Schlechtere Karten als Rudolf Borchardt kann ein Schriftsteller in der gegenwärtigen öffentlichen Atmosphäre kaum haben. Wo jeder zahme Zweifel an der inzwischen erreichten besten aller möglichen Welten unter den Generalverdacht menschenverachtender Rückwärtsgewandtheit gerät, kann der bekennende Monarchist, der elitäre Ästhet, der schneidend sarkastische Feind der Weimarer Demokratie noch von Glück sagen, wenn er in der Nische der Sonderlinge Platz nehmen darf und nicht als Reaktionär und "gefährlicher Bürger" von vornherein von der Geistesrepublik exkommuniziert wird. Um Ehrenrettung - wie grotesk klingt dies Wort bei einem bis zur Narretei ehrbewussten Mann - kann es bei einer Beschäftigung mit Borchardt dabei niemals gehen - er war all das, was seine Feinde ihm nachsagten, freilich in einem Ausmaß, das sich die kühnsten unter ihnen nicht vorstellen konnten. Wenn man unter den jüdischen Autoren seiner Zeit nach Geistesverwandten Ausschau hält, die mit ihm keineswegs in Verbindung standen, dann müsste man die radikalen Exzentriker Karl Kraus, Otto Weininger und die geniale Simone Weil nennen, die sich der europäischen Kultur mit einer kämpferischen Originalität bemächtigt hatten, als seien sie deren einzige und letzte Verteidiger.
Biografie:Unter dem Gebot der Höchstleistung
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Der Dichter Rudolf Borchardt wurde 1877 in Königsberg geboren, er starb am 10. Januar 1945 in Trins bei Steinach in Tirol.
(Foto: dpa)Keine Ehrenrettung: Peter Sprengel schildert das Leben des Dichters und leidenschaftlichen Patrioten Rudolf Borchardt.
Von Martin Mosebach
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