Breivik plagiiert "Unabomber":Kampf der Moderne

Sein Manifest wurde ihm zum Verhängnis: Der amerikanische Mathematiker Theodore Kaczynski konnte 1996 anhand seines Schreibstils überführt werden. Er hatte drei Menschen getötet und 23 teils schwer verletzt, um im Sinne des Anarcho-Primitivismus gegen die industrielle Revolution zu kämpfen. Offenbar hat Anders Behring Breivik bei ihm abgeschrieben.

Andrian Kreye

Einer der geistigen Paten des Manifests ist der amerikanische Mathematiker Theodore Kaczynski, der von 1978 bis 1995 als Unabomber insgesamt 16 Briefbomben an amerikanische Universitäten und Fluglinien schickte. Drei Menschen tötete er mit seinen Sprengsätzen, 23 verletzte er zum Teil schwer. Seinen Decknamen hatten ihm die Fahnder gegeben - "University and Airline Bomber". Der heute 69-Jährige gilt als hochintelligent und war fast zwanzig Jahre lang der meistgesuchte Terrorist der USA.

KACZYNSKI

Sein Bruder erkannte den Schreibstil des in der "New York Times" und der "Washington Post" veröffentlichten Manifests: Der Unabomber Theodore Kaczynski, der insgesamt drei Menschen tötete und 23 schwer verletzte, sitzt nun im Gefängnis. Und das lebenslang.

(Foto: AP)

Ähnlich wie Breivik verfasste Kaczynski ein Manifest, das schließlich zum Kern seiner Anschläge wurde. Im April 1995 verschickte er das Traktat "Industrial Society and its Future" (Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft) an mehrere amerikanische Zeitungen und bot an, seine Anschläge zu stoppen, wenn der Text innerhalb von drei Monaten ungekürzt in der Zeitung erschiene. Am 19. September veröffentlichten die Washington Post und die New York Times das "Unabomber Manifesto" als Sonderbeilage von acht Zeitungsseiten.

Im Kern orientierte sich das Manifest am Anarcho-Primitivismus, der sich in Amerika auf Henry David Thoreaus Grundlagenwerk "Walden or Life in the Woods" von 1854 bezieht. Ähnlich wie der Philosoph Thoreau hatte auch Kaczynski der Zivilisation den Rücken gekehrt und lebte seit 1971 in Lincoln, Montana, in einer Blockhütte.

Breivik nennt Kaczynski in seinem Traktat nicht beim Namen. Doch er scheint das Unabomber-Manifest in Teilen kopiert zu haben. Da findet sich vor allem Kaczynskis Kritik an der Linken, die nichts anderes sei als die Ersatzhandlung einer ohnmächtigen Gesellschaft, die den zerstörerischen Kräften der industriellen Revolution ausgeliefert sei. Er hoffe auf einen Punkt in der Menschheitsgeschichte, an dem die technologische Zivilisation zusammenbricht.

Mehrere Strategien empfiehlt er dafür. Zum einen die Erhöhung gesellschaftlicher Stresserscheinungen, um das System zum Kollabieren zu bringen. Er unterstützt eine Förderung von Freihandelsabkommen und immer größeren Vernetzungen, um das System zunehmend zu destabilisieren. Und er fordert die Entwicklung und Verbreitung einer antitechnologischen Ideologie.

Breivik ersetzte die "Linke" in einigen Passagen einfach durch "Multikulturalismus" und "Kulturmarxismus". Doch es war nicht nur der Anarcho-Primitivismus Kaczynskis, der Breivik inspirierte. Es war die Strategie des Unabombers, Taten nicht als Terrorstrategie, sondern als Vehikel für die Verbreitung seiner Ideen und Strategien zu betrachten.

Ted Kaczynski wurde sein Manifest zum Verhängnis. Sein Bruder David, Sozialarbeiter in Albany, New York, erkannte in dem veröffentlichten Text den Stil Ted Kaczinskys. Am 6. April wurde der Unabomber in seiner Hütte verhaftet. Heute verbüßt er eine lebenslange Haftstrafe.

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