Brauchtum - Oberursel (Taunus):Hessens Chöre versuchen Neustart in Corona-Pandemie

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Oberursel/Kassel (dpa/lhe) - Nach einer Pause wegen der Corona-Pandemie versuchen Hessens Sänger wieder ihrem Hobby nachzugehen. "Die Chöre fangen gerade wieder ein bisschen mit Proben an", sagt Annette Jungjohann, Sprecherin des Hessischen Sängerbundes in Oberursel. Der größte Chorverband Hessens hat rund 1350 Mitgliedsvereine und ungefähr 2200 Chorgruppen. Dabei hätten es gerade die Chöre in der Krise besonders schwer. Viele Mitglieder vermissten neben dem Singen das soziale Miteinander.

Einheitliche Hygiene-Regeln für Chöre in Hessen gibt es nicht. Das Land Hessen empfiehlt nur, "auf Chorgesang und anderes gemeinsames Singen in geschlossenen Räumen oder ohne Mindestabstand von mindestens 3 Metern zu verzichten". Der Sängerbund rät daher, sich mit dem örtlichen Gesundheitsamt abzusprechen und nach den Auflagen zu fragen. Sollte das Singen mit Masken Vorschrift sein, sei das unbefriedigend, aber "an oberster Stelle steht der Schutz der Mitglieder", erklärt Jungjohann.

Unter freiem Himmel gilt Singen mit Abstand als relativ sicher. Allerdings ist die Akustik schlecht. Das macht Sänger erfinderisch: "Einige singen und proben in Ruinen, da geht der Schall nicht so schnell weg", sagt Jungjohann. Allerdings habe nicht jeder Chor eine Ruine zur Verfügung. Auch unter Bäumen zu singen, könne die Akustik leicht verbessern. Einige Chöre teilten sich auch auf und probten dann mehrfach. "Das ist dann eine Herausforderung für die Chorleiter."

Auch Karl-Heinz Wenzel vom Mitteldeutschen Sängerbund mit rund 580 Chören berichtet von kreativen Notlösungen: "Teilweise wird in Räumen mit großen Fenstern gesungen, in denen Durchzug herrscht." Auch in Scheunen mit offenen Toren oder im Freien werde geprobt. Das sei jedoch keine Dauerlösung besonders mit Blick auf den Herbst. Das Singen mit Mundschutz sei nicht wirklich sinnvoll. Unterdessen liege das Vereinsleben in vielen Chören brach: Alle geplanten Konzerte seien abgesagt, Workshops und Fortbildungen fielen aus. Wenzel befürchtet daher, dass Gesangformationen ganz verschwinden: Viele Chöre, die sowieso überaltert waren und nun ein halbes Jahr nicht gesungen hätten, würden womöglich aufgeben.

Dabei ist nicht abschließend geklärt, wie gefährlich Singen wirklich ist. Dazu gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Ansichten. So kamen Forscher der Harvard Medical School kürzlich zu dem Schluss, dass die Virusübertragung mittels Aerosolen - kleiner ausgeatmeter Partikel - bei Covid-19 nicht der Hauptweg der Verbreitung sein könne. Bei anderen Krankheiten wie Masern stecke ein Infizierter so viel mehr Personen an als bei Sars-CoV-2. Der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch, wies aber darauf hin, dass ein infizierter Sänger durch das Singen besonders viele Aerosole produziere.

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