Brauchtum - Berlin:Vietnamesen in Deutschland feiern Neujahr

Berlin
Trommler beim Tet-Fest des Vereins "Vietnamesen in Westsachsen". Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Wilkau-Haßlau/Gera (dpa) - Gerahmt von großen Bildern mit blühenden Bäumen und Pfauen haben sich gut ein Dutzend junge Männer auf der Bühne postiert. Sie tragen Stirnbänder und Kleidung in Rot und Gold, Vietnams Nationalfarben. Dann schlagen sie ihre großen Trommeln und läuten so vor mehr als 500 Zuschauern das Tet-Fest in Wilkau-Haßlau ein. Tet ist die geläufige Abkürzung für Tet Nguyen Dan - zu Deutsch "Fest des ersten Morgens". So wie hier in der Nähe von Zwickau feiern diese Tage bundesweit Vietnamesen ihr wichtigstes Fest fernab der alten Heimat, wünschen sich gegenseitig Gesundheit, Glück und Erfolg im neuen Jahr.

"Tet ist für uns wie Weihnachten", erklärt Nguyen Chinh Duc. "Dann kommen alle Kinder nach Hause und werden die Häuser mit Mandarinen- oder Pfirsichbäumen geschmückt." Eingeladen würden dabei auch Freunde und Nachbarn, erklärt der 62-Jährige. So wie hier in der Stadthalle. Duc betreibt ein Textilgeschäft in Gera und steht in der Ostthüringer Stadt dem Vietnamesischen Verein vor. An diesem Abend ist er der Einladung des sächsischen Partnervereins gefolgt und hat für das Kulturprogramm eine Frauengruppe mitgebracht. Sie wird später auf der Bühne mit roten Schirmchen einen traditionellen Tanz aufführen.

Das Datum des vietnamesischen Neujahrsfestes richtet sich nach dem Mondkalender, so wie unter anderem auch in China. In diesem Jahr fällt es auf den 25. Januar. Die Feierlichkeiten werden im Reich der Mitte jedoch vom Ausbruch des neuartigen Coronavirus überschattet, der dort bereits für Todesfälle gesorgt hat. Der Neujahrstag 2020 läutet das Jahr der Ratte ein. Hierzulande wird eher vom Jahr der Maus gesprochen - weil die Ratte in Europa anders als in Asien kein gutes Image hat, wie Wilfried Lulei von der Deutsch-Vietnamesischen Gesellschaft erklärt. Er hat viele Jahre an der Humboldt-Universität in Berlin zu Vietnam geforscht. "Das Tet-Fest wird dort tagelang gefeiert und dann ruht das öffentliche Leben, haben Behörden geschlossen." Auch werde der Ahnen gedacht. "Insgesamt sind die Feiern in Deutschland sehr ähnlich denen in Vietnam: Man singt, lacht, tanzt, und es wird vor allem viel gegessen", berichtet Lulei.

So werden auf den langen Tischen in Wilkau-Haßlau der Tradition folgend Klebreiskuchen serviert, Frühlingsrollen, gebratenes Hühnchen und Gurkenscheiben. Zum Naschen stehen Streifen von kandiertem Kokosfleisch bereit. Derweil werden hübsch verzierte kleine Kuverts durch die engen Reihen gereicht, in denen Cent-Stücke samt Glückwünschen stecken. Zur Feier gehört auch ein Feuerwerk, das Unglück und böse Geister des Vorjahres vertreiben soll.

In Deutschland leben laut Mikrozensus 2018 rund 185 000 Menschen vietnamesischer Abstammung. Am größten ist ihre Zahl in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Nach dem Vietnamkrieg kamen viele von ihnen als Flüchtlinge - sogenannte Boatpeople - nach Westdeutschland und holten später Verwandte nach. Anders in der ehemaligen DDR: Sie nahm Zehntausende Vietnamesen als Studenten und Vertragsarbeiter auf. Sie gelten in den neuen Bundesländern als älteste Zuwanderungsgruppe. Heute gibt es in Ostdeutschland laut Statistischem Bundesamt noch etwa 31 000 Menschen mit vietnamesischen Wurzeln.

"Die meisten Vietnamesen sind sehr integrationswillig", weiß Lulei. "Sie feiern nicht nur Tet, sondern auch ganz normal Weihnachten und Silvester." Das Tet-Fest sei aber eine gute Gelegenheit, ihre Kultur kennenzulernen. "Immer häufiger laden sie auch Einheimische und Kollegen dazu ein." Doch sind die Feiern nicht auf den Neujahrstag selbst beschränkt. So wird in Wilkau-Haßlau schon eine Woche vorher gefeiert, in Gera steigt die Party erst am 2. Februar. So könnten sich seine Landsleute gegenseitig besuchen und bei der Ausgestaltung unterstützen, erklärt Duc.

Bei der Tet-Feier in Westsachsen, zu der auch einige Bürgermeister der Region ebenso wie ein Kamerateam des vietnamesischen Fernsehens VTV gekommen sind, macht sich große Heiterkeit breit. Die Besucher prosten sich zu, und eine Männertanzgruppe hat die Bühne erobert. In orientalischen Kostümen sorgen sie mit einer Art Bauchtanz für Stimmung und werden dafür mit roten Rosen überhäuft. Auch Duc lacht vergnügt. Die Gruppe aus Plauen werde auch bei der Feier seines Vereins in zwei Wochen mit von der Partie sein, sagt er verschmitzt.

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