Bowie-Ausstellung:Babybayreuth

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Die David-Bowie-Schau im Berliner Martin-Gropius-Bau wird gefeiert und hat auch durchaus ihre Momente - aber am Ende ist sie doch ein mittelschweres Missverständnis.

Von Diedrich Diederichsen

Das Schlimmste, was einem Künstler widerfahren kann, ist, dass ihm das eigene Leben und Werk als Musical vorgespielt wird. Bislang waren die meisten, denen das passierte, allerdings schon tot. Glück gehabt. Heutzutage arbeiten sie oft sogar noch am Skript mit (Boy George). Nun gut, ganz so schlimm ist die Bowie-Ausstellung nicht, die seit einer Weile ganz oben auf der Agenda der Berlin-Touristen steht, die mit Demarkationslinien und Absperrbändern von den normalen Besuchern des Martin-Gropius-Baus und dessen Ausstellungen (WOLS, Hans Richter, Ai Wei Wei) getrennt werden müssen, um dann - nach bis zu einstündiger Wartezeit oder zu einem via Online-Bestellung reservierten, exakten Zeitfenster - reingelassen zu werden.

Und nein, die Ausstellung hat durchaus ihre Momente: etwa die auf einer Concorde-Serviette schwarz kalligrafierte Nachricht an Marlene Dietrich samt gekugelschreiberter Antwort. Unter den ganz großen, programmatischen Bisexuellen der Siebzigerjahre, so lernen wir, tauschte man keine Nummern und Adressen aus, nur die Nummern und Adressen der jeweiligen Agenten (beide in Hollywood: Wilshire resp. Sunset Blvd.).

Kann man heute so beeindruckt sein von Bowie wie die Jugend damals? Nein

Aber es ist eine Show geworden, die zeigt, was passiert, wenn man sich auf die Forderungen jener Trottel einlässt, die immer aus dem Charakter eines Gegenstandes auf den Stil seiner Bearbeitung in Ausstellungen oder wissenschaftlichen Werken schließen: Ist doch Pop, muss daher auch poppig präsentiert werden. Hier: Ist doch der sich selbst permanent neu erfindende Gesamtkünstler, muss doch auch ein sich permanent selbst erfindendes Gesamtkunstwerk werden.

Ich würde aber lieber den TV-Auftritt zu "Starman" in "Top Of The Pops", von dem man schon so oft gehört und gelesen hat, er habe das Leben junger Menschen in Großbritannien so nachhaltig auf den Kopf gestellt, SEHEN. Also: auf einem Fernsehschirm sehen. Und nicht als vielfach gespiegelte, mit anderen Versatzstücken versetzte Installation erleben (Fuck Erleben!). Die Frage lautet doch: Wie sah das aus? Sie lautet nicht: Könnte ich mich genauso beeindrucken lassen wie die Jugendlichen damals, wenn mich die Gewalt zeitgenössischen Geisterbahndesigns dazu zwingt?

David Bowie

Der Künstler der Verwandlung: Aufnahme von David Bowie für das Albumcover von "Aladdin Sane" (1973)

(Foto: Brian Duffy/Duffy Archive & The David Bowie Archive)

Historische Zusammenhänge kann man nicht erleben, aber man kann sie rekonstruieren, sodann nachfühlen, vielleicht verstehen. Gesetzt den Fall, dass man genügend Informationen über die Zusammenhänge bekommt. Und da kann man der Ausstellung keinen Vorwurf machen. Sie liefert üppig Kontext, wenn auch oft versteckt hinter so knalllustigen Ideen wie Türspionen, durch die man durchschauen muss. Von Duchamps Spätwerk lernen (also hier von der legendär voyeuristischen Installation "Etant Données" in Philadelphia), heißt eventkulturelles Ausstellungsdesign lernen: Zum Ersten wäre das der Kontext, den Bowie selbst ständig üppig gestreut hat. Inspirationen hat er nie verschwiegen. Er hat immer schon große Namen erwähnt, wenn es darum ging, die unzähligen großen, aber auch mal kleinen Einfälle zu legitimieren und zu geneologisieren.

Seine Texte verdankten William S. Burroughs Cut-up-Technik viel, heißt es dann zu einer Art Proto-Selfie mit Bowie und Burroughs. Aber das ist natürlich Quatsch: Weder die erhabenste Zusammenhangslosigkeit in "Quicksands", noch die kühnste Ellipse in "Life On Mars" haben etwas mit Cut-up zu tun. Ebenso wenig wie die "Berliner Trilogie" von John Cage inspiriert ist, wie hier behauptet wird, außer vielleicht in dem allgemeinen Sinne, dass Bowie zu diesem Zeitpunkt wusste, was Cage zum 20. Jahrhundert beigetragen hat (und das zu wissen verändert einen eben). Von dieser Sorte Kontext ist die Ausstellung voll und manchmal ist auch eine interessante und weniger vage Information darunter.

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