In diesem Monat will die britische Regierung die Ausstiegsverhandlungen mit der EU eröffnen. Unser Londoner Kolumnist beschreibt, wie der bevorstehende Brexit jetzt schon den Alltag verändert.
Wenn Eheleute es siebzig Jahre miteinander aushalten, feiern sie "Gnadenhochzeit". Entsprechend feiern die Städte Oxford und Bonn in diesem Jahr ihre "Gnadenpartnerschaft", eines der ältesten deutsch-britischen Nachkriegs-Twinnings überhaupt, 1947 geschlossen - lange vor der Gründung der Europäischen Union.
Die EU ist aber nun mal das Thema der Stunde. Wird es also ähnlich heiter und jovial wie sonst zugehen Ende Mai, wenn die Gäste aus dem Rheinland zur "Bonn-Week" nach Oxford kommen? Wird ein brexitförmiger Schlagschatten über den traditionellen Volkstänzen der Morris Dancers liegen? Gibt es vielleicht sogar eine stillschweigende "Don't mention Brexit"-Übereinkunft?
Brexit-Kolumne:Der Trick bei der Brexit-Toblerone
In Großbritannien steigen die Preise. Das verlangt beim Wochenendeinkauf in London neuerdings Tastsinn und Kopfrechnen.
Vor zwanzig Jahren, zum Fünfzigsten der Städtepartnerschaft, lagen solche Erwägungen noch in weiter Ferne. Oxford säuberte den Bonn Square, damals ein ziemlich ödes Asphaltkarree; in der viktorianischen Town Hall gab es einen Empfang mit schönen Reden und Miniwürstchen im Schlafrock; die Christ Church Cathedral lud zu einem ökumenischen Gottesdienst ein.
Höhepunkt der Feiern zum goldenen Jubiläum war ein Umzug durch die Oxforder Innenstadt. Bei brütender Frühsommerhitze rollten ein paar Gefährte, darunter ein offener Doppeldecker-Bus mit sogenannten VIPs aus beiden Städten, an den Colleges vorbei über die High Street. Die meisten Passanten, in der Mehrheit Touristen und Studenten, schienen zwar nicht so recht zu wissen, worum es ging, winkten aber dennoch vorsichtshalber.
Dank Brexit eines Besseren belehrt
Das Schönste an diesem Umzug war, dass vorneweg eine Abordnung der (ebenfalls 1947 gegründeten) Bonner Prinzengarde e. V. marschierte, obwohl leider niemand "Alaaf!" rief. Damals dachte man: Das ist das erste und letzte Mal, dass der rheinische Karneval eine derart zentrale Rolle bei einer britischen Parade spielt.
Aber wie so oft in diesen Tagen werden wir dank Brexit eines Besseren belehrt. Die Anti-Brexit-"March for Europe"-Demonstration am 25. März in London hat sich dem Vernehmen nach einen Mottowagen vom Düsseldorfer Rosenmontagszug gesichert.
Die Pappmaschee-Figur von Theresa May, die sich eine Pistole mit der Aufschrift "Brexit" in den Mund steckt, war schon auf dem Weg zum Schredder, da erreichte die Düsseldorfer eine Anfrage der "March for Europe"-Veranstalter, ob sie den Aufsatz zweitverwerten könnten.
Schön wäre eine panrheinische Solidaritätsgeste
Sie können, und nun soll der Karnevalswagen einem Demonstrationszug voranfahren, der ein bisschen größer sein wird als die Oxforder Parade vor zwanzig Jahren. Um die 100 000 Menschen werden erwartet; sie wollen gegen den britischen "Sabotageakt an der europäischen Idee" protestieren.
Es wäre natürlich zu schön, wenn die Bonner Prinzengarde der suizidalen Papp-Theresa dabei Geleitschutz geben würde, gleichsam als panrheinische Solidaritätsgeste. Aber das würde die Feiern zur Gnadenpartnerschaft dann vielleicht doch über Gebühr belasten.