Britpop:Ehrgeizig englisch

Bequerels

Die Uniformen sitzen, der Sound der neuen Aufnahmen auch - mit einer Crowdfunding-Aktion haben die Becquerels ihr neues Album vorfinanziert.

(Foto: Veranstalter)

Mit neuem Namen und Britpop-Sound versuchen die "Becquerels" ein Comeback. In der Milla stellen sie am Freitag ihr neues Album "In A State of Blitz" vor

Von Jürgen Moises

Vor exakt zwei Wochen ist "The Magic Whip" erschienen, das Comeback-Album von Blur, einer der wichtigsten Britpop-Bands der 1990er. Dass die Becquerels heute Abend in der Milla mit ihrem Debütalbum "In A State of Blitz" nun ihre Münchner Variante des Britpop vorstellen, ist wohl ein totaler Zufall. Aber sollte mit der Wiederkehr von Blur, die in den UK-Charts sofort auf Platz Eins geschossen sind, doch so etwas wie ein kleines Britpop-Revival in der Luft liegen, dann hätte das Münchner Quintett einen guten Augenblick für "In A State of Blitz" erwischt. Und sie hätten mit "The Second Coming" darauf auch gleich das programmatisch passende Lied. Zu wünschen wäre es den Becquerels. Denn tatsächlich ist "In A State of Blitz" auch für die Band selbst so etwas wie ein "second coming", eine Wiederkehr.

Bis vor ein paar Jahren hießen die Becquerels nämlich noch Lagoon. Als Quartett mit einer Vorliebe für britische Bands wie Oasis, Kula Shaker oder The Verve erspielten sie sich in Münchner Clubs einen guten Ruf, der größere Sprung über die Lokalszene hinaus blieb aber aus. Mit dem Sänger und Gitarristen Mel Becquerel (ein Pseudonym, wie bei allen Bandmitgliedern) als neuem, fünftem Mitglied kam dann auch der neue Bandname. Und damit der Antrieb, es insgesamt noch einmal neu, mit noch mehr Ehrgeiz zu versuchen. Dieser prägte bereits die erste Becquerels-EP, und er prägt noch deutlicher das neue Album und dessen Produktion. Das entstand nämlich nicht im Proberaum in Erding. Auch nicht in Hongkong, wo Blur ihren Britpop neu erfunden haben. Sondern in England. Das heißt genau: In der Grafschaft Kent, wo die Becquerels ihre Songs mit Produzent Sean Kenny in dessen Ten21 Recording Studios aufgenommen haben. Gemischt wurde es in London von Chris Brown, und gemastert hat es Sean Magee in den legendären Abbey Road Studios - auf analogen Original-Mischpulten aus den 1970ern.

Wer sich mit der britischen Popszene gut auskennt, bei dem hat es im Kopf vielleicht geklingelt. Chris Brown hat schon Songs von Radiohead, Muse, Damon Albarn oder Ride gemischt. Sean Magee stand mit Placebo, Franz Ferdinand oder bei "The Beatles Remasters" im Studio. Die Beatles hat man bei den Abbey Road Studios auch so sofort im Kopf. Große Namen, an die die Band laut Bassist Joe Becquerel unter anderem über Sean Kenny gekommen ist, der schon ihre EP - damals in Manchester - aufgenommen hat. Andererseits hat ihnen auch die Digitalisierung indirekt dazu verholfen. "Allein in London haben in den letzten drei Jahren viele renommierte Studios dichtgemacht, da die Computertechnik einfach alles obsolet macht", so Joe. Weshalb Studios und Engineers, "die man vor Jahren nur über große Labels bekommen hätte", inzwischen auch "für kleinere Acts" buchbar sind. Vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld.

Bei "In A State of Blitz", an dem die Münchner drei Jahre gearbeitet haben und das regulär im Sommer erscheint, lagen die Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich. Kosten, die sie unter anderem über eine Crowdfunding-Aktion vorfinanziert haben. Und die sich laut Joe und Mel Becquerel gelohnt haben. Nicht nur wegen der sehr kraftvollen und differenzierten Produktion. Sondern auch, weil Sean Kenny in den insgesamt vier Aufnahmesessions an Arrangements und Lyrics mitgefeilt hat. Seine Erfahrung war, so Mel Becquerel, Gold wert. "Und wer hätte gedacht, dass wir je eine Tuba oder Triangeln auf dem Album hören würden?" Die hört man tatsächlich, auch ein Saloon-Piano, eine Violine und noch weitere Bläser, die teilweise in Richtung Mariachi-Sound gehen und den Songs einen gehörigen Drive geben. Einer der Trompeter hat übrigens früher bei Kula Shaker gespielt: eines der größten Vorbilder der Münchner. Die erfuhren das aber erst im Studio, als der Trompeter von einer Band mit "komischem Namen" erzählte. Wieder so ein Zufall, aber auch in dem Fall vielleicht nicht der schlechteste.

Becquerels: Record Pre-Release, Fr., 8. Mai, 21 Uhr, Milla, Holzstr. 28

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