Die vergangene Woche war die erste Woche nach dem sehr erfolgreichen Start des Superhelden-Blockbusters "Black Panther". Aber so lapidar, wie das klingt, ist es nicht. Der Film ist, das zeigt die heftige Resonanz, nicht einfach irgendein weiterer Superhelden-Blockbuster (er spielte bislang schon knapp 430 Millionen Dollar ein): "Black Panther" ist der erste Blockbuster mit ausschließlich schwarzen Hauptdarstellern. Somit wird er zum Moment einer - natürlich - noch nicht konkreten politischen, aber doch mentalitätsgeschichtlichen Zeitenwende. Und damit zu einem dieser seltenen kulturellen Ereignisse, bei denen es gut sein könnte, dass bald völlig selbstverständlich davon geredet werden wird, dass es eine Zeit vor und eine Zeit danach gibt.
Es häuften sich in den vergangenen Tagen nämlich die Geschichten, Kommentare und Bilder zur Wahrnehmung des Films in Afrika und Amerika, die weit jenseits aller filmkritischen Erwägungen eines eint: Sie sind Ausdruck eines überwältigenden Befreiungsgefühls.
Der südafrikanische Journalist Sumeya Gasa etwa sagte im Magazin The Root, nachdem er den Film in Johannesburg gesehen hatte: "Wir wurden wie Menschen gezeigt, allein das zählt. Es fühlte sich so gut an." Der Google-Entwickler Sani Yusuf schrieb auf Twitter: ",Black Panther' beginnt mit einer Szene in einem Teil Nigerias, der ganz in der Nähe von der Gegend liegt, aus der ich stamme, in der Szene sprechen sie eine Sprache, die ich sofort verstand. Ein Marvel-Film hat eine Sprache, die ich verstehe! Ich fühlte mich, als könnte ich fliegen." Und im New Yorker schrieb der Autor Jelani Cobb: "Ich habe diese Geschichte intuitiv und auf ganz persönlicher Ebene sofort verstanden. (...) Superhelden werden normalerweise nicht so konzipiert, dass ihnen diese Art existenzieller Wirkung gelingen soll, aber hier - im Zusammenhang mit den Fragen, die Wakanda aufwirft, und angesichts der Tatsache, es zu wagen, sich einen solchen Ort überhaupt auszudenken - geht es gar nicht anders." Marvel, so Cobb weiter, habe in den vergangenen zehn Jahren viele unterhaltsame Filme gemacht, Regisseur Ryan Coogler aber "jetzt einen wirklich tiefgründigen".
Die Geschichte wird viel mehr als ein Kinofilm: ein alternativer Mythos
Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie entscheidend die Perspektive des Autors das Urteil über den Film beeinflusst. In westlichen Kritiken (überwiegend weißer Autoren) wird das unübersehbar neuartige Identifikationsangebot, das der Film dem schwarzen Publikum macht, zwar durchaus anerkennend hervorgehoben. So recht aus der Genre-Ecke "Superhelden-Blockbuster" wird er dann aber doch kaum gelassen. Außerdem folgen oft eher schlichte Erwägungen über die aktuelle ökonomische Krise des Systems Hollywood, das mit "Black Panther" offensichtlich vor allem einfach versuche, dringend benötigte neue Kundschaft zu gewinnen. Und dann geht es schnell darum, inwieweit sich der Film ästhetisch und dramaturgisch am Ende doch nicht von den hergebrachten Regeln des gängigen Hochglanz-Actionkinos unterscheidet. Und die vielen starken Frauenfiguren in "Black Panther" seien in Wahrheit doch nichts als Nebenfiguren.
Wird der Blick jedoch auf das gerichtet, was den Film in seinem Kern vom klassischen Hochglanz-Actionkino unterscheidet, sieht es sofort völlig anders aus. Dann ist "Black Panther", der von dem technologisch überlegenen, aber sich versteckenden afrikanischen Königreich Wakanda erzählt und von dessen Ringen mit der Frage, ob es angesichts der eigenen Stärke genug ist, bloß sein eigenes Fortbestehen zu sichern - dann ist "Black Panther" eine skrupulöse Reflexion zur Frage, was es überhaupt bedeutet, als Kolonisatoren die Welt zu beherrschen, also wie wenig selbstverständlich das ist, was der Westen immer noch lebt. Und die Frauen im Film sind alles andere als bloß wieder einmal unterlegen. Im Gegenteil. Sie bestimmen als politisch Gleichberechtigte mit ihren Ideen wesentlich die Bedingungen der Geschichte. Einer Geschichte, die damit so viel mehr wird als ein Kinofilm, nämlich ein alternativer Mythos von nicht weniger als der Zukunft der Menschheit.
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Auf dem Kontinent selbst, vor allem in den kosmopolitischen Städten wie Nairobi, Lagos, Bamako und Johannesburg, um nur die paar Orte zu nennen, an denen "Black Panther" schon angelaufen ist, trifft der Film zudem nicht nur auf den frenetischen Jubel eines Publikums, das sich zum ersten Mal in einem Hollywoodfilm wiedererkennt. Er trifft auf eine historische Situation, die sich über Jahre aufgebaut hat. Denn hin und wieder entlädt sich so eine Entwicklung eben in einem popkulturellen Augenblick.
Der ist auch diesmal vor allem als Ausdruck und Bestätigung zu verstehen, nicht als Anstoß. In den afrikanischen Megastädten hat sich längst eine technologisch und kulturell versierte Generation aufgemacht, den eigenen Kontinent neu für sich zu definieren. In Nairobi zum Beispiel bildet diese Generation genau so eine technosoziale Pop-Avantgarde, von der sie in Europa und den USA heute nur noch träumen. Bekanntester Vertreter ist das Techno-Kollektiv Ushahidi (Swahili für "Beweis"), das während der Unruhen nach den kenianischen Wahlen von 2007 als Crowdsourcing-Projekt für Not- und Katastrophenhilfe begann. Bürger konnten vor allem in den umkämpften Slums Notfälle und Feuer in eine Online-Karte eintragen, damit Hilfsaktionen koordiniert werden können. Heute ist dieses System ein Standard, der bei Naturkatastrophen und Unruhen in aller Welt eingesetzt wird. Und weil der Onlinezugang in Entwicklungsländern keine Selbstverständlichkeit ist, erfanden sie bei Ushahidi auch gleich noch ein tragbares Modem, das Strom- und Netzengpässe umgehen kann. Denn, so sagen sie, die meisten Menschen, die heute mobil ins Internet gehen, leben nicht in Städten wie New York und London, sondern eben in Nairobi oder Delhi, wo eine kontinuierliche Strom- und Netzversorgung einfach nicht zum Alltag gehört.
Es ist dies aber auch eine Pop-Avantgarde, die Motive aus den alten Kulturhauptstädten aufgenommen hat, die den Afrofuturismus und den Afropunk noch einmal neu interpretiert. Hin und wieder begegnet man ihren Vertretern auf Festivals im globalen Norden. Bands, Rappern, Filmemachern, Künstlern, deren Namen in Hipsterkreisen noch als Herrschaftswissen gehandelt werden, auch wenn sie daheim schon ganze Landstriche mitreißen. Oder, wie die Regisseurin Wanuri Kahiu, schon seit fast zehn Jahren Filme und Videos drehen. Kahiu stammt aus Nairobi, was kein Zufall ist, weil sich dort gerade viel tut, was man im Westen kaum mitbekommt. Sie kann auch von einer Generation erzählen, die sich zumindest kulturell von der Last der Kolonialära ganz bewusst befreit hat.
"Afro-Bubblegum" nennt die 38-Jährige diese neue Kultur, für die sie Filme dreht, die ihre Eltern als frivolen Pop betrachten. Weil sie sich eben nicht mit der Politik, dem Leid, der Last der Vergangenheit beschäftigen. Weil es in Nairobi eine Jugend gibt, die in ihrer Musik nicht zum Umsturz der Verhältnisse, sondern zum Tanzen aufruft, die Mode designt, Massenpartys feiert, DJs hervorbringt. Was nicht heißt, dass der Afro-Bubblegum im sinnfreien Raum entsteht. "Ich glaube, Afro-Bubblegum ist sehr wichtig, weil es uns selbst und der Welt zeigt, das dieses leidvolle, geplagte Afrika nur eine Seite ist. Dass Freude und Spaß kein Privileg der Reichen und Gnade der Armen ist, sondern dass wir in Afrika sehr glücklich sein können."
Und darauf trifft nun "Black Panther": Dieser Film hat das Hoffnungsmoment des Afrofuturismus, den Erfindungsgeist der Megacity-Jugend und den Optimismus des Afro-Bubblegum in eine dieser monumentalen Superheldengeschichten gepackt, die die ganze Welt versteht.