Lebensgefährtin? Ja. Mit ihr auch. Davor redete ich mit meiner Frau, die aber inzwischen meine Exfrau ist. Wir haben uns vor ein paar Jahren scheiden lassen, wie Sie möglicherweise wissen. Eine bittere Geschichte. Ich ziehe es vor, kein Wort mehr darüber zu verlieren.

SZ: Wieso grinsen Sie?

Ferry: Na, nur so . . . Ich bin wohl guter Dinge.

SZ: Aber . . .

Ferry: Wir alle wissen, dass das Leben Stunden tiefer Bitterkeit bereithält, nicht wahr? Aber zurück zu meiner Konversation mit Menschen und Möbeln. Ich betreibe viel Konversation mit den Hunden.

SZ: Längere Vorträge?

Ferry: Ja. Sie sind treue Zuhörer. Eine schöne Illusion, die Hunde-Aufmerksamkeit! Ich weiß ja kaum, was dabei in denen vorgeht. Und ich befürchte: nicht viel.

SZ: Was sind das für Hunde?

Ferry: Es sind definitiv Diven. Charakterlich verdrehte und störrische Kerle.

SZ: Erzählen Sie mal!

Ferry: Was? Von meinen Hunden?

SZ: Genau.

Ferry: Interessiert Ihre Leser das?

SZ: Es gibt kein wichtigeres Thema in Deutschland als Hunde.

Ferry: Gut, also, da haben wir den Labrador Oscar. Er ist der Chef. Ein mürrischer Typ, kein lupenreiner Demokrat. Aber er hat ein gutes, melancholisches Herz. Oscar zur Seite steht der Labrador Louis, der hat diesen Namen, weil er Halbfranzose ist. Als müsse er einem Klischee gerecht werden, benimmt er sich reichlich aristokratisch, eine Diva par excellence. Ferner habe ich einen Border Terrier, der heißt Jock.

SZ: Border Terrier - die sind lebhaft, oder?

Ferry: So ist es! Völlig durchgedreht! Sie stammen von der Grenze zu Schottland, daher der Name. Sie wurden zur Fuchsjagd eingesetzt, eine schöne alte englische Tradition, die die unselige Labour-Regierung auf dem Gewissen hat. Border Terrier haben diese Bärte - wie aus dem 19.Jahrhundert. Jock sieht aus wie ein Seemannskapitän. Ich stelle ihn mir immer vor, wie er an seiner Pfeife 'rumraucht und die dummen Matrosen anbrüllt.

SZ: Drei Hunde also.

Ferry: Am Wochenende sind es mitunter fünf! Dann kommen noch die zwei Border Terrier meiner Exfrau dazu: Bobby und Spike. Spike ist der Vater von Jock. Er hat 17 Kinder, stellen Sie sich vor!

SZ: Oh, Ihre Exfrau sollte ihn kastr . . .

Ferry: Spike ist der größte Lover zwischen Chelsea und Knightsbridge! Bobby wiederum, er ist ein Freund von Spike. Hm, interessieren sich Ihre Leser . . . ?

SZ: Und wie! Weiter!

Ferry: Also, Spike und Bobby, gemeinsam mit Jock, Oscar und Louis: fünf Hunde. Das geht nur auf dem Land, in Surrey.

SZ: Dürfen wir mal etwas persönlich . . .

Ferry: Ich bin auf alles gefasst.

SZ: Wieso führen Sie am Wochenende die beiden Hunde Ihrer Exfrau aus?

Ferry: Das muss Ihnen sonderbar erscheinen, natürlich. Eine komplexe Geschichte.

SZ: Bitte, klären Sie uns auf?

Ferry: Es geht an den Wochenenden eher um die gemeinsamen Kinder. Die Hunde der Mutter sind dann manchmal mit dabei. Wenn sie mitdürfen. Sie verstehen?

SZ: Ah, die Papa-Wochenenden!

Ferry: Genau. Meine Exfrau und ich haben ein System entwickelt, das den Kindern ermöglichen soll, beide Elternteile zu genießen. Nicht unkompliziert, das System. Es erfordert mehr Aufwand als eine Welttournee, wie mir scheint.

SZ: Gerührt nehmen wir zur Kenntnis, dass auch Diven weltliche Sorgen haben.

Ferry: Glauben Sie mir, ich habe das, was man Bodenhaftung nennt. Ich bin ein . . .

SZ: . . . konservativer Mensch?

Ferry: Ja, womöglich.

SZ: Sie sagten mal, Sie seien konservativ.

