Süddeutsche Zeitung

Bodenpolitik:Ohnmächtige Städte im Turbokapitalismus

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Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum in den deutschen Großstädten wird immer aggressiver und verzweifelter - und kann nur mit drastischen Maßnahmen beendet werden.

Kommentar von Laura Weißmüller

Der Kampf in deutschen Städten um bezahlbaren Wohnraum wird verzweifelter. Das lässt sich an den Vorschlägen ablesen, mit denen man den Mangel beheben möchte. Mietendeckel, Ausweitung der Milieuschutzgebiete, selbst Enteignung werden propagiert. Man könnte sich über die Ideenvielfalt freuen, schließlich geht es um ein Problem, das die Gesellschaft zu zerreißen droht, allein: All diese Maßnahmen werden nichts helfen, wenn in diesem Land nicht endlich gerechter mit dem Boden umgegangen wird.

Ohne Eingriff ins private Eigentum wird es dabei nicht gehen. Um zu erklären, warum ein derart drastischer Schritt notwendig ist, hilft vielleicht eine drastische Zahl: Laut einer aktuellen Studie der Universität Bonn sind die deutschen Hauseigentümer zwischen 2011 und 2018 durch Preissteigerungen um bis zu drei Billionen Euro reicher geworden. Was die Besitzer dafür getan haben, damit ihre Häuser drei Billionen Euro mehr wert sind als damals? Nichts. Und wenn die privaten Eigentümer ihre Immobilie erst nach zehn Jahren wieder verkaufen, müssen sie auf ihre Gewinne nicht einmal Steuern zahlen. Gerecht ist das nicht.

Das Märchen vom Betongold kennt aber nicht nur Gewinner. Zu den Verlierern gehören vor allem die Armen. Laut der Studie müssen die ärmsten 20 Prozent der deutschen Haushalte heute knapp 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben. 1993 waren es nur 25 Prozent. Zu den Verlierern gehört auch die öffentliche Hand. Die explodierenden Bodenpreise machen es für immer mehr Kommunen schier unmöglich, kostengünstig Wohnungen zu bauen, von Genossenschaften und kleinen Baugruppen ganz zu schweigen. So wichtig es ist, dass Kommunen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, nützt dieses doch wenig, wenn es bedeutet, dass sie für die Grundstücke die irrwitzigen Marktpreise zahlen müssen. Teuer kaufen, um dann günstige Mietwohnungen zu errichten - das kann sich nicht einmal eine reiche Stadt wie München auf Dauer leisten.

Sollte sie auch nicht. Denn es bedeutet, sich am spekulativen Markt zu beteiligen. Wohin das führt, kann man in Städten wie New York oder London bestens studieren. Deswegen muss nicht nur der Bund den Kommunen kostenfrei Grundstücke überlassen, wenn diese garantieren, damit gemeinwohlorientiert umzugehen. Auch private Eigentümer müssen dazu verpflichtet werden, den Kommunen ihre Grundstücke günstiger zu verkaufen. Nicht zum Marktwert, sondern zu dem Preis, den der Boden höchstens kosten darf, damit dort bezahlbarer Wohnraum entstehen kann und ein Leben in der Stadt kein Privileg für Reiche wird, sondern eines für alle bleibt.

Nur der Bund kann einen solchen Eingriff ins Eigentum vornehmen. Wenn nun nächste Woche die Baulandkommission ihre Ergebnisse vorlegt und sich darin, wie zu befürchten, kein grundlegender Richtungswechsel in der Bodenpolitik abzeichnet, heißt das: Der Staat folgt der Logik des Turbokapitalismus - und die Ohnmacht der Städte dauert an.

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Quelle:
SZ vom 29.06.2019
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