Bruce Naumann zum 70. Geburtstag:Sisyphos und der amerikanische Traum

Bruce Naumann hat sich in seinen Performances stets am Menschen abgearbeitet. Körper und Sprache sind seine Materialien, die Wiederholung, das Minimalistische seine Form. An diesem Dienstag wird Nauman 70 Jahre alt. Kein Alter, um sich zurückzuziehen.

Astrid Mania

Leicht hat er es seinem Publikum nie gemacht. Er hat es angebrüllt und fortgejagt ("Get Out of My Mind, Get Out of This Room", 1968). Ihm das groteske Gewimmer eines leidenden Clowns zugemutet ("Clown Torture", 1987). Ihm ereignislose Bilder seines nächtlichen Ateliers vorgesetzt ("Mapping the Studio I (Fat Chance John Cage)", 2001). Es in verwirrende Korridore gezwängt ("Korridor mit Spiegel", 1970). Geschadet hat es ihm nicht. Im Gegenteil, Bruce Nauman zählt zu den erfolgreichsten Künstlern der Gegenwart - sowohl auf dem Markt als auch in den Institutionen.

BRUCE NAUMANN-AUSSTELLUNG IN DUISBURG

In Naumanns Installation "Karussell" drehen sich metallene Tierkadaver scheinbar stranguliert, langsam im Kreis.

(Foto: DPA)

Die Ausstellungsmacher begeisterten sich schon früh für den sperrigen Künstler, sein genre- und materialreiches Werk. Bereits 1968 war er auf der 4. Documenta in Kassel vertreten, es war nicht seine letzte. Nahezu alle wichtigen Institutionen widmeten ihm große Schauen, in Deutschland war er erst im vergangenen Jahr im Hamburger Bahnhof in Berlin zu sehen. Und dass er auf der 53. Biennale von Venedig 2009 für seinen US-amerikanischen Pavillon den Goldenen Löwen erhielt, muss man wohl als Ehrung für sein Lebenswerk verstehen - war der Pavillon doch fast eine Retrospektive. Hier vereinten sich die wortspielerischen, die großen menschlichen Themen annoncierenden Neonwerke mit den vereinzelt schwebenden Körperteilen, aneinandergefesselten Köpfen und interagierenden Händen.

Nauman ist immer beim Menschen, und irgendwie ist er immer bei sich. In Interviews gibt er zu, dass seine Werke verallgemeinernde Selbstporträts sind. Entsprechend vereinzelt bleiben seine Protagonisten. Gefangen in sich, im Schmerz oder einer Art Beckett'schen Unentrinnbarkeit. Rufe, Worte werden zu endlosen Sequenzen; Gesichter, Köpfe rotieren in einem ewigen Loop. Selbst wenn Nauman sich oder seinen Figuren Bewegung zugesteht, wird sie nie raumgreifend, bleibt sie albtraumartig beschränkt.

In der frühen Performance "Walking in an Exaggerated Manner around the Perimeter of a Square" (1967/68) etwa bewegt sich Nauman wie ein auf Zeitlupe heruntergedimmter Seiltänzer über ein auf den Boden geklebtes Quadrat. Sogar im Video "Setting a Good Corner (Allegory and Metaphor)", 1999), das Nauman beim Einschlagen von Eckpfosten auf seiner Ranch in New Mexico zeigt, haftet der körperlichen Tätigkeit eine Zwanghaftigkeit an. Hier schleicht sich Sisyphos in den amerikanischen Traum von der handfesten, zupackenden Besiedelung des Westens.

Seinen Themen ist Nauman, der sich zwischen konventioneller Plastik, Performance, Video- und Objektkunst bewegt, auf beharrliche Weise treu geblieben. Körper und Sprache sind seine Materialien, die Wiederholung, das Minimalistische seine Form. An diesem Dienstag wird Nauman, der 1941 in Fort Wayne, Indiana, geboren wurde und sich vor seinem Kunststudium für die Fächer Mathematik und Physik eingeschrieben hatte, siebzig Jahre alt. Die Frage nach einem Rückzug erübrigt sich angesichts seines Werks.

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