Sagte ich das? Nun. Dann ist es wohl so. Was rede ich da bloß immer? Über Politik, über Schlafstörungen. Vielleicht war es eine Trotzreaktion?

SZ: Zu sagen, Sie seien konservativ?

Ferry: Ja. Eine Trotzreaktion auf die englische Presse. Ich habe immer gerne gute Anzüge getragen. Drum schrieben sie, ich sei konservativ. Dann schrieben sie: Ich sei ein Paradiesvogel. Ein konservativer Paradiesvogel. In guten Anzügen. Was auch immer. Ich meine, wir reden hier nicht über überwältigende Freude, über tiefes Leid, wir reden, wenn wir von der wundervollen englischen Presse reden: ausschließlich von der Oberfläche.

Lesen Sie im dritten Teil, wie Bryan Ferry den Bob-Dylan-Look definiert.

"Die Presse wird mich mit Jauche übergießen"

SZ: Der Maler David Hockney sagte, die Oberfläche sei nur eine Illusion . . .

Ferry: Hockney sagte aber auch, die Pointe . . .

SZ: . . . das, was hinter der Oberfläche ist, ist ebenfalls nur eine Illusion.

Ferry: So ist es. Ich denke oft darüber nach. Ich weiß nicht, ob Hockney recht hat. Womöglich. Womöglich aber auch nicht. Ein Anzug von der Savile Row erspart einem einiges an Trauer, verglichen etwa mit einem geliebten, aber schwer zu verstehenden Menschen . . . Oder?

SZ: Mister Ferry, die Beschreibungen Ihres Landlebens mit Hunden und Kindern, das klingt so idyllisch.

Ferry: Es ist wunderbar auf dem Land. Ich liebe es. Ein gefährdetes Idyll gleichwohl.

SZ: Warum?

Ferry: Weil Blair kein Gespür für Ästhetik hat. Er liebt die Natur nicht, er liebt die Menschen vom Land nicht. Es ist eine urbane Regierung, ohne jedes Flair. Wissen Sie, was Blairs Vize John Prescott für eine Idee hatte? Eine Million neue Wohnungen südwestlich von London! Drei Millionen neue Autos, die täglich nach London 'reinfahren. Das ist Politik vom Zentralkomitee. Alte rumänische Schule. Was für ein Idiot!

SZ: Gab es da nicht diverse Affären?

Ferry: Oh, ja, Prescott hatte eine Affäre mit seiner Sekretärin, in seiner Dienstwohnung in Whitehall. Die Sekretärin plauderte dann daheim im Schlaf. Dumm war, dass ihr Freund, ein Lastwagenfahrer, neben ihr lag. Der verkaufte das, was seine untreue Freundin redete, an die Yellow Press. Soviel zum Stilpotential unserer Regierung. Mir könnte übel werden.

SZ: Der Exzentriker Bryan Ferry ist - heute - eine konservative Diva vom Land.

Ferry: Es ist mir gleichgültig, was ich bin. Nicht gleichgültig ist mir, wie die Regierung das Land verschandelt. Den Sloane Square bauen sie gerade für 50 Millionen Pfund um, stellen Sie sich vor! Ein Platz, in vielen Jahrhunderten gewachsen. Sie wollen so den Stau bekämpfen. Aber was passiert, wenn Sie am Sloane Square durch den Ausbau von vier Spuren auf sechs Spuren den täglichen Stau beheben wollen? Es gibt natürlich einen Stau auf sechs Spuren! Das ist nunmal London. Was macht die Regierung auf dem Land? Sie stellt Schilder auf. Damit es die urbanen Ausflügler am Wochenende nicht aus der Kurve haut. In Surrey sind mehr Schilder als Bäume: "Achtung, drosseln Sie bitte die Geschwindigkeit schon mal freiwillig, denn noch vor der Abenddämmerung kommt eine Kurve, in der Sie sie eh' drosseln müssen!" Kurz darauf das nächste Schild: "Achtung, jetzt sollten Sie noch ernsthafter über die Kurve nachdenken, von der wir eben sprachen, denn bald ist sie da!"

SZ: Haben Sie Margaret Thatcher verehrt? Sie, als konservativer Landlord?

Ferry: Nein. Aber Blair, ich meine, er ist ein so sonderbarer Vogel, finden Sie nicht? Er ist keine Diva. Eine Diva wird verehrt. Blair hingegen sehnt sich zu sehr nach Verehrung. Man sieht ihm den Stress an. Sowas darf einer Diva nicht passieren.

SZ: Wäre Margaret Thatcher in die "Diva Hall Of Fame" gekommen?

Ferry: Sie wäre in die "Tough Cookie Hall Of Fame" gekommen! Oder? Wow, sie war ein strenges Mädchen, sie stand mit der Peitsche hinter dem gelobten englischen Volk, will ich meinen! Aber bitte, ich rede nicht gerne über Politik.

SZ: Okay . . .

Ferry: Wobei: Ich bin nächste Woche auf einem Gala Diner der Tories. Verrückt, oder?

SZ: Oh, mein Gott!

Ferry: Ja. Die englische Presse wird mich dafür mit Jauche übergießen. Es ist mir geradezu sensationell gleichgültig.

SZ: Wieso gehen Sie da hin?

Ferry: Ich werde David Cameron, den Spitzenkandidaten der Tory Party, kennenlernen. Wieso nicht? Ich bin interessiert, was er mir zu erzählen hat.

SZ: Er wird Sie einspannen.

Ferry: Er wird es vermutlich nicht schaffen, mich einzuspannen. Ich bin zu dieser Einladung auch eher per Zufall gelangt.

SZ: Wie?

Ferry: Ein Freund von mir ist ein sehr berühmter Dekorateur. Sie hatten ihn eingeladen. Nun gehe ich mit. Ich denke mal: als seine Gattin.

SZ: Als Gattin des Dekorateurs zu den Tories, das ist . . .

Ferry: . . .skurril. Ich finde es wirklich amüsant.

SZ: Damon Albarn schimpfte jetzt in einem Interview über Blair, oder: mehr über sich selbst. Er habe sich von Blair einst für den Wahlkampf einspannen lassen.

Ferry: Damon. Er hat gerade eine phantastische Platte gemacht: "The Good, the Bad and the Queen". Nun regt er sich auf? Zu spät, kleiner Damon! Man sollte sich nicht von Politikern einspannen lassen. Kann sein, dass sie kurz darauf in den Krieg ziehen.

SZ: Mister Ferry, auf Ihrer neuen und sehr schönen CD "Dylanesque" . . .

Ferry: . . . ich danke Ihnen . . .

SZ:. . . interpretieren Sie Songs von Bob Dylan. Ein Diva-Gipfeltreffen?

Ferry: Dylan ist mit Sicherheit die Diva der Popgeschichte. Was für Lyrics, oder? Und apropos Diva: Wie man weiß, macht er, so er mal den Mund aufmacht, keine Gefangenen! Er ist ein Schwert.

SZ: Haben Sie ihn getroffen?

Ferry: Nein, sonderbarerweise nie. Hm . . .

SZ: Würden Sie gerne mal?

Ferry: Nein. Ich meine: es ist nicht nötig. Ich liebe seine Songs. Bis zum Wahnsinn.

SZ: Worüber würden Sie mit ihm reden?

Ferry: Ich habe keine Ahnung. Möbel?

SZ: Ihre CD wird ihm schmeicheln.

Ferry: Ich weiß nicht, ob er sie hören wird. Er wird aber sowieso geschmeichelt sein.

SZ: Wieso?

Ferry: Er wird einen Scheck bekommen. Womöglich sogar mehrere. Tantiemen.

SZ: Endlich hört man diese schönen Lieder mal wieder von einem richtigen Sänger.

Ferry: Danke, danke! Aber Dylan ist doch kein schlechter Sänger. Diese Stimme, sie hat ihre sehr eigene Gravität, oder?

SZ: So kann man es sagen . . .

Ferry: . . . einigen wir uns darauf, dass Dylan ein großer Sänger ist. Der sich aber nur schwer vergleichen lässt mit, sagen wir: Aretha Franklin! Und denken Sie nur an seinen Look! Er wird heute von jungen Bands überall kopiert.

SZ: Definieren Sie bitte den Dylanlook?

Ferry: Ich nenne ihn seit ewig schon: den acceptable punk look. Ein leichter Hang zur Straße also, alles riecht ein wenig nach Opas Anzügen. Fern aber von diesem prätentiösen Punkquatsch mit Nadeln im Gesicht und Unterhosen, die über Jeans getragen werden, Sie verstehen . . . Sie finden den Dylanlook heute wieder bei jungen und großartigen Bands - wie Arcade Fire. Hm, ich bin froh, dass Ihnen meine CD gefällt. Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen.

SZ: Warum?

Ferry: Weil ich nur ein paar Tage brauchte, um sie einzuspielen! Sowas ist mir noch nie passiert. Wir waren wirklich nur ein paar Tage im Studio. Es war einfach die pure Lust . . . Seit Jahren basteln wir mit Roxy Music an neuen Songs, und sie werden und werden nicht fertig.

SZ: Wieso nicht?

Ferry: Nun, wenn wir von Diven reden, müssen wir auch von Brian Eno reden. Brian kommt Mal ums Mal ins Studio wie, ich weiß nicht: Michelangelo? Er putzt an einem Detail 'rum, Tage, Wochen. Dann löscht er alles. Und fängt wieder von vorne an. Mit dieser stoischen Art.

SZ: Wieso war bei er bei den letzten Tourneen von "Roxy Music" nicht dabei?

Ferry: Wir hatten ihn gar nicht erst gefragt.

SZ: Wie bitte?

Ferry: Glauben Sie mir, ich kenne ihn. Er ist nicht mehr zu haben für sowas. Eine Tour mit einer Rockband? Brian hält solche Ideen für skurrilen, ja irrealen und übrigens auch unzeitgemäßen Unsinn.

SZ: Mister Ferry, haben wir eine Diva vergessen? Was ist mit der Queen?

Ferry: Ich liebe sie. Sie geht ihrer Berufung mit großer Würde nach. Mit großer Würde!

SZ: Sie wurde vor zehn Jahren massiv attackiert vom britischen Volk.

Ferry: Sie spielen auf den Tod der armen Prinzessin Diana an, womöglich auch auf diesen außergewöhnlich guten Kinofilm von Stephen Frears jetzt, nicht wahr?

SZ: Ja.

Ferry: Ich stand schon damals auf Seiten des Königshauses. Natürlich war ich in der Minderheit. Aber wenn es nach der Presse und also nach der Mehrheit gegangen wäre, hätte Elizabeth gemeinsam mit ihrem schlecht gelaunten Ehemann ein Musical vorm Buckingham Palace aufführen müssen - eine Song& DanceTragedy! Die Königin zog es vor, diesen Irrsinn nicht mitzumachen. Hat das Volk immer recht? Ich meine: nein. Niemand hat das Recht, die Qualität der Trauer eines anderen Menschen zu bewerten. Und das Königshaus darf sich nicht von Stimmungen leiten lassen, die noch dazu durch eine geisteskranke Presse geschürt werden, nein, nein! Es gibt da übrigens ein Detail in Frears' Film, das ich sehr liebe . . .

SZ: Nämlich?

Ferry: Als Blair von seiner Frau angestaucht wird, dass er gefälligst das dreckige Geschirr in die Küche tragen soll. Zuvor gab es Fischstäbchen! Hinreißend!

SZ: Sollten wir nicht noch der Schwester der Queen gedenken, Mister Ferry?

Ferry: Margaret? Eine Göttin! Sie hatte die schönsten Augen, die ich je sah. Sie waren lila, die Augen! Sie war eine Diva!

SZ: Wo haben Sie sie getroffen?

Ferry: Das letzte Mal: auf dem Flughafen von Mustique. Sie müssen wissen, dass der Flughafen dieser Insel so groß ist wie der Salon hier. Sie war schon krank. Da stand sie, mit ihrer Zigarettenspitze, rauchte und redete, ihre dunkle Stimme, diese schöne, unglückliche Person. Meine Kinder waren noch klein, sie wuselten umher wie Entenküken. Jedenfalls, plötzlich schaut sie mich an mit ihren lila Augen, und krächzt: "Wueeell, Mister Ferrray, ya little ones, thaay are a little bit ducky, aren't thaay? Lovelaay!" Margaret, auch sie war eine Königin . . .

SZ: Fürchten Sie sich vor Frauen?

Ferry: Wieso fragen Sie?

SZ: Einer wie Sie muss es doch wissen: Sind Frauen nun zum Fürchten oder nicht?

Ferry: Ich ängstige mich vor den Frauen wie kein Zweiter. Natürlich. Ja ja. Aber . . .

SZ: Aber?

Ferry: Sie sind andererseits oft anziehend. Und wir Männer brauchen sie, die Frauen.

SZ: Warum eigentlich noch mal?

Es ist nicht populär, das zu sagen: Frauen passen nunmal sehr gut auf uns auf.

Der Engländer Bryan Ferry gilt seit der Gründung seiner Band "Roxy Music" 1972 als Stilikone des Pop. Als brillanter Sänger und avancierter Komponist blickt er auf eine beispiellose Karriere zurück. Am 5. März erscheint sein neues Soloalbum "Dylanesque", an einer neuen CD für "Roxy Music" wird seit Jahren gearbeitet. Im Rahmen einer Europatournee gibt Bryan Ferry einige Konzerte in Deutschland: am 31.März in Frankfurt, am 1. April in Hamburg, am 2. April in Berlin und am 4.April in Düsseldorf.

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