Süddeutsche Zeitung

"Black Panther" in der SZ-Cinemathek:Schwarz ist endlich angekommen im Blockbuster-Mainstream

"Black Panther" ist der erste Superheldenfilm mit einer fast ausschließlich schwarzen Besetzung - ein starkes Statement in einem zunehmend polarisierten Amerika.

Von Fritz Göttler

Auch Amerikas Superhelden haben, neben dem unwiderstehlichen Verlangen, den Verfolgten und Malträtierten ihrer Stadt zu Hilfe zu eilen, eine Menge persönlicher Motive. Sie sind Fremde in dieser Welt oder Aliens, gepeinigt von ihrer Einzigartigkeit und Einsamkeit. Sie suchen Zugehörigkeit, möchten Beziehungen aufbauen, ein Zuhause finden. Superheldenfilme sind im Grunde ihres Herzens Familienfilme, Heimatfilme: Wenn Supermans Adoptivmutter, gespielt von Diane Lane, Wäsche aufhängt hinter ihrem Haus auf dem Lande, ist das bewegend schön selbst für ihren Sohn. Americana pur.

Africana pur ist der neue Marvel-Superhelden-Film "Black Panther" von Ryan Coogler. Es ist der Film einer Rückkehr, der Rückkehr in die afrikanische Heimat, in den fiktiven Staat Wakanda. Hinter der animalischen Maske und in der engen Kluft des Black Panther verbirgt sich der Fürstensohn T'Challa, der zurückgerufen wird nach dem Tod seines Vaters, um als dessen Nachfolger inthronisiert zu werden. Natürlich wird er, wie bei politischer Nachfolge üblich, mit Intrigen allerlei Art konfrontiert. Der Vater starb bei einem Attentat im Wiener Gebäude der UN, das schon in dem Marvel-Film "The First Avenger: Civil War" gezeigt wurde.

Die Statistiker sagen dem Film sensationelle Einspielergebnisse voraus, die Kritiker jubeln

Chadwick Boseman, der den Black Panther verkörpert, hatte dort seinen ersten Auftritt, in einem aus allen möglichen Comics zusammengewürfelten Trupp Superhelden, darunter auch die Afroamerikaner Anthony Mackie und Don Cheadle. Nun präsentiert er sich als singulärer, stolzer schwarzer Held.

Wakanda ist ein Staat und ein Volk, das in selbstgewählter Isolation lebt und in einer künstlich geschaffenen Unsichtbarkeit. Sie sind technologisch und kulturell absolut avanciert, dank des Vibraniums, eines Metalls, das ein Meteoriteneinschlag in dem Land hinterlassen hat. Und das vom Rest der Welt so heiß begehrt wird wie früher Gold oder Elfenbein. Es ist ein alter Mythos, dass in dem als unterentwickelt und unzivilisiert verachteten Afrika, dem schwarzen Kontinent, eine Wiege der westlichen Kultur zu entdecken wäre.

Der erste Black-Panther-Marvel-Comic wurde 1966 von Stan Lee und Jack Kirby konzipiert, er funktionierte nicht wirklich, wurde später immer wieder ausgebaut und neu gestaltet, politisch modifiziert (in der Bush-Ära). Der Film trifft nun auf ein Amerika, das so extrem polarisiert ist wie selten zuvor, auf wiedererstarkten Rassismus und die dummen Sprüche des Präsidenten Trump von den Shithole-Staaten Afrikas. Die Atmosphäre ist erhitzt, und der Hype, der sich um die Filmversion entwickelt hat, gewaltig. 170 Millionen Dollar erwarten die Prognostiker fürs Startwochenende in den USA. Zahlreiche Organisationen und Prominente haben Kinos und Vorstellungen gemietet, um landesweit möglichst vielen jungen Afroamerikanern den Besuch des Films zu ermöglichen. Die Kritiken auf der Bewertungsplattform Rotten Tomatoes, wo vor Kurzem noch ein paar rechte Nutzer versucht hatten, den Film zu diskreditieren, sind mittlerweile orgiastisch. Auch die Tweets nach den ersten Pressevorführungen waren hymnisch. Man spürt die Befriedigung, den Stolz, dass ein solcher Film entstanden ist in Hollywood, mit diesem Millionenbudget, mit fast ausschließlich schwarzen Akteuren. Schwarz ist endlich angekommen im Blockbuster-Mainstream.

