Süddeutsche Zeitung

Kinos gegen Disney:Blockbuster? Nein, danke

Eine deutsche Multiplex-Kette boykottiert Disneys "Black Widow". Dahinter steckt ein Kampf um die Zukunft der Kinos.

Von David Steinitz

Auch eine Revolution kann klein anfangen, in diesem Fall unten links auf der Homepage des Münchner Mathäser-Kinos. Dort findet sich ein kleines Fenster zum Anklicken mit "Aktuellen Informationen zu ,Black Widow'". Das ist der neue Marvel-Blockbuster, der am Donnerstag im Kino gestartet ist - allerdings nicht im Mathäser. Dort steht stattdessen: "Bedauerlicherweise wurden seitens der Filmverleiher die Konditionen und Einsatzbedingungen für einige Filme in erheblichem Umfang und einseitig zu Lasten der Kinos verändert." Deshalb müsse man "allen Einigungsversuchen zum Trotz" leider "schweren Herzens auf den Einsatz von Black Widow verzichten".

Was hier etwas schwammig und allgemein formuliert ist, ist nicht weniger als ein ziemlich wackerer Aufstand. Die Kinopolis-Gruppe, die neben dem Mathäser noch viele weitere Multiplexe in ganz Deutschland betreibt, weigert sich als einer der ersten großen Player auf dem deutschen Markt, sich vom mächtigen Disney-Konzern alle Bedingungen ihres Geschäftsmodells diktieren zu lassen. Stein des Anstoßes: "Black Widow" startete am Donnerstag im Kino und bereits am Freitag auf dem Streamingdienst Disney+.

Nachfrage bei Gregory Theile, dem Geschäftsführer der Kinopolis-Gruppe, der die Sache noch etwas ausführlicher erklärt: "Bis zu Beginn der Pandemie gab es in Deutschland ein exklusives Kinofenster von mindestens 120 Tagen, an das sich alle Filmverleiher gehalten haben. Wenn nun - in einer Zeit, in der die Kinos ohnehin schon mit der schwersten Krise der vergangenen Jahrzehnte zu kämpfen haben - publikumsstarke Filme zeitgleich auf Streaming-Plattformen gezeigt werden sollen, können wir dies nicht akzeptieren."

Theile sagt, er bedauere diese Entscheidung sehr. Aber "in diesem konkreten Fall sahen wir uns leider gezwungen, auf den Einsatz des Films zu verzichten."

Es ist nicht das erste Mal, dass Disney mit diesem neuen Modell experimentiert. Vor ein paar Wochen startete "Cruella" ebenfalls fast zeitgleich auf Disney+ und im Kino, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch weniger Kinos geöffnet waren. Auch andere große US-Verleihe wie Universal experimentieren seit Corona mit solchen Modellen. "Black Widow" ist aber der bislang prestigeträchtigste Hollywood-Blockbuster, mit dem so verfahren wird. Und zumindest für Kinopolis scheint Disney jetzt einen Schritt zu weit gegangen zu sein.

Die Betreiber fühlen sich immer öfter von Vorschriften beeinträchtigt

Schon seit Jahren beklagen Kinobetreiber hinter vorgehaltener Hand die Verleihpolitik der großen US-Studios. Normalerweise teilen sich Kinos und Verleihe die Einnahmen pro Ticket ungefähr halbe-halbe. Bei wichtigen Filmen würden die Studios den Kinos aber immer öfter die Pistole auf die Brust setzen, heißt es. Zum Beispiel mit höheren Verleihmieten. Aber auch mit anderen Bedingungen. Zum Beispiel würden die Studios vorschreiben, wann und wie oft man einen Film spielen müsse, wenn man ihn bekommen wolle. Oder sie würden den Kinos andere, weniger publikumsträchtige Filme als Paket mit aufzwingen, wenn man einen Blockbuster haben wolle.

Solche Informationen bekommt man meist nur unter der Hand, weil die gleichen Kinobetreiber, die seit einem Jahr in jedes Mikro plärren, wie schlecht die deutsche Politik sie während Corona behandele, plötzlich sehr still werden oder vorsichtshalber erst gar nicht erst zurückrufen oder auf Mails antworten, wenn es um die Verleihpolitik der Amerikaner geht. Natürlich würde man auch gerne wissen, was Disney dazu sagt. Ob sich auch andere Kinos dem Film verweigern, und ob so etwas mittelfristig nicht Einfluss auf die Verleihpolitik des Unternehmens haben müsste? Die Antwort lautet allerdings schlicht: kein Kommentar.

Studios wie Disney waren bislang meist im Vorteil, weil es für viele Kinos oft noch profitabler war, "Star Wars"- oder Marvel-Filme zu schlechteren Bedingungen zu spielen als gar nicht. Was den Schritt der Kinopolis-Gruppe, den Film aus dem Programm zu werfen, umso erstaunlicher macht.

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