"Blutzbrüdaz" im Kino:Deutschland bleibt Hip-Hop-Wüste

Sido versucht sich am Schauspiel - und "Blutzbrüdaz" heißt das Ergebnis: Eine Aufsteigerstory mit autobiografischen Elementen, die einer romantisierten Idee von Hip-Hop hinterherläuft. Von Özgür Yildrim abgedreht und Fatih Akin mitproduziert, ist das zwar besser als die Bushido-Saga "Zeiten ändern dich". Doch es bleibt großteils fade, lächerlich und ohne internationales Niveau.

Jens-Christian Rabe

Nicht nur Hip-Hop muss schnell und klar auf den Punkt kommen - für Texte über Hip-Hop-Filme sollte das genauso gelten. Also erstens: Sido, der neben Bushido einzige nationale Star des Berliner Gangster-Rap, hat einen Film gemacht. Und zweitens: Es ist kein guter Film. Immerhin ist er deutlich besser als Bushidos Versuch aus dem vergangenen Jahr. Aber was heißt das schon? Die von Bernd Eichinger geschriebene und produzierte Bushido-Saga "Zeiten ändern dich" war noch autobiographischer, was ein Fehler war, und zudem ästhetisch, dramaturgisch und schauspielerisch misslungen.

Sidos "Blutzbrüdaz" merkt man an, dass Özgür Yildrim als Regisseur und Fatih Akin als Co-Produzent ihre Finger im Spiel hatten. Die beiden haben schon bewiesen, dass sie besser als die meisten anderen Geschichten aus dem kleinkriminellen deutschen Migranten- und Unterschichtmillieu der Gegenwart erzählen können. Das war es aber leider auch schon. Man hat nicht den Eindruck, dass sie wirklich ihr Herzblut in diesen Film gesteckt haben oder stecken konnten.

Dazu kommt: Wer immer sich an das Genre wagt, misst sich im Grunde mit Curtis Hansons Film "8 Mile" aus dem Jahr 2002. Die Geschichte von Eminems frühen Jahren, mit Eminem selbst in der Hauptrolle, ist nicht nur eine überzeugende Sozialstudie, sondern auch großes Hip-Hop- und Rap-Entertainment.

In einer internationalen Popkultur setzt "8 Mile" also den nicht zu ignorierenden Standard, und der bleibt für deutsche Produktionen weiter außer Sichtweite. Besonders schmerzhaft fällt das bei den Szenen auf, die unverhohlen bei "8 Mile" abgeschaut sind, etwa bei der Rap-Battle am Ende von "Blutzbrüdaz".

Und das hat zunächst vor allem einen Grund: Ein Hip-Hop-Film, der von Selbstfindung und Aufstieg eines Stars erzählt, der sich mehr oder weniger selbst spielt, steht und fällt mit eben diesem Star. Und im Vergleich zu Eminem, einem der originellsten, lustigsten und cleversten Rapper der Popgeschichte, ist der inzwischen 31-jährige deutsche Rap-Star Paul Würdig alias Sido leider ein kleines Licht.

Die beiden gemeinsam in einem Satz zu nennen, ist eigentlich schon Unsinn. Sidos noch eher Sprechgesang als Rap zu nennender Vortragsstil ist oft hölzern und weitgehend einfallslos. Er mag besser als die meisten deutschen Rapper aus den Unterstädten Berlins sein, letztlich merkt man doch fast jeder seiner Zeilen an, dass das Niveau des Rap hierzulande noch sehr niedrig ist.

Es fehlen die Hooklines und kreative Beats

Im Vergleich zu den amerikanischen Vorbildern hat er weder eindrucksvolle stimmtechnische Tricks zu bieten noch besonders smarte Reime, Bilder, Metaphern, Rollen- oder Wortspiele. Nichts an seinen Texten lässt eine wirklich außergewöhnliche dichterische oder vokalartistische Begabung erahnen, allenfalls eine solide Bauernschläue und eine grundvernünftige Kapitalismustheorie. Um das Vermögen kümmert sich die Mutter, verriet er kürzlich der SZ: "Ist mir am liebsten, wenn das jemand aus der Familie macht. Da weiß ich, dass sie keinen Schindluder mit treibt."

Auch die Melodien, Hooklines und Beats seiner Musik sind im internationalen Vergleich allenfalls drittklassig. Es scheppert und pumpt halt so dahin, das wenigste sind mehr als Ableitungen von Ableitungen von fremden Ideen. Als in einer Partyszene in "Blutzbrüdaz" - schon der Titel ist an fader Lächerlichkeit kaum zu überbieten - M.O.P.s Hit "Ante Up" läuft, wirkt das wie ein sehr frischer musikalischer Luftzug.

Aber irgendwann wird er kommen, der deutsche Rapper, der genug Eminem und Jay-Z und Kanye West und Odd-Future-Gang und Shabazz Palaces und Flying Lotus gehört hat. Und er wird auch noch klug genug sein, um auf seine ganz eigene, unverwechselbare Art ein brillantes deutsches Rap-Album aufzunehmen. Er wird formvollendet Silben über Beats schleifen und dafür sorgen, dass wir unsere Sprache noch einmal ganz neu hören können. Und er wird endlich einen richtig guten deutschen Hip-Hop-Film drehen. Hoffentlich müssen wir nicht mehr zu lange darauf warten.

BLUTZBRÜDAZ, BRD 2011 - Regie: Özgür Yildrim. Buch: Nicolas J. Schofield, Jan Ehlert. Kamera: Matthias Bolliger. Musik: Sido, DJ Desue, B-Tight. Mit: Sido, B-Tight, Milton Welsh, Tim Wilde, Claudia Eisinger. Verleih: Constantin Film, 87 Minuten.

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