Das ist anders und mehr als die Präsenz afroamerikanischer Kultur bislang: die Versuche, "All-Negro Comics" zu lancieren, die B-Pictures der Dreißiger, mit geringem Budget ausschließlich fürs schwarze Publikum produziert.

Später dann die filmischen Provokationen von Spike Lee und Mario Van Peebles, Tarantinos "Jackie Brown" mit Pam Grier, der hinterfotzige Samuel L. Jackson, Ava DuVernay mit ihrem Martin-Luther-King-Film, Angela Bassett und Forest Whitaker (beide spielen auch in "Black Panther"). Zuletzt gab es dann den Oscar-Sieger 2017, "Moonlight" von Barry Jenkins.

Für Regisseur Ryan Coogler ist "Black Panther" die Erfüllung eines fast utopischen Traums. 2013 hat er in "Fruitvale Station" die Eskalation der Polizeigewalt gegen Schwarze an einem tatsächlichen Fall in Oakland skizziert, 2015 mit "Creed: Rocky's Legacy" den Aufstieg eines jungen Boxers verfolgt, unter dem väterlich-fachkundigen Blick von Sylvester Stallone. Für "Black Panther" ist er vor Drehbeginn erstmals nach Afrika gefahren. Hauptdarsteller Chadwick Boseman hat seine DNA untersuchen lassen - alles, um die Grundfrage des Films sich bewusst zu machen, die der Identität. Coogler mag die Filme, in denen eine persönliche Beziehung des Filmemachers zu seiner Geschichte zu spüren ist, wie in den "Godfather"-Filmen, "Mean Streets" und "Goodfellas".

Die Zahl der regelmäßigen afroamerikanischen Kinobesucher hat sich im eher mittelmäßigen Jahr 2016 fast verdoppelt, auf 5,6 Millionen, resümiert eine Statistik der Motion Picture Association of America. "Ob's dir bewusst ist oder nicht", sagt Ryan Coogler, "du hast eine Herkunft, deren Spuren schwer zu verfolgen sind." Eine solche Spurensuche soll sein Film sein. Afrika als neues gelobtes Land für junge Amerikaner? "Wir wollten zeitgemäß empfinden, aber zugleich empfinden wie die Alten" erklärt Coogler, "und daraus, hofften wir, soll sich eine eigene Ästhetik entwickeln. Die große Frage war, was bedeutet es, Afrikaner zu sein."

Natürlich will das Marvel-Studio auch keinen Film, der das Stammpublikum vergrault

Die Zeichen aber, die in diesem Film gefunden werden, sind absolut traditionell, die Ästhetik ganz klassisch (fast mit kolonialistischem Anklang). Natürlich wird Marvel keinen Millionenfilm produzieren, der nicht auch das weiße jugendliche Publikum ins Kino lockt: muskulöse Oberkörper, beim Zweikampf an einem Wasserfall, eine erotische Stammesgarde aus kriegerischen Frauen, der Gegenspieler Erik Killmonger, der T'Challa ziemlich zusetzt (mit narbig-schuppigem Oberkörper gespielt von Michael B. Jordan, der bereits zweimal für Coogler spielte). Eine Actionsequenz in einem Nachtclub in Südkorea ist purer James Bond.

Subversive Momente sind dem Film fast völlig ausgetrieben. Nur Killmonger - auch er ein Vater-, ein Heimatloser - hat als Stammesfürst Böses im Sinn, er will mit dem Vibranium die Schwarzen der ganzen Welt bewaffnen und zum Aufstand motivieren, so wie man es von einem Black Panther erwarten sollte. Er wird unterstützt von dem verrückten Waffendealer Klaue, eine durchgedrehte Rolle für Andy Serkis.

Black Panther, USA 2018 - Regie: Ryan Coogler. Buch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole. Nach dem Marvel Comic von Jack Kirby und Stan Lee. Kamera: Rachel Morrison. Schnitt: Debbie Berman, Michael P. Shawver. Mit: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong'o, Danai Gurira, Martin Freeman, Letitia Wright, Angela Bassett, Forest Whitaker, Andy Serkis, Stan Lee. 134 Minuten.

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SZ vom 14.02.2018/doer
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