Biografisches Erinnerungsbuch "BE":Bernd Eichinger und wie er die Welt sah

Er wurde von Doris Dörrie fast in den Selbstmord getrieben, schlug eine Millionen-Offerte von Tom Cruise aus und nahm sich am Sunset Boulevard Prostituierte mit aufs Zimmer: Die Biografie "BE", in der sich Katja Eichinger an ihren verstorbenen Mann Bernd Eichinger erinnert, enthält überraschende Einblicke in die deutsche Filmgeschichte.

Tobias Kniebe

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Buch von Eichinger-Witwe kommt auf den Markt

Quelle: dpa

Er wurde von Doris Dörrie fast in den Selbstmord getrieben, schlug eine Millionen-Offerte von Tom Cruise aus und nahm sich am Sunset Boulevard Prostituierte mit aufs Zimmer: Die Biografie "BE", in der sich Katja Eichinger an ihren verstorbenen Mann Bernd Eichinger erinnert, enthält überraschende Einblicke in die deutsche Filmgeschichte.

Gibt es Dinge, die wir noch nicht über Bernd Eichinger wissen? Anderthalb Jahre nach seinem Tod wirkt sein Bild für die Nachwelt fixiert, vom Wodka Martini bis zu den Turnschuhen. Die dramatischen und weniger dramatischen Episoden scheinen erzählt, seine Unersetzlichkeit schmerzlich festgestellt zu sein.

Kann ein Buch von Katja Eichinger, der Witwe und Gefährtin seiner letzten Jahre, dem mehr als weihevolle Erinnerungsarbeit hinzufügen? Erstaunlicherweise ja. Zwar erklärt die Autorin offen, dass "BE" (Hoffmann & Campe) auch der Versuch sei, mit dem Geliebten im Gespräch zu bleiben, "ihn weiter atmen zu lassen". Gespräche in dieser Ehe müssen allerdings Klartext gewesen sein. So kommt es, dass diese 576 Seiten bemerkenswerte neue Einblicke bieten, wie Bernd Eichinger und seine Vertrauten die Welt sahen: Deals zwischen München und Hollywood, die man sich so dann doch nicht vorgestellt hat, deutsche Film- und Mediengeschichte - und nicht zuletzt auch schmerzhafte Selbstreflexionen.

Zwölf überraschende Erkenntnisse: Bernd Eichinger ...

Texte: Tobias Kniebe/SZ vom 05.09.2012/pak

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... wäre beinahe ein amerikanischer Großproduzent geworden

To match story EXHIBIT-PHOTOLEAGUE/

Quelle: Reuters

Eichingers Großvater kam in Brooklyn zur Welt. Seine Urgroßeltern waren aus Bayern nach Amerika ausgewandert, weil die Familienbrauerei an einen anderen Erben ging. In dieser Immigrantenstory war alles angelegt für den Stammbaum eines künftigen Hollywood-Großproduzenten. Dann aber verstarb der Besitzer der Brauerei in Deutschland, die Eichingers kehrten in die alte Heimat zurück und übernahmen den Laden - und Bernd Eichinger wurde ein deutscher Großproduzent. Bernd Eichinger ...

Aufnahme der Brooklyn Bridge im Jahr 1938

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... hatte jüdische Wurzeln

DDR-Drama 'Barbara' geht ins Oscar-Rennen

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Sein Partner, Freund und späterer Gegner Leo Kirch pflegte zu sagen, Eichinger solle sich Hollywood aus dem Kopf schlagen, da habe er eh keine Chance, er sei nun mal "kein Jud".

Ganz stimmt das nicht. Bernd Eichingers Großmutter väterlicherseits war Jüdin. Sie starb, als ihr Sohn Manfred - Bernd Eichingers Vater - erst zwölf Jahre alt war. Während des Dritten Reiches wurde die Religion der Mutter dann mithilfe des Bürgermeisters verschwiegen. Manfred Eichinger bekam einen Arier-Stempel und durfte Medizin studieren. Bernd Eichinger erfuhr erst als Erwachsener davon. Viel später ...

Oscar-Statue in Hollywood

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":...erklärte Tom Cruise, er solle sich seine Million sonstwo hinstecken

Drehbeginn für Cruise-Film über Hitler-Attentäter Stauffenberg

Quelle: dpa

Im Frühsommer 2007 erhielt Bernd Eichinger einen Anruf von Paula Wagner, der Produktionspartnerin von Tom Cruise. Das Angebot war verlockend: Eine Million Dollar, wenn Bernd seinen Namen als Partner zur Verfügung stellen würde - für das in Deutschland umstrittene Filmprojekt ,,Valkyrie'', mit Cruise als Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Eichingers ,,Untergang'' war da schon weltweit erfolgreich gelaufen, er galt in Hollywood als Experte für die Nazizeit. Faustischer Haken: Das Drehbuch sollte Eichinger vor dem Deal nicht lesen dürfen. Er lehnte dankend ab. Bernd Eichinger ...

Oberst Claus von Stauffenberg auf einer historischen Aufnahme (links) und Tom Cruise, der den Hitler-Attentäter in dem Film "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" darstellte.

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... fürchtete Leo Kirch

A file picture shows German media mogul Leo Kirch arriving before a hearing of a parliamentary inquiry commission in Berlin

Quelle: REUTERS

Auch Leo Kirch hat dramatische Auftritte in "BE" (die natürlich nur für eine Sicht der Dinge stehen). Wenige Stunden vor der Premiere soll er seinem damals schwer verunsicherten Constantin-Mehrheitspartner Eichinger die Fernseh- und Videoauswertungsrechte am "Namen der Rose" abgeluchst haben - viel zu billig. Als Kirch für seine Bibel-Verfilmungen einmal keinen US-Sender fand, schaltete er angeblich Helmut Kohl ein, dieser wandte sich dann an Ronald Reagan. Und vor allem wollte Kirch beinah um jeden Preis die Verfilmung des "Parfums" verhindern. Er zwang Fred Kogel, im Constantin-Aufsichtsrat gegen den Erwerb der Filmrechte zu stimmen - so blieb Eichinger zunächst privatschuldnerisch auf den zehn Millionen Euro sitzen, die er bereits ausgegeben hatte. Eichinger schrieb am 10. Januar 2001 ein Fax an Kirch, in dem von einem "unheilbar erschütterten Vertrauensverhältnis" die Rede ist - und legt den Vorstandsvorsitz der Constantin nieder. Kirch nahm an, wollte die Sache "unaufgeregt und unter Männern zu Ende bringen". Erst Kirchs Insolvenz im Folgejahr macht den Weg für "Das Parfum" frei. Eichingers Arbeitsweise war anders als vielen dachten- er ...

Leo Kirch (1926 - 2011) auf einer Aufnahme im Jahr 2001.

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... war ein Höhlenmensch

Buch von Eichinger-Witwe kommt auf den Markt

Quelle: dpa

Zeitlebens wunderte sich Eichinger darüber, wie es ihm gelungen war, das Image eines allzeit energischen, geradezu getriebenen Workaholics aufzubauen. Tatsächlich bezeichnete er sich als "Höhlenmensch" und als "wahnsinnig faul". "Ein Löwe hat nur zwei oder drei Chancen, sein Wild zu erlegen. Wenn er's dann nicht packt, hat er keine Energie mehr und muss verhungern. Deswegen muss jeder Angriff durchdacht sein. Bei mir ist es genauso. Ich überlege mir sehr gut, bevor ich mich bewege, ob es sich auch wirklich lohnt." Bernd Eichinger konnte sehr ausdauernd sein - er...

"Jeder Angriff muss durchdacht sein:" Bernd Eichinger auf einer Aufnahme im Jahr 2006:

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... entlockte Natascha Kampusch ihre tiefsten Geheimnisse

Austrian kidnap victim Natascha Kampusch arrives for the presentation or her book 3,096 Days in a bookstore in Vienna

Quelle: REUTERS

Nach seiner Entscheidung, die Filmrechte an "3096 Tage" zu kaufen, Natascha Kampuschs autobiografischem Bericht ihrer Entführung und achteinhalbjährigen Gefangenschaft in einem österreichischen Kellerverlies, haderte Bernd Eichinger lange mit dem Stoff.

Er wollte das Drehbuch selbst schreiben und hatte das Gefühl, dass Kampusch in ihrer Darstellung noch nicht die ganze Geschichte erzählt hatte. Über Wochen versuchte er, im Gespräch mit ihr die Lücken zu schließen, was schwierig war, schließlich aber gelang. Am Ende stand seine Erkenntnis, dass Kampusch in den letzten Jahren der Gefangenschaft ihrem Peiniger absolut ebenbürtig, wenn nicht sogar stärker als dieser gewesen war. Aber auch das war Bernd Eichinger: Er ...

Natascha Kampusch bei der Vorstellung ihres Berichts "3096 Tage" im Jahr 2010.

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... ging jedem Fetisch und jeder Begierde nach

CHATEAU MARMONT HOTEL IN LOS ANGELES

Quelle: AFP

Eine bemerkenswerte Eichinger-Geschichte stammt aus den Achtzigerjahren. Sie handelt davon, wie Bernds langjährige amerikanische Assistentin Anna Gross ihm geholfen hat, Huren auf dem Straßenstrich des Sunset Boulevard auszusuchen, die er dann ins Hotel Chateau Marmont mitnahm. 

"Ich hatte ein Vetorecht", erinnert sich Gross. "Wenn ich fand, dass die Hure zu schmutzig aussah und dass er sich von ihr wahrscheinlich irgendeine schlimme Krankheit holen würde, durfte ich Einspruch erheben. In den Nächten, in denen Bernd sich keine Huren mit aufs Zimmer nahm, musste ich auf seinem Sofa schlafen. Er konnte einfach nicht alleine schlafen. Er hatte Angst vor Geistern." 

In Sofia Coppolas Film "Somewhere", der ebenfalls im Chateau Marmont spielt, sah Eichinger sein damaliges Leben dann perfekt gespiegelt. Seine Schwächen akzeptierte Bernd Eichinger, aber er ...

Das Chateau Marmont Hotel in Los Angeles

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... hatte ein Problem mit Helmut Dietls "Rossini"

Rossini - oder die moerderische Frage, wer mit wem schlief

Quelle: BR/WDR/Diana Film

Inhaltlich hatte Eichinger an diesem Schwabinger Schlüsselroman in Filmform wenig auszusetzen. Er selbst, gespielt von Heiner Lauterbach, wie besessen hinter einem unverkäuflichen Bestseller her und in eine Menage-à-trois mit einer Neurosenkönigin und einem Dichter verstrickt - das alles hatte zugegebenermaßen einen wahren Kern. Bis auf ein zentrales Problem: Die realen Protagonisten waren alle sehr jung, als sie in diese Eskapaden verwickelt waren - etwa Mitte dreißig. Die Schauspieler im Film sind demnach viel zu alt. "Mit weit über 40 ist so ein Verhalten lächerlich", erklärte Eichinger seinen Vertrauten. Noch keine 40 war er allerdings, als er ...

Szene aus "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief". Der Wirt Paolo Rossini (Mario Adorf, rechts) nimmt eine komplizierte Bestellung seiner Stammgäste auf, die von einem "Who's who" des deutschen Films dargestellt werden: Jan Josef Liefers (links als Lyriker Bodo Kriegnitz), Gudrun Landgrebe (als begehrenswerte Valerie), Götz George (als Regisseur Uhu Zigeuner) und Heiner Lauterbach (als  der Filmproduzent Oskar Reiter), der Bernd Eichinger verkörpern soll.

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... von Doris Dörrie fast in den Selbstmord getrieben wurde

Premieren-Party mit Doris Dörrie

Quelle: RUMPF, STEPHAN

Es war Doris Dörrie, die Bernd Eichinger bei dem Film "Ich und Er" (1988) in die bis dahin schwerste Krise seiner Laufbahn stürzte. Die Idee zu dem Film stammte von Uli Edel, einem seiner ältesten Freunde, Filmhochschulgefährten und Vertrauten.

Eichinger nahm sie ihm weg, um sie Dörrie anzuvertrauen - die nach ihrem Millionenerfolg mit "Männer" gerade heiß gehandelt wurde. Schon das eine Art Verrat, der aber dann noch dadurch getoppt wurde, dass Eichinger mit Dörrie überhaupt nicht klarkam. Ihre Auseinandersetzungen gipfelten darin, dass sie ihn in New York vom Set des Films verbannte.

Damals stand er am Fenster des New Yorker Hotels, starrte in den Abgrund, nahm sogar mehrmals Anlauf. Am Ende fehlte ihm der Mut. Doch obwohl er mehr als zwanzig Jahre später starb, nahm Bernd Eichinger ...

Am Set von "Ich und Er" kamen Doris Dörrie (zweite von links) und Bernd Eichinger (links) überhaupt nicht miteinander klar, doch elf Jahre später bei der Premieren-Party von "Erleuchtung garantiert" sah die Beziehung wieder lockerer aus - an der Seite von Uwe Ochsenknecht (zweiter von rechts).

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":...seinen kontroversesten Film mit ins Grab

Bayreuther Festspiele - Der Ring des Nibelungen

Quelle: dpa

Ein Projekt verfolgte Eichinger seit der Filmhochschule. Mitte der Siebzigerjahre gab er es auf, ließ es jahrzehntelang ruhen und arbeite erst 2011 wieder daran: seine persönliche Version der Nibelungensage, zweiter Teil. Das erste Skript hieß "Der Morgen von Walhalla", das letzte, kurz vor seinem Tod fertiggestellt, "Zorn".

Nibelungentreue als tödliche Form das Fanatismus, darum ging es unter anderem. Tom Tykwer hat es gelesen und kommentiert: "Da hat er sich ein Fettnäpfchen von der Größe eines olympischen Swimmingpools ausgesucht. Wenn er den Film gemacht hätte, hätten ihn die Kritiker endgültig mit Haut und Haaren aufgefressen!" So blieben Bernd Eichingers Projekte meist von Erfolg gekrönt, aber er ... 

Szene aus dem Ring der Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen: Bernd Eichingers persönliche Version der Sage kam nie in die Kinos.

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":.. fühlte sich von Hollywood gedemütigt

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Quelle: AFP

In vielen Aufzeichnungen schreibt Eichinger von den "Dämonen des Selbstzweifels, der bodenlosen Angst, alles falsch zu machen". Sie zeigt sich besonders in seiner Zeit in Hollywood mit schweren nächtlichen Panikattacken.

1994 kehrt er nach München zurück und muss in seinem Tagebuch feststellen, dass er in Amerika immer noch ein Niemand ist, nach vier Jahren Arbeit ist er keinen Schritt weiter, fühlt sich gedemütigt und hintergangen. Aber Bernd Eichinger blieb ...

Roter Teppich in Hollywood: In den neunziger Jahren hatte Bernd Eichinger das Gefühl, dass dieser für ihn am Hollywood Boulevard nie ausgerollt werden würde. 

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Biografisches Erinnerungsbuch "BE":... ein unheilbarer Romantiker

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Quelle: imago stock&people

Sorgfältige Neueditionen von "Prinz Eisenherz"-Comics konnten ihn zu Tränen rühren, seine verzweifelten Briefe an Geliebte wie Jane Seitz und Corinna Harfouch füllen Seiten, und in Zeiten schwerster Krisen nahm er stets Karl Mays "Winnetou" mit ins Bett. "Ich muss diesen Quatsch jetzt lesen", sagte er dann. Vor allem aber stammen die großen Worte, die Adson von Melk am Ende von "Name der Rose" spricht, offenbar direkt aus seiner Feder. Da geht es um das Gesicht des Mädchens, "von dem ich in all den Jahren nie aufgehört habe zu träumen".

Er wird es sein Leben lang nicht vergessen: Der Benediktiner-Novize Adson von Melk (Christian Slater) ist in "Der Name der Rose" hoffnungslos den Reizen eines Bauernmädchens (Valentina Vargas) verfallen.

© SZ vom 05.09.2012/pak/rus
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