Botanik:Carl von Linnés Wiese

Botanik: undefined
(Foto: mauritius images)

Artischocken? In Schweden? Hinter dem Geburtshaus des Begründers der botanischen Taxonomie blüht eine Heuwiese, wie es sie im 18. Jahrhundert gab.

Von Thomas Steinfeld

Der spektakulärste Gegenstand, den es gegenwärtig in der Gegend um die schwedische Kleinstadt Älmhult zu sehen gibt, ist nicht das in ein Museum verwandelte Stammhaus des Möbelkonzerns Ikea. Viel spektakulärer ist eine Wiese. Sie gehört zu einem alten Bauernhof, der mitsamt seinen Nutz- und Ziergärten, mit seinen Feldern und Wäldern so rekonstruiert wurde, dass sein Zustand den Verhältnissen um die Mitte des 18. Jahrhunderts entspricht. Carl von Linné, der Naturforscher und Begründer der botanischen Taxonomie, war im Mai 1707 auf diesem Hof geboren worden. Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude, Zäune und Gatter, das alles wirkt sehr ursprünglich und nicht sonderlich interessant, von der pittoresken Lage einmal abgesehen. Eindrücklicher hingegen ist der Nutzgarten, in dem man sich auf der einen Seite darüber wundert, was damals in Småland angebaut wurde, die Artischocke zum Beispiel, und auf der anderen Seite erstaunt ist, wie seltsam vermeintlich vertraute Gewächse, die Dicke Bohne etwa, damals ausgesehen haben müssen.

Ein kleines Wunder aber ist die Heuwiese, die sich hinter dem Nutzgarten und einem Roggenfeld erstreckt: von unendlich vielen und vielgestaltigen Pflanzen bewohnt und von Blumen durchsetzt, blau, gelb und rot, und violett und orange, in jeder nur denkbaren Schattierung. Der Führer wird nicht müde, die Namen auszusprechen, in ihrer ganzen bizarren Buntheit, auf Schwedisch und auf Latein: Denn hier wächst die Gewöhnliche Kreuzblume und die Niedrige Schwarzwurzel, der Lungen-Enzian, die Echte Arnika und das Wald-Läusekraut. Zwanzig Jahre habe es gedauert, erklärt der Führer weiter, bis man diese Wiese den modernen Zeiten entrissen und in die vor-vorindustrielle Landwirtschaft zurückgeführt hatte, unter Einsatz nur von Kühen, Schafen und Sensen. Dann bückt er sich und zeigt auf eine Arnika. Auf Schwedisch heißt sie "Slåttergubbe", was auf Deutsch soviel wie "Mähbauer" heißt. Drei Blüten besitzt dieses Gewächs: Der höchsten, dem "Mähbauer", stehen zwei kleinere zur Seite, "Knecht" und "Magd" genannt. Sind alle drei Blüten aufgegangen, ist es Zeit für die Heuernte. Seit ein paar Tagen stehen sie prächtig nebeneinander. Die Sense, sagt der Führer, schwinge er selbst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: