Süddeutsche Zeitung

Boxer-Drama:Wie die Väter, so die Söhne

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In "Creed II" wird ein Trauma aus der "Rocky"-Saga erinnert und bewältigt: der Tod von Apollo Creed.

Von Anke Sterneborg

Die weißen alten Männer müssen jetzt tatsächlich ein paar Plätze räumen, und kaum einer hat das so würdevoll und melancholisch getan wie Sylvester Stallone als Rocky Balboa in "Creed", im siebten Film der von ihm erschaffenen Rocky-Saga. Statt selber noch einmal in den Ring zu steigen, blieb er als väterlicher Freund und sportlicher Mentor für den unehelichen Sohn seines ehemaligen Gegners und Freundes Apollo Creed in der Ecke, in einem Film, der Vater-Sohn-Story, Ode an die Männerfreundschaft, Liebesgeschichte und Boxerdrama elegant verwob. Kreativ hatte der afroamerikanische Regisseur Ryan Coogler den Staffelstab und die Kontrolle übernommen. Zwischen Traditionsbewusstsein und Aufbruch katapultierte er die Filmreihe in eine neue Zeit, in der schwarze Boxer endlich mehr sein dürfen als nur muskulöse Nebenfiguren.

Inzwischen ist Coogler allerdings mit seinem "Black Panther", dem ersten schwarzen Comic-Superhelden im eigenen Blockbusterfilm, so ausgelastet, dass er für "Creed II" nicht mehr zu haben war. Außerdem hat er auch bereits ein weiteres Projekt mit seinem Langzeit-Verbündeten, dem Adonis-Creed-Darsteller Michael B. Jordan, in Arbeit. Also bekam mit Stephen Caple Jr. ein weiterer junger afroamerikanischer Indie-Regisseur seine Chance. Der hatte vorher zwar noch nicht so ein zugleich kämpferisches und poetisches kleines Meisterwerk erschaffen wie Coogler mit "Nächster Halt, Fruitvale Station", aber doch immerhin mit "The Land" ein atmosphärisch dichtes Coming-of-Age-Stück zwischen Skater Boys und Drogendealern auf den nächtlichen Straßen von Cleveland vorgelegt.

Nun also Ring frei für die zweite Runde des jungen Adonis Creed. In den drei Jahren seit seinem Test im ersten Film hat er sich bis zur Schwergewichtsmeisterschaft durchgeboxt und steht auch sonst sicher in einem gut sortierten Leben. Er hat die unterschiedlichen Welten seines Vaters und seiner Mutter in sich versöhnt, hat die Freundschaft zu Rocky Balboa und die Liebe zur Sängerin Bianca gefestigt und steht im Zenit seiner Karriere. Eigentlich gibt es nichts mehr zu erzählen, also muss eine neue Herausforderung her.

Dafür hat Sylvester Stallone als Co-Autor den vierten "Rocky"-Film angezapft, und mit dem schwedischen Hünen Dolph Lundgren und der dänischen Amazone Brigitte Nielsen wichtige Akteure von damals zurückgeholt. Das Ganze war von Anfang gut vorbereitet, denn schließlich ist Adonis Creed der Sohn von Apollo Creed, der einst, im noch während des Kalten Krieges spielenden "Kampf des Jahrhunderts", von der russischen Kampfmaschine Ivan Drago im Ring getötet wurde. Ein wunder Punkt für alle Beteiligten: für Creed, weil er seinen Vater verloren hat, für Rocky, weil er den Kampf hätte abbrechen müssen, für Drago, weil das der Anfang vom Ende seiner Karriere und seiner Ehe war, denn danach war es für Rocky Balboa natürlich eine Frage der Ehre, ihn zu schlagen. Wenn sich Adonis jetzt auf die Herausforderung von Ivan Dragos Sohn Viktor einlässt, weht noch ein wenig der frostige Wind des Kalten Krieges durch den Ring - doch in Wirklichkeit geht es um die Versöhnung mit der eigenen Geschichte, und darum, dass Adonis und Rocky bessere Väter werden können.

Nun ist es ja immer ein bisschen undankbar, Geschichten weiterzuspinnen, deren Welten ein anderer erfolgreich etabliert hat. Im Grunde bleibt Stephen Caple Jr. kaum etwas anderes übrig, als die gelungene Balance zwischen Gefühl im Leben und Action im Ring zu halten, die Coogler geschaffen hat, und ansonsten für Stimmung in Kneipen, Wohnungen und Trainingshallen zu sorgen. Das gelingt ihm ganz gut, wenn auch ohne große Überraschungen. Bei ihm zieht sich Rocky Balboa noch ein bisschen weiter zurück aus der Geschichte, ist aber wieder da, wenn er gebraucht wird. Was Caple Jr. hinzufügt, sind neue Bilder aus einem Trainingslager, nicht in stickigen Boxhallen, sondern in der Weite der Wüste, wo Adonis Creed vor allem den Körper, aber auch Geist und Seele für den großen Kampf vorbereitet, den er in der ersten Runde böse geschunden verloren hat.

Creed II , USA 2018. Regie: Stephen Caple Jr., Buch: Cheo Hodari Coker, Ryan Coogler, Sylvester Stallone, Sascha Penn, Jule Taylor. Kamera: Kramer Morgenthau. Mit: Michael B.Jordan, Sylvester Stallone Verleih: Warner, 130 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2019
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