Süddeutsche Zeitung

"Black Beauty" auf Disney+:Nur Wind in der Mähne

Auch wenn Kate Winslet im Original das Pferd spricht: Die Neuverfilmung des Klassikers hat wenig mehr zu bieten als Emotion und schöne Bilder.

Von Ana Maria Michel

Wenn Black Beauty traurig ist, dann rennt sie so schnell sie kann. Und weil sie will, dass auch das Mädchen Jo (Mackenzie Foy) nicht länger traurig ist, lässt das Wildpferd Jo tun, was bisher kein Mensch vor ihr durfte: Sie darf auf Black Beautys Rücken steigen. Zusammen galoppieren sie los, werden immer schneller. Denn das Pferd weiß, dass es tröstlich ist, den Wind in der Mähne zu spüren, oder eben in den Haaren.

Wie die Mustang-Stute hat auch Jo ihre Familie verloren. Durch diesen Verlust sind beide, Pferd und Mädchen, zu Beginn von Ashley Avis' Neuverfilmung von Black Beauty schwer zugänglich. Jo zieht, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, bei ihrem Onkel John Manly (Iain Glen) ein. Dessen Job ist es, wilde Pferde zu zähmen, und er tut das auf eine ruhige, respektvolle Art, die zwar ganz gut bei den Tieren, aber nicht bei seiner Nichte funktioniert. Jo will nichts mit diesem Onkel zu tun haben. Nur zu dem schwarzen Wildpferd mit dem weißen Fleck auf der Stirn baut sie mit der Zeit eine Verbindung auf.

Damit Black Beauty auf dem Hof und bei Jo bleiben kann, muss sie jedoch gezähmt werden. Vorsichtig gewöhnt das Mädchen das Tier an Halfter, Satteldecke, Sattel; auch Jo muss das Reiten erst lernen. Später reißt sich Black Beauty auch dann zusammen, wenn unsanfte Reiter auf ihr sitzen, sie will Jo nicht verlieren. Doch es kommt, wie es kommen muss: Das Wildpferd und das Mädchen werden getrennt - und wieder einmal ist das Leben nicht gut zu Black Beauty.

Avis' Film ist eine Adaption von Anna Sewells gleichnamigem Roman von 1877, der im viktorianischen England spielte und unter anderem auf Fehler in der Haltung von Pferden aufmerksam machte. Viele Male wurde der Bestseller bereits verfilmt, in den Siebzigerjahren gab es eine Variante mit Uschi Glas und Walter Slezak und eine Serie. Zuletzt war Black Beauty vor rund 16 Jahren in der Verfilmung von Caroline Thompson im Kino zu sehen. Avis' Remake des Klassikers versetzt Black Beauty in die Gegenwart, mit dem Mädchen Jo wählt sie eine weibliche Hauptfigur und auch das Pferd ist hier kein Hengst, sondern eine Stute. Aber auch dieser Film bietet einige Bilder für die große Leinwand. Es ist fast schade, dass man sie nur über Disney Plus auf dem heimischen Bildschirm sehen kann. Doch auch da schaffen es die weiten Landschaften und die im Wind wehenden Mähnen, ihre Wirkung zu erzielen. Und wenn dann noch die tief stehende Spätsommer-Sonne alles in ihr unwiderstehlich warmes, goldenes Licht taucht, ist das Böse in der Welt für kurze Zeit wie weggezaubert. Nicht nur für Pferde-Enthusiasten hat Black Beauty das Zeug zum Seelentröster. Es beruhigt, Menschen in Karohemden dabei zuzusehen, wie sie Pferden gut zureden, gerade in diesen Zeiten.

Und so ist man womöglich bereit, diesem Film, der den Zuschauer mit schönen Bildern, zarten Klaviertönen und Wellenrauschen einlullt, einiges zu verzeihen. Denn natürlich hat man es hier mit Sentimentalität und Kitsch in Reinform zu tun. Erzählt wird die Geschichte dieser Freundschaft zwischen Mensch und Tier aus der Perspektive des Pferdes, das im Original mit etwas zu viel sanftem Pathos von Kate Winslet gesprochen wird. Durch den Pferdeblick aber erfährt der Zuschauer nicht viel über Jo und noch weniger über ihren Onkel John. Für Black Beauty mag es vielleicht genügen zu wissen, dass das Mädchen voller Trauer und Wut, aber auch Liebe ist, und dass John ein freundlicher Typ ist, der gut mit Pferden kann. Dass nicht viel mehr als Emotion geboten wird, ist für den Zuschauer auf Dauer jedoch zu wenig.

Black Beauty, USA 2020 - Regie und Buch: Ashley Avis. Kamera: David Procter. Mit: Kate Winslet, Mackenzie Foy, Iain Glen, Calam Lynch, Claire Forlani, Fern Deacon. Mehr Cast auf IMDb. Disney Plus, 109 Minuten.